Gelsenkirchen.
Wer Gerhard und Ilse Rosenthal kennenlernt, der wird nicht glauben können, dass die beiden 90 und 88 Jahre alt sind. Fröhlich und fit bewegen sich die beiden durch ihre Wohnung an der Börnestraße in Horst, in der sie seit 50 Jahren Zuhause sind. Und bei guter Gesundheit haben die beiden am Mittwoch einiges zu Feiern, denn dann sind sie 70 Jahre lang verheiratet und feiern ihre Gnadenhochzeit!
Ein Gespräch mit dem Jubelpaar steckt voll überraschender Momente und aus dem Staunen kommt man fast nicht mehr hinaus. „Entschuldigen Sie bitte, ich habe das Wohnzimmer noch nicht ganz aufgeräumt“, sagt Gerhard Rosenthal. Dabei ist das Wohnzimmer ganz wunderbar in Schuss. Nur eine kleine Klappe an der Schrankwand steht noch auf. Darin: Ein Computer, ein Funkgerät und ein Telegraf. Denn kurz zuvor hat der 90-Jährige noch mit einem Freund in Russland per Internet-Videotelefon gesprochen. „Ich bin halt noch immer sehr neugierig“, sagt Gerhard Rosenthal und lacht.
"Du wolltest mich ja haben"
Schon zu ihrer Schulzeit in der Volksschule in Bismarck lernten sich die beiden kennen – im Musikunterricht. „Wir haben beide Akkordeon gespielt und uns so kennengelernt“, sagt Ilse Rosenthal. „Du wolltest mich ja haben“, sagt ihr Mann. „Ja schon, aber du hast zuerst gesagt, dass du mich heiraten wirst.“ Das war 1939. Nur drei Jahre später wurde geheiratet. „Das war eine Haustrauung. Der Pastor kam mit dem Fahrrad zu uns“, erinnert sich Ilse Rosenthal, die damals noch Matheus mit Hausnamen hieß. Ihr Bräutigam, damals schon bei der Luftwaffe, bekam für die Trauung frei.
Gegen Ende des Krieges geriet Gerhard Rosenthal in russische Kriegsgefangenschaft, unternahm drei Fluchtversuche, von denen der letzte schließlich glückte und ihn zurück zu seiner Ilse führte, zu der er während der Gefangenschaft nur ein einziges Mal Kontakt hatte. „Dass ich das alles überhaupt durchgestanden habe, verdanke ich der Musik“, erklärt der 90-Jährige. Erst spät musste er an die Front, weil die Kommandanten ihn häufig am Fliegerhorst halten wollten, um für die musikalische Untermalung der Feste zu sorgen. „In der Gefangenschaft habe ich mit einigen anderen bei den Festen der russischen Kommandanten gespielt. Eines Abends, als die alle betrunken waren, sind wir dann stiften gegangen“, erinnert er sich.
Musik ist immer noch ein fest Bestandteil
Und noch heute ist die Musik fester Bestandteil des Lebens des Gnadenhochzeitspaares. Im Wohnzimmer steht ein Keyboard und oft setzt sich Gerhard Rosenthal daran und spielt fröhlich ein paar Lieder. Seine Frau hat noch eine Gitarre im Schrank. Oft sind sie gemeinsam bei Festen aufgetreten und haben für Stimmung gesorgt. Bis Gerhard Rosenthal 72 Jahre alt wurde, tourte er auch als Alleinunterhalter, denn singen kann er auch. Und das tut er noch heute. Im BP-Chor. Der wird auch am Samstag in der Kirche im Paul-Gerhardt-Haus singen, wenn die Jubiläumshochzeit im kleinen Kreis mit den Kindern und Enkelkindern gefeiert wird.
Und auch davon wird Gerhard Rosenthal seinen Freunden in aller Welt dann sicher wieder einiges zu berichten haben. Ganz gleich ob über das Internet, oder per Funk und Telegrafie. Man könnte den beiden Stunden zuhören. So viele spannende Geschichten haben sie erlebt. Und zum Abschied, wie sollte es auch anders sein, singt der Hausherr von seinem Balkon ein fröhliches „Bye, bye“.