Gelsenkirchen.

Der Kumpel nimmt genüsslich einen tiefen Schluck aus der Pulle. Auch vor Franz Kosub steht eine Bierflasche. Er konzentriert sich aber lieber auf die Skatkarten in seiner Hand. Die beiden Biertrinker sitzen nicht in einer Kneipe, aber auch nicht auf der Straße, sondern im Café Kontaktcentrum an der Liboriusstraße.

Mit diesem Cafe, das von der Drogenberatung Kontaktzentrum betrieben wird, hat die Stadt eine echte Vorreiterrolle übernommen. Während am gestrigen Donnerstag der Landtag über den Gesetzentwurf der CDU, das Alkoholtrinken auf öffentlichen Plätzen zu verbieten, diskutierte, bietet das Café bereits seit drei Jahren eine Anlaufstelle für all die an, die sonst irgendwo abhängen würden. „In der Stadt werden sie kaum mehr Leute treffen, die herumstehen und trinken“, sagt Munevera Ackermann. Die 53-Jährige ist Geschäftsführerin des eingetragenen Vereins und brachte das Projekt zusammen mit rund 35 Mitarbeitern auf die Erfolgsstraße.

Kicker und Eiche Rustikal

Rustikale Holztische, eine Theke, ein Kickerautomat: In diesem 150 Quadratmeter großen Raum treffen sich täglich zwischen 50 und 70 Menschen im Alter zwischen 30 und 70 Jahren, um mitgebrachten Alkohol zu trinken, um zu reden, zu rauchen, um Hilfen in Anspruch zu nehmen. Viele von denen, die früher am Heinrich-König-Platz oder am Bahnhof standen und tranken, treffen sich heute im „Nassen Café“, wie es im Volksmund genannt wird.

Hier haben sie ihre Ruhe, werden nicht weggeschickt. Ackermann: „Wir nehmen sie so, wie sie sind, respektieren sie.“ Allerdings mit festen Regeln: Bier, Wein oder Sekt darf mitgebracht werden, aber nichts Hochprozentiges. Sexistische Äußerungen und Beleidigungen sind tabu. „Wer sich nicht daran hält, bekommt Hausverbot.“ Sogenannte Nichtsesshafte kommen kaum, dafür viele Hartz 4-Empfänger. Arme Schlucker, im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Einrichtung eines Ortes, wo Menschen trinken dürfen, empfiehlt Munevera Ackermann auch anderen Städten: „Das Trinken einfach nur verbieten und keine Alternativen zu schaffen, ist keine Lösung.“

Kinder- und Jugendschutz ist wichtig

Die Stadt Gelsenkirchen reagierte bereits 2008 mit einer ordnungsbehördlichen Verordnung auf zunehmende Trinkgelage an Haltestellen des öffentlichen Personenverkehrs. Im Radius von 20 Metern um die Haltestelle ist das Alkoholtrinken verboten. Stadtsprecher Oliver Schäfer betonte, dass der kommunale Ordnungsdienst vor allem neuralgische Punkte in der Stadt, an denen immer mal Saufgelage stattfinden, verschärft kontrollieren würde: „Das hat sich bewährt.“

Diese neuralgischen Punkte kennt natürlich auch die Polizei. Beamte müssen immer mal wieder am Bahnhof eingreifen oder am Heinrich-König-Platz, in der Rottmannssiepe oder am Goldbergplatz. Konrad Kordts, Sprecher der Polizei: „Wir greifen ein, wenn Betrunkene nicht mehr Herr ihrer Sinne sind, wenn Gefahr für sie selbst besteht.“ Die Beamten schreiten zudem ein, wenn randaliert und gestritten wird, wenn Betrunkene aggressiv reagieren: „Wir erteilen Platzverweise, müssen auch mal jemanden in Gewahrsam nehmen.“ Die Polizisten gehen auch gemeinsam mit der Ordnungsbehörde auf Streife: „Wir sprechen die Leute offensiv an.“ Wichtig sei vor allem der Schutz von Kindern und Jugendlichen: „Alles, was dazu beiträgt, ist richtig.“

Dazu, dass Jugendliche nicht an jeder Ecke auf feucht-fröhliche Gelage treffen, trägt auch das Café Kontaktcentrum bei. Und hierher kommen die Menschen schließlich nicht nur zum Trinken. Kartenspieler Franz Kosub: „Das ist einfach ein schöner Treffpunkt.“