Gelsenkirchen. Im Gespräch mit der WAZ-Redaktion schildern zwei Besucher der offenen Szene in Gelsenkirchen ihre Sicht der Situation. Szene wünscht sich einen Runden Tisch mit Polizei, Ordnungsamt und Bürgern, um Probleme und Ängste auszuräumen.

Seit sechs Jahren ist die offene Szene in Gelsenkirchen für Manfred* Treffpunkt mit Freunden, Familienersatz, Anlaufstelle. Der 37-jährige Essener war drogenabhängig und ist seit langem bei einem Gelsenkirchener Arzt im Substitutions-Programm. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin trifft er unterhalb des Busbahnhofes die anderen Besucher der Szene. Auch Rebekka* gehört zum engen Kern der Gelsenkirchener Szene. Auch sie kommt täglich zum Treffpunkt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof.

Dass einigen Bürgern das ein Dorn im Auge ist, können die beiden nachvollziehen. „Absolut. Leider ist das der Ruf der Szene. Lange Haare, tätowiert, ein Bier in der Hand. Wir können nachvollziehen, dass das einigen Menschen Angst macht. Aber wir wollen wirklich niemandem etwas tun“, sagt Manfred. Sie hätten keinen anderen Ort, an dem sie sich treffen könnten, sagen die beiden.

Illegale Drogen würden nicht konsumiert

Viele kommen nicht aus Gelsenkirchen, nutzen öffentliche Verkehrsmittel, um nach Gelsenkirchen zu einem der Ärzte zu kommen, die sich der schwierigen Patienten angenommen haben. Ins Nasse Café dürfen die meisten nicht, weil dort nur Gelsenkirchener Bürger Zutritt haben. „Wir sind vormittags bei den Ärzten und dann treffen wir uns wieder am Bahnhof, denn alle müssen ja auch wieder nach Hause kommen“, sagt der 37-Jährige.

Illegale Drogen, das betont Szene-Besucherin Rebekka ausdrücklich, würden nicht konsumiert. Zehn bis 15 Personen umfasse der engere Kern der Gelsenkirchener Szene, die sich gerade dadurch auszeichne, dass keine Betäubungsmittel konsumiert würden. Die Arztbesuche, das Treffen mit den Bekannten. Für sie so wichtig, weil es ein geregelter Tagesablauf ist.

Toilettengebühr für manche zu teuer

Bis 14.30 Uhr steht man zusammen. „Wir machen nichts anderes, als andere Freunde auch. Wir reden über Gott und die Welt. Über Kindererziehung oder Probleme mit den Ämtern. Dabei trinken wir ein oder zwei Bier“, sagt Rebekka. Nur selten, so die beiden, käme es vor, dass jemand über die Stränge schlägt und deutlich zu viel trinkt. Wer sich daneben benimmt, der müsse mit Schelte der anderen Szene-Besucher rechnen. „Wir sind sicher keine Engel und es kommt vor, dass mal einer in die Büsche pinkelt“, gibt Manfred zu. Für manche seien aber die 50 Cent Toilettengebühr im Bahnhof schon zu teuer.

Seit Jahren werden die Szene-Besucher von den Ordnungshütern „verscheucht“. Manfred weiß nicht mehr, an wie vielen Plätzen sich die Gruppe schon getroffen hat. „Die Polizei kommt, nimmt Personalien auf, weil es sich um eine nicht angemeldete Versammlung handeln würde und das allein kostet dann schon 35 Euro.

Bier trinken und pinkeln kostet 78 Euro Strafe

Wer dabei noch ein Bier trinkt, muss 78 Euro Strafe zahlen, weil das an bestimmten Orten laut Stadtverordnung verboten ist. Wenn Schalke spielt, interessiert Polizei und Ordnungsamt dieses Verbot übrigens herzlich wenig.“ Wo sich die Szene-Besucher stattdessen treffen sollen, sagt ihnen aber niemand. Ganz selten gibt es untereinander Besuche in den Privatwohnungen, weil die in den allermeisten Fällen viel zu klein seien.

„Wir würden gerne mit Polizei, Ordnungsamt, Anwohnern und Bürgern mal an einen Runden Tisch kommen und den Austausch über Ängste und Probleme suchen. Niemand muss Angst vor uns haben“, wiederholt Manfred.

*Name von der Redaktion geändert