Gelsenkirchen. .

Er ging in die 8. Klasse einer Gelsenkirchener Schule und rief übers Internet zum Amoklauf im Lehrerzimmer auf. Der 14-Jährige suchte über das Portal „SchülerVZ“ nach Mittätern. Dass er damit rasch aufflog, ist auch der Arbeit eines Krisenteams zu verdanken, das die Stadt vor nunmehr zwei Jahren einrichtete.

„Zentrales Interdisziplinäres Krisenteam“ heißt die Gruppe genau, die sich aus Vertretern von Polizei, Jugendamt, Schule, Schulverwaltung und Schulpsychologie zusammensetzt.

Eine Truppe, die vor allem dann eingreifen soll, wenn das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Das Krisenteam ist zur Stelle, wenn es gilt, eine bereits begangene Straftat aufzubereiten. Es versucht aber vor allem, Konflikte an Schulen schon im Frühstadium zu entdecken und zu entschärfen, und es versucht, Schule auf den konkreten Notfall vorzubereiten. Ein solcher Notfall kann ein Amoklauf sein, aber auch ein handgreiflicher Streit unter Schülern oder die Androhung eines Selbstmords.

Beleidigung, Körperverletzung, Waffenbesitz

Prävention geriet Anfang 2009 in den Fokus, nachdem im März in Winnenden ein Schüler Amok gelaufen war, und auch der Horror von Erfurt noch in aller Gedächtnis war. So rief Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) im Juni 2009 das Krisenteam ins Leben: „Wir wollten nicht erst reagieren, wenn hier etwas passiert.“ Am Dienstag zog das Team erste Bilanz nach zwei Jahren.

In 36 Fällen kam das Krisenteam zum Einsatz. Im Repertoire: Beleidigung, Körperverletzung, Drohung, Mobbing, Suizidankündigung, Waffenbesitz. 18 dieser Fälle führten zu polizeilichen Ermittlungen, in 18 Fällen übernahm die Jugendhilfe die Betreuung der Schüler und zehn Betroffene erhielten im Anschluss an die Tat psychologische Betreuung. Zu den Waffen, die in Schulen gefunden wurden, gehörten Stich- und Schusswaffen.

„Gutes Schulklima ist wichtig“

„Die Krisenfälle“, so betonte gestern Marita Meissner vom städtischen Referat Erziehung und Bildung, „betreffen alle Schulformen.“ Wobei mit acht Fällen die Berufskollegs an der Spitze liegen, gefolgt von den Förderschulen (7 Fälle) und den Hauptschulen (5). Von denjenigen, die die Krisensituationen ausgelöst hatten, waren elf zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sieben waren noch unter 14, sieben bereits über 21 Jahre alt.

Eine großen Teil der Arbeit aber nimmt vor allem die Gefahrenabwehr ein. Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt: „Dazu ist zum Beispiel ein gutes Schulklima wichtig.“ Ein Klima, in dem die Schüler ihren Lehrern vertrauen und früh auf Missstände und Merkwürdigkeiten bei Mitschülern aufmerksam machen. „Meistens bedarf es mehrerer Puzzleteile, um dann eine konkrete Gefahrensituation auszumachen“, so Marita Meissner.

Beratung und Risikoeinschätzung

Dafür müssen alle sensibilisiert sein, Schüler und Lehrer. Das Krisenteam bietet darum regelmäßig Beratung und Unterstützung in den Schulen an, bietet Seminare zu Gewaltprävention und zur Risikoeinschätzung an. Auch Treffen mit Schulleitern finden regelmäßig statt. Wichtige Themen, die es zu klären gilt, sind Stressbewältigung, Deeskalationsstrategien, die Nutzung des Internets.

Die meisten Schulen seien sehr engagiert in der Mitarbeit mit dem Krisenteam. Der 14-Jährige übrigens, der einen Amoklauf im Internet angekündigt hatte, erhielt eine satte Strafanzeige wegen Störung der öffentlichen Sicherheit, und sein Laptop war auch futsch.