Gelsenkirchen.

Die Energiewende treibt die Politiker in allen Bereichen um. Wo und wie kann noch mehr eingespart werden, welche Potenziale sind noch nicht entdeckt oder nicht ausgeschöpft? Die Bundesregierung reagiert auf den Druck der Brüsseler Sparzwänge und legt einen Gesetzesentwurf vor, der die Mieter teuer zu stehen kommen könnte.

„Dieses Mitrechtsänderungsgesetz gibt es so noch nicht“, beruhigt Ernst Georg Tiefenbacher, Vorsitzender des Gelsenkirchener Mietervereins. Trotzdem blickt er mit Sorgenfalten auf der Stirn in Richtung Berlin und die anstehenden Entscheidungen. Was aber steht da auf der Agenda der Regierung?

Knackpunkt Mietminderung

Im Kern geht es darum, Hauseigentürmern die energetische Sanierung ihrer Gebäude schmackhaft zu machen. Paragraph 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) räumt Mietern aber das Recht ein, die Miete zu mindern, wenn der 100-prozentige Wohngenuss nicht mehr gegeben ist. „Ist dieser Wohngenuss, zum Beispiel durch Baumaßnahmen, eingeschränkt, kann die Mietzahlung gemindert werden“, erklärt Tiefenbacher. Zudem schließt das Gesetz aus, den Mieter in diesem Recht zu beschränken.

Genau das sehe aber der Gesetzentwurf vor. „Die Bundesregierung beabsichtigt, Mietern dieses Recht der Mietminderung für drei Monate zu entziehen, wenn der Vermieter am Gebäude energetische Modernisierungsmaßnahmen vornimmt“, sagt Tiefenbacher. Ein tiefer Einschnitt in eines der grundlegenden Gesetze der Bundesrepublik. „Das BGB beruht in vielen Dingen auf dem Äquivalenzprinzip. So auch beim Wohngenuss und der entsprechenden Miete.“ Der Mietexperte ist daher gegen die Gesetzesänderung.

Eigentümer müssen viel investieren

Trotzdem hat Ernst Georg Tiefenbacher auch die Vermieter im Blick. „Ich kenne keinen Vermieter, der eine energetische Gebäudesanierung mal eben so bezahlen kann. Für ein Vier-Familienhaus muss man mit 60- bis 80.000 Euro Kosten rechnen“, weiß er. Fehlen dem Vermieter dann auch noch Einnahmen, weil der Mieter die Zahlungen mindert, wird die Modernisierung für viele erst recht unbezahlbar.

„Der Gesetzgeber sieht vor, dass Eigentümer in diesem Fall verbilligte Darlehen in Anspruch nehmen können. Trotzdem bleibt die Investition immens“, räumt Tiefenbacher ein. Daher wundert es ihn nicht, dass auch innerhalb der Regierungskoalition heftig über den Entwurf diskutiert wird. „Außerdem hat der Bundesrat angekündigt, sich in das Verfahren einzuschalten, sollte das Gesetz nicht auch dort verabschiedet werden müssen. Ich rechne nicht damit, dass in dieser Legislatur noch eine Entscheidung getroffen wird“, so Tiefenbacher. Mieterhöhungen hätten in einer Stadt wie Gelsenkirchen im übrigen fatale Folgen. Viele könnten das nicht mehr bezahlen und müssten ausziehen.