Gelsenkirchen. Nach der Berichterstattung der WAZ über den Treffpunkt der „offenen Szene“ unterhalb des Busbahnhofes am Gelsenkirchener Hauptbahnhof klären die Gelsenkirchener Streetworker auf. Übergriffe aus der Szene heraus seien eine Seltenheit, der Umgang untereinander aber durchaus rau.
Als Reaktion auf die Berichterstattung der WAZ vom 25. Juni („Angst auf offener Szene“) meldeten sich jetzt die Streetworker vom Arztmobil und der Caritas bei der Redaktion. „Ich kann die Bürger verstehen, dass einem mulmig werden kann, wenn man eine Gruppe Menschen sieht, die Alkohol konsumiert. Das ging mir früher nicht anders. Aber die Grundstimmung der Menschen dort ist nicht aggressiv“, sagt Cornelia Drosdziok, Diplom-Sozialarbeiterin und eine von zwei Streetworkerinnen in Gelsenkirchen.
Seit 2009 ist die 33-Jährige mit der Szene in Gelsenkirchen vertraut, seit 2007 ist sie als Sozialarbeiterin aktiv. Zwei Mal in der Woche sind Drosdziok und ihre Kollegen an der betreffenden Stelle unterhalb des Busbahnhofes vor Ort, suchen den Kontakt zu den Menschen, kommen ins Gespräch.
"Der Ton in der Gruppe ist rau"
„Menschen mit einer Suchterkrankung haben genau wie alle anderen ein Bedürfnis nach sozialem Austausch und der Kontaktpflege. Häufig fehlen die sozialen Bindungen wie Freunde und vor allem Familie. Durch Langzeitarbeitslosigkeit gibt es auch keine kollegialen Kontakte, so trifft man sich dann wenigstens in der ‘Szene’“, erklären die Gelsenkirchener Streetworker in einer Stellungnahme, warum die Gruppe sich täglich in der Nähe des Haupteinganges zum Hauptbahnhof trifft.
Dass Bürger von Mitgliedern der Szene angepöbelt werden, „kommt nur selten vor. Das sind Einzelfälle“, erklärt die Sozialarbeiterin. „Der Ton in der Gruppe ist sicher rau, aber nach außen ist das ganz anders. Wer dort vorbeigeht und höflich fragt, ob ihm Platz gemacht wird, dem wird natürlich Platz gemacht“, sagt Drosdziok. Dass gerade in den Abendstunden für Bürger Gefahr bestehen würde, sieht die Streetworkerin nicht. „Zumindest geht von der Szene diese Gefahr nicht aus. Abends sind die Leute, die sich tagsüber dort aufhalten, in der Regel nicht mehr da.“
Kritik am Verhalten von Polizei und Stadt
Kritik äußern die Streetworker in ihrer Stellungnahme am Verhalten von Polizei und Stadt. Mit Bußgeldern und Platzverweisen der Szene zu begegnen, sei der falsche Weg. „Durch das Verteilen von Bußgeldern verschlimmert sich die Situation der einzelnen Szenebesucher, da sie häufig von Hartz IV leben. Weniger Geld heißt evtl. wieder kriminell zu werden, kriminell werden heißt Verschlimmerung der Sucht und dies kann unweigerlich zu einem Gefängnisaufenthalt führen“, heißt es in dem Schreiben. Um die Situation zu verbessern, setzen die Streetworker auf Aufklärung der Bürger, suchen den direkten Kontakt zum Präventionsrat.
„Wir möchten mit unserer Arbeit auf die Problematiken der einzelnen Betroffenen aufmerksam machen und für mehr Feingefühl und Verständnis im Umgang mit suchterkrankten und wohnungslosen Menschen werben“, machen die Streetworker ihr Anliegen deutlich und fügen an: „Sollte es dennoch Probleme im Umgang mit ihnen geben, können die Bürger sich jederzeit an uns wenden. Wir versuchen Missverständnisse zu klären und zu vermitteln, damit ein friedliches Miteinander möglich ist.“
Und die Kontaktaufnahme ist dabei das kleinste Problem, denn die beiden Gelsenkirchener Streetworkerinnen Cornelia Drosdziok und Daniela Heldt sind täglich im Stadtgebiet unterwegs. Zu erkennen sind sie an ihren grauen Jacken mit der Aufschrift „Streetwork Gelsenkirchen“. „Man kann uns wirklich immer ansprechen.“