Gelsenkirchen. Flächenmonitoring und das Handlungskonzept Wohnen sollen langfristige Strategien für die Stadtentwicklung ermöglichen. Die von Experten erarbeiteten Grundlagen wurden jetzt vorgestellt.
Die Einwohnerzahl Gelsenkirchens sinkt, der Überhang an Mietwohnungen wächst. Gleichzeitig hat in den letzten Jahrzehnten die Größe der Freiflächen in der Stadt weiter abgenommen. Zwei Aspekte des Themas Wohnen, die widersprüchlich scheinen, aber dennoch zusammengehören – und denen die Stadt Aufmerksamkeit widmet: mit einem Flächenmonitoring und dem „Handlungskonzept Wohnen“, vorgestellt in der Sitzung des Stadtentwicklungs- und Planungsausschusses.
Luftbilder aus den letzten 40 Jahren hat das Gutachterbüro MEP aus Bochum für das Freiflächenmonitoring ausgewertet, beginnend 1969 – der Spitze des Industrialisierungsgrads Gelsenkirchens. Eine rein quantitative (und wie sich im Ausschuss zeigte durchaus interpretationswürdige) Auswertung stellte Dr. Harald Mark der Politik vor. Deutlich wurde: die Freiflächen haben seither weiter abgenommen.
Deutliche Abnahme des Grünflächenanteils
Konnten 1969 noch auf 42,6 % des Stadtgebietes „weitgehend naturnahe Böden vermutet werden, so hat sich dieser Bestand in 2009 auf 26,4 % reduziert.“ Insgesamt hat Mark eine deutliche Abnahme des Grünflächenanteils vor allem bei Ackerflächen festgestellt. Im erfassten Zeitraum nahmen die bebauten und versiegelten Flächen um 13 % zu. Freiraum ging vor allem durch Straßen, Bebauung und Industrie verloren. Gleichzeitig wurden allerdings in den vier Jahrzehnten auch alte Industrie-Räume zurückgewonnen. Stichwort Halden oder BuGa-Gelände.
Ein Instrument für ein – in Zeiten des Klimawandels zunehmend wichtiges – Freiflächenmanagement ist das Monitoring. Zudem zeigt es die Nachhaltigkeit von baulichen Veränderungen, zumal es auch statistisch die Nutzungsänderungen der vielen kleinen Flächen innerhalb des Stadtgebiets erfasst. Ein wenig scheinen die Prozentzahlen die Bemühungen in Gelsenkirchen zu konterkarieren. Zumindest für den Ausschussvorsitzenden Klaus Haertel (SPD): „Wir leben in der zweitdicht-besiedelten Stadt Nordrhein-Westfalens. Ich kenne keine andere Stadt, die so konsequent den Rückbau von Industrieflächen angeht.“ Zumindest statistisch schlägt sich das kaum nieder.
Wir sind erst am Anfang eines Prozesses
Seit 2012 wird auch für Gelsenkirchen ein Handlungskonzept Wohnen erarbeitet, das Mitte des Jahres vorliegen soll. Zur Bestandsanalyse des Wohnungsmarkts mit seinen Stärken und Schwächen soll es Handlungsempfehlungen geben.
„Wir sind erst am Anfang eines Prozesses und haben erste analytische Ergebnisse, die Fragen aufwerfen“, räumten Dr. Rolf Heinze und Torsten Bölting vom Bochumer InWIS-Institut ein, das die Studie erarbeitet. Klar ist aus Sicht der Experten: Gelsenkirchen wird auf die wachsende Zielgruppe der älteren Haushalte reagieren müssen. Für sie wird es einen speziellen Bedarf an öffentlich gefördertem Wohnraum geben.
Die Entwicklung in den Stadtteilen ist sehr unterschiedlich. „Rotthausen und Resser Mark verlieren am stärksten Einwohner“, in „problematischen Quartieren in südlichen Stadtvierteln“ verzeichnen die Experten über 10 % Leerstandsquote. Gleichzeitig gebe es bei der Wohnungsnachfrage „hohe Dynamik in Buer, Resse und Erle“ sowie – trotz vieler Leerstände – in der Altstadt. Dort lag übrigens der Anteil der Zwangsversteigerungen an allen Kauffällen 2011 bei 4,9 % – ein alarmierender Wert. Insgesamt, stellen die Forscher fest, habe Gelsenkirchen einen hohen Anteil an Gebäuden der 50er bis 70er Jahre. „Neubaubedarf ergibt sich da qualitätsbedingt.“ Und die Abrissdiskussion, so Bölting, müsse man „in einigen Quartieren sicher führen“. Für Freiräume wie Wohnen gilt: Beides sind Standortfaktoren „und wichtig, um die Stadt zu positionieren.“