Gelsenkirchen. Ein Berufsvorbereitungs-Projekt der besonderen Art durchlaufen derzeit 152 Schüler aus Gelsenkirchen und lernen dabei auch, in entscheidenden Momenten „Nein“ sagen zu können.
Melike weiß, was sie will. Und was nicht. Wenn ein Vorgesetzer etwa von ihr verlangen würde, Papier vom Boden aufzuheben, sie käme dieser Forderung nur dann nach, wenn sie als Reinigungskraft beschäftigt sei. Sonst nicht, „weil das dann nicht meine Aufgabe ist“. Klare Ansage. In diesem Fall müsste sich der imaginäre Chef etwas einfallen lassen.
Ob Melike im späteren Leben tatsächlich solche Entscheidungskriterien zu Grunde legen wird, steht noch in den Sternen. Aktuell besucht die 14-Jährige das Schalker Gymnasium. Mit weiteren 17 Schülerinnen und Schülern trainiert sie fürs Leben. Motto: Sei vorbereitet – be prepared.
Ziel des im November vergangenen Jahres gestarteten Pilotprojekts an sieben Gelsenkirchener Schulen: Junge Menschen sollen frühzeitig lernen, eigene Strategien für das Leben nach der Schule zu entwickeln, ihre Talente ausloten, sich Gedanken über ihre beruflichen Interessen machen, ihre eigene Sozialkompetenz einsetzen. Und nicht mit „null Plan“ die Schule verlassen. Wie wichtig dieses Rüstzeug ist, unterstreicht Dominik Blechschmidt von der Agentur für Arbeit: „Wenn Schulabsolventen gut vorbereitet sind und bereits Vorstellungen über ihre beruflichen Neigungen entwickelt haben, kann das Ausbildungsabbrüche vermeiden helfen.“ Genau das war auch der Ansatz der Konzepts.
„Wer bin ich, wo komme ich her, was wird aus mir?“
Finanziert wird das auf drei Jahre angelegte Projekt von der Stadt und der Agentur für Arbeit; die pädagogische Arbeit stemmen Caritas und Bauverein Falkenjugend im Verbund mit dem Förderkorb. Verantwortlich für die Koordination des Projekts, an dem insgesamt 152 Schüler teilnehmen, ist Caritas-Mitarbeiterin Vivien Bredenbrock. Sie erläutert die 15 Module des pädagogischen Gesamtkonzepts, das mit dem Biografie-Training begonnen und die zentralen Fragen in den Mittelpunkt gerückt hatte: „Wer bin ich, wo komme ich her, was wird aus mir?“ Wegeweiser Internet, Praktika, Coolness-, Bewerbungs-, Verhandlungstraining – be prepared lässt keine Anforderung aus.
Individuell auf die einzelnen Schulformen zugeschnitten wird der 15-Punkte-Plan abgearbeitet. Und zwar mit ganz wenigen Ausnahmen außerhalb der Schulzeit, manchmal sogar am Wochenende. Gestern gab es eine dieser Ausnahmen: Im Klassenraum der 8 a stand Sozialkompetenz mit den beiden Falken-Trainerinnen Sarah Meyer und Kirsten Poppinga auf dem Projektstundenplan.
"Nein-sagen" will gelernt sein
Eine Fragestellung lautete: Wie setzt man eine (berechtigte) Forderung um? Und wie reagiert man auf Forderungen? Beispielsweise auf die, als Schülerpraktikant ständig putzen zu müssen, anstatt sich im Betrieb umzuschauen. Beispielsweise in Akkordarbeit eingebunden zu sein, obwohl das Jugendschutzgesetz das verbietet? In der Diskussion kam da wie von selbst die Frage des persönlichen Auftretens hinzu. Höflich, aufrechte Körperhaltung, Blickkontakt, deutliche Ansprache. Wozu im Zweifelsfall auch ein klares „Nein“ gehört.