Gelsenkirchen.
Zu wenig öffentliche Toiletten – und bei den vorhandenen zu viele Einschränkungen für Rollatornutzer und Rollstuhlfahrer: Was WAZ-Leserin Katja Viete beklagt, ist ein Dauerbrenner-Thema in fast jeder Kommune. Gelsenkirchen hat das Problem immerhin erkannt – und pack’s aktiv an.
„Wir sind die erste Stadt, die sich mit neuen Ideen für das Netz der öffentlich zugänglichen Toiletten beschäftigt. Und das, obwohl die Stadt kein Geld hat“, sagt Dr. Siegbert Panteleit. Von Haus aus Architekt und Stadtplaner, betreut er im Auftrag von Gelsendienste die sechs WC-Anlagen an den Marktstandorten Erle, Hassel, Horst Nord und Süd, Hauptmarkt, Rotthauser Markt sowie Standort 7 an der U-Bahn-Station Heinrich-König-Platz.
Gegensprechanlage für den Notfall
Hinzu kommt das WC an der Markthalle in Buer, wo zurzeit der Vertrag zwischen Marktbetreiber und Intecta neu verhandelt wird. Schon im April wird Panteleit den Entwurf für den ersten Toilettenentwicklungsplan vorlegen. Als erstes Gremium wird sich der Beirat für Menschen mit Behinderungen damit auseinandersetzen. Aus gutem Grund. Denn zwischen der vorbildlichen Vorzeige-WC-Anlage am Rande des Erler Marktplatzes und dem tiefer gelegten WC am Hauptmarkt liegen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen aktuell Hindernis-Welten.
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„Diese WC-Anlage ist im Revier wohl einzigartig“, charakterisiert Panteleit die neue Örtlichkeit am Erler Markt. Die Krönung in der mit Euro-Schlüsselsystem 24 Stunden lang erreichbaren Behindertentoilette wird bald in Betrieb genommen: Eine gegen Vandalismus gesicherte Gegensprechanlage, die dem Besucher im Notfall direkten Kontakt zu den Johannitern vermittelt.
130.000 Euro hat die Gesamtanlage gekostet, die für nicht Behinderte mit dem gewissen Drang und – leider muss man da sagen – auch Rollatorbenutzer nur an Markttagen und bei öffentlichen Veranstaltungen zur Verfügung steht. Dafür zum Nulltarif sowie auch für Blinde und Sehbehinderte ausgestattet.
Ähnlich wie das hochmoderne, blitzblanke und behindertengerechte öffentliche Örtchen werden die Toilettenanlagen ausfallen, die beim Umbau des Heinrich-König-Platzes und des Margarete-Zingler-Platzes entstehen und die alten Bedürfnisstätten ersetzen werden. Soviel steht fest. Bleiben andere öffentlich zugängliche Bedürfnisanstalten. „Wir experimentieren zurzeit mit Toilettentypen“, beschreibt Siegbert Panteleit die Herangehensweise an die WC-Planung.
Die verschiedenen Urinal-Typen
Dabei spielen soziologische Fragen wie die, warum Menschen viel Energie aufbringen, um WC-Abflüsse zu verstopfen, ebenso eine Rolle wie der Toiletten-Typ vor kulturellem Hintergrund. Panteleit schwebt die Einführung von so genannten Hock-Toiletten in Bereichen mit vorwiegend jüngerer Bevölkerung vor. Damit Menschen, die den Kontakt zu diesem WC-Typ kennen, nicht mehr auf den Schüsselrand steigen, um sich ihres Drangs zu entledigen.
Die Tragfähig von Klo-Schüsseln und -Brillen wird ebenfalls bedacht. Auch die Höhe von Urinalen im Herren-Bereich mit Blick auf die nachlassende Strahlkraft im Alter spielt eine Rolle. Dazu unterscheidet der Toiletten-Experte zwischen der Frequenz- oder Veranstaltungstoilette, zwischen Unisex- bzw. Dixie-Klo oder zwischen Tief- und Flachspüler.
Bleibt die „nette Toilette“: Die Stadt unterstützt bei diesem Modell Gastronome finanziell und spart selbst Unterhaltskosten. Die liegen allein für drei Toilettenanlagen jährlich bei 40.000 Euro.