Gelsenkirchen. . Sie ist die Retterin aus dem Untergrund. Unsichtbar und immer da. Aus der dunklen Tiefe gibt sie den Takt an, wenn die im Scheinwerferlicht für Sekunden aus dem Rhythmus geraten. Der Arbeitsplatz von Ariane Peleikis liegt direkt unter den Brettern, die die Welt bedeuten. Ariane Peleikis ist Souffleuse am Musiktheater im Revier.

In der Schule ist Vorsagen streng verboten. Im Theater ist Soufflieren ein Muss. „Gerade Gastkünstler sagen mir oft, dass sie gar keine Souffleuse brauchen“, erinnert sich Ariane Peleikis. Aber, und die 52-Jährige lächelt: „Sie brauchen mich alle!“ Für das Publikum bleibt die Souffleuse in der Regel unsichtbar. Nur die kleine Muschel ganz vorne in der Bühnenmitte deutet dezent darauf hin, dass unter der Erde noch ein guter Geist am Werke ist.

Und fürs Publikum bleibt die Souffleuse in der Regel auch stumm. Denn die gute Fee, sie flüstert leise, wenn sich große Sängerinnen stimmgewaltig in höchste Höhen schrauben und plötzlich ins Stocken geraten.

Winziger Arbeitsplatz

Nur noch kurze Zeit bis zur Aufführung des melodienseligen Operetten-Ohrwurms „Das weiße Rössl“. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz von Ariane Peleikis geht es hinunter in den Orchestergraben, vorbei an Dirigentenpult und Notenständern. Tief unter den Bühnenbrettern führt eine kleine, schmale Holzstiege wieder in die Höhe, mitten hinein in den Soufflierkasten.

Ariane Peleikis’ Arbeitsplatz ist winzig, mit Schaumstoff gepolstert, um jedes Geräusch zu dämmen. Das Podest unter der Muschel – klein, die Luft – heiß und zum Schneiden. In Augenhöhe der Souffleuse werden sich später Sänger und Tänzer im Takt der großen Melodien bewegen: „Ich beobachte alles aus der Dackelperspektive.“

Souffleur, das ist kein Lehrberuf. Auch die gebürtige Saarbrückerin rutschte irgendwie in ihren Traumjob rein. Ist von Haus aus Bankkauffrau und zog mit ihrer Familie ins Revier, als der Ehemann einen Arbeitsplatz als Inspizient am Musiktheater übernahm. Die leidenschaftliche Opernliebhaberin brachte aber beste Voraussetzungen für die Rolle der Vorsagerin mit. „Man muss Noten lesen können, ein gutes Gefühl für Rhythmus haben und ein gutes Gehör haben.“ Opernsprachen wie Italienisch und Französisch, ein Muss. „Und stete Konzentration, die ist wichtig. Denn, wenn man einmal nicht aufpasst, dann passiert bestimmt was!“

„Manche sitzen in der ersten Reihe, aber ich sitze in der allerersten.“

Aufpassen, das heißt zum Beispiel, stets Blickkontakt zu den Künstlern zu halten. In der Partitur hat sich die Souffleuse jede Stimme farblich gekennzeichnet. „Es gibt Künstler, die wollen durchsouffliert werden. In jeder Pause bekommen sie dann den nächsten Textanfang.“ Andere geben ein Zeichen, wenn sie hängen. Und es gibt auch Situationen, da ahnt die Flüsterin noch vor dem Künstler, das gleich was schief läuft. Anekdoten, die gibt es jede Menge. „Einmal merkte ich, wie die Hauptdarstellerin gedanklich weggetreten war, da hab ich mit dem Finger geschnipst und da war sie wieder da.“

Drei Sachen hat die Souffleuse, die fast jede Partie auswendig kennt, stets im Blick: die Sänger, die Partitur und den Monitor mit dem Dirigenten. Kein Wunder, dass sie sogar mitdirigiert und sich mancher sogar seinen Einsatz bei ihr abschaut.

Nur noch wenige Minuten, dann wird sich der Vorhang heben. Die Souffleuse spricht mit jedem Sänger, um die Tagesform abzuklären. „Manche sagen Bescheid, wenn sie schlecht drauf sind, da muss ich dann besonders aufpassen.“ Die Souffleuse nimmt Platz, rückt sich Taschentuch, Hustenbonbons und eine Flasche Wasser zurecht und freut sich: „Manche sitzen in der ersten Reihe, aber ich sitze in der allerersten.“