Gelsenkirchen. . Edith Koch aus Gelsenkirchen-Buer ist 90 Jahre alt und reist noch immer gerne mit der Deutschen Bahn. Doch was sie auf ihrer letzten Reise erlebte, ist schier unglaublich. Um auf die Toilette zu dürfen, musste sie einiges über sich ergehen lassen.

Geschichten gibt’s, die gibt’s gar nicht. Edith Koch ist genau so eine passiert. Die 90-jährige, rüstige Bueranerin reist noch immer gerne, und zwar mit der Deutschen Bahn. Jetzt kam die WAZ-Leserin von einer achttägigen Tour aus der Eifel zurück und was sie zu erzählen hat, klingt schier unglaublich. Gleich zwei Mal machte ihr die Bahn das Reisen so richtig schwer.

Die erste Panne passierte bereits beim Fahrkartenkauf am Gelsenkirchener Hauptbahnhof: „Ich wusste, dass ich in Essen Hauptbahnhof umsteigen muss und habe extra nachgefragt, ob ich dort auf einem Bahnsteig ankomme, wo ich wieder viele Treppen hoch- und runtersteigen muss.“ Die alte Dame ist zwar fit, aber läuft mit einem Gehstock. Kein Problem, habe man ihr beim Kartenkauf gesagt, in Essen gäbe es inzwischen einen Aufzug.

"Ich stand mutterseelenallein auf dem Bahnsteig"

Pustekuchen, wie Edith Koch schließlich vor Ort feststellte: „Ich stand mutterseelenallein auf dem Bahnsteig.“ Erst ein Arbeiter konnte ihr die Auskunft geben: „Der Aufzug ist doch noch gar nicht fertig.“ Also doch treppauf, treppab und Edith Koch fragt: „Warum hat mir das in Gelsenkirchen keiner gesagt?“ Das nächste Problem folgte sozusagen auf dem Fuß.

„Ich musste zur Toilette, ein netter Fahrgast wies mir den Weg und da stand ich plötzlich vor einer langen Treppe in die Tiefe.“ Edith Koch wusste: „Das schaffe ich nicht mehr, mit Gehstock in der Rechten und Koffer in der Linken.“ Also ging die kluge Dame dem Schild Behindertentoilette nach: „Dort aber hing ein Schild an der Tür: Schlüssel am I-Point abholen.“

Also zum Informationsschalter und um den Toilettenschlüssel gebeten. Reaktion des Bahnmitarbeiters: „Haben Sie einen Behindertenausweis?“ Die betagte Kundin mit Gehstock antwortet: „Nein, hab’ ich nicht.“ Reaktion: Dann gibt’s auch keinen Schlüssel. Außerdem sei die Toilette ohnehin gerade besetzt.

"Ich war so aufgeregt"

Da witterte Edith Koch eine Chance, ging wieder zur Behindertentoilette, um dort den Schlüssel zu übernehmen. Klappte auch nicht, weil die Vorgängerin, eine Mutter mit Wickelkind, am I-Point ihren Personalausweis hinterlassen musste und den rasch wieder gegen den Schlüssel austauschen wollte.

Die alte Dame zurück zum Schalter und forderte ob der zunehmenden Dringlichkeit der Abgelegenheit nun vehementer den Schlüssel ein. Da kam der Bahnmitarbeiter auf die Idee, auch von der 90-Jährigen den Personalausweis als Pfand einzufordern. „Ich war so aufgeregt“, erinnert sich Edith Koch, „dass ich lange in meiner Reisetasche nach dem Ausweis suchen musste.“ Dann konnte sie endlich die rettende Toilette aufsuchen.

Inzwischen wieder zurück in Buer, entschloss sie Edith Koch, die Geschichte öffentlich zu machen. Als ehemalige Sozialarbeiterin kennt sie die Nöte der Menschen und wehrt sich: „So etwas sollte anderen nicht auch noch passieren.“

Das meinte gestern auch ein Bahnsprecher: „Unsere Mitarbeiter sind angehalten, sehr restriktiv vorzugehen, um die Hygienestandards in den Toiletten einzuhalten. Es gibt allerdings auch einen Kulanzbereich. Was hier passiert ist, tut mit sehr Leid, wir werden uns bei der Dame entschuldigen.“