Essen. Mal eben durch die Stadt und in ein paar Geschäfte - im Rollstuhl ist das nicht einfach. Die Essenerin Diana Ferber ist beinamputiert und leidet neben Schmerzen auch unter Ignoranz, etwa von Kellnern: “Zur Toilette geht es die Treppen da runter.“

Der Stadtbummel fällt schwer, die nächste Toilette bleibt unerreichbar: Diana Ferber erlebt im Rollstuhl viele Barrieren. Manchmal hält sie die zweite Socke schon in der Hand. Sie erwischt sich auch beim Gedanken, einfach loslaufen zu wollen. Und dann juckt ihr linker Fuß wieder, obwohl der gar nicht mehr da ist, denn Diana Ferber ist seit drei Jahren beinamputiert.

Ein Alltag voller Barrieren

Vor zehn Jahren ging sie mit Knieproblemen zum Arzt. Ihre Diagnose lautet Arthrose. Bei der dritten Knie-OP stand fest, „das Bein muss ab“. Schuld waren Bakterien, sagt die 40-Jährige. Jetzt ist ihre rechte Hand frisch operiert, das rechte Bein schmerzhaft. „Ich bin eine multiple Baustelle“, sagt Diana Ferber. Warum das alles ausgerechnet ihr passiert, das frage sie sich nicht. Aber sie ärgert sich über die Ignoranz vieler Mitmenschen, die an ihr vorbeidrängen und „ihr Popos ins Gesicht drücken.“ Was sie wütend macht, ist ihr Alltag voller Barrieren.

Beim Besuch von „Essen verwöhnt“ kämpft sie sich mit viel Kraft und Geschick über die Kabelabdeckungen auf der Kettwiger Straße. Auf ihre Frage nach einem WC in der Nähe schaut der Kellner sie an und weist auf das Mezzo Mezzo: „Da die Treppen runter.“ Unerreichbar bleiben ohne Hilfe auch viele Geschäfte. Stufen behindern sie. Innen sind die Kabinen manchmal so eng, dass der Rollstuhl nicht durchpasst. Anprobe unmöglich.

28 Operationen in 3 Jahren

Sich zurecht zu machen, das habe sie sowieso verlernt. „Die Leute gucken eh.“ Da will sie sich nicht noch „auftakeln“. Mit ihrer Weiblichkeit umzugehen, fällt ihr schwer. Ihr Lebensgefährte sage schon, dass er sie sexy findet. Vor sechseinhalb Jahren hat sie ihn kennengelernt. „Drei Monate später wurde mein Bein versteift.“ Ihr Partner habe ihren Krebs, ihre Bauch-OPs, 28 Operationen in drei Jahren mitgemacht. Mit ihm lebt sie in ihrer großen Familie. Sie hat zwei Kinder, er drei. Diana Ferber ist Mama für alle geworden.

Früher hatte die kaufmännische Angestellte eine feste Stelle, hat mal als Croupier in Las Vegas gearbeitet. Sie ging zum Bogenschießen, ins Fitnessstudio oder zu Freunden. Die sind weg. „Wahrscheinlich ist es mit mir zu anstrengend.“

Unmengen Morphium

Rockkonzert in der ersten Reihe, das gehe mit ihr nun mal nicht mehr. Ein Minijob im Büro schon. Die Angst bleibt aber, weil die Arthrose ein schleichender Prozess ist. Ihre Beinamputation hingegen empfand sie als Befreiung – von Schmerzen und Unmengen Morphium. Eine Woche lang hatte sie Zeit, sich mit der Vorstellung abzufinden. Danach verkroch sie sich lange.

Als die Box-Begeisterte jetzt zur Premiere des Klitschko-Films in die Lichtburg wollte, habe es für sie wegen der Kameraleute keinen Platz gegeben: „Ich fühlte mich das erste Mal diskriminiert.“ Ähnlich geht es ihr beim Ausweis für Behinderten-Parkplätze, auf denen sie gut ihren Rollstuhl ausladen könnte. Antrag abgelehnt, weil sie laut Schwerbehindertenausweis gehbehindert (G) ist. Erforderlich für die Parkplätze ist AG: außergewöhnlich gehbehindert.

"Der Rollstuhl ist mein Gefängnis"

Ausflüge mit Linie 107 in die Zeche Carl scheitern an den alten Straßenbahnwagen mit hohen Stufen. Will sie in Kray losfahren, geht es mit der S-Bahn nur Richtung Duisburg, auf der anderen Seite kommt sie nicht zum Zug. Landet sie am Hauptbahnhof auf Gleis 21, steckt sie ohne Aufzug fest. „Lichtblick“, nennt Diana Ferber solche Momente, in denen der Lokführer sie dann zu Gleis eins fährt. Im Gegensatz zu Situationen, in denen der Busfahrer ohne sie Gas gibt. Oder die Steigung auf der Krayer Straße für sie zum Mount Everest wird.

Nun bekommt sie bald eine neue Prothese, weil die alte ihren Stumpf wund gescheuert hat. Diana Ferber hofft, dass sie bis dahin die Krücken mit beiden Händen greifen kann. Nach der Amputation war sie so optimistisch, wollte mit der Prothese schnell „auf zwei Beinen sein.“ Ein paar Schritte, mehr schafft sie heute nicht. „Der Rollstuhl ist mein Gefängnis, aber auch meine Sicherheit.“ Mehr Freiheit wünscht sie sich. Nicht ständig, um Hilfe bitten zu müssen.

Kürzlich bat ihr Partner sie: „Heirate mich.“ Am 7.7. erhält er ihr Ja-Wort, erzählt Diana Ferber aufgeregt. Auf dem Standesamt im Gildehof – „und in drei oder vier Jahren noch einmal in Las Vegas“.

Versorgungsamt und Lichtburg

Beinamputierte gelten nicht als außergewöhnlich gehbehindert, wenn sie eine Prothese nutzen können, sagt Gregor Hüsken, Abteilungsleiter im Sozialamt, Bereich Versorgungsamt. Das gibt die Versorgungsmedizinische Verordnung vor.
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