Gelsenkirchen. .
Wenn Heinrich Wächter an Dicke Bohnen mit Bauchfleisch denkt, dann glänzen seine Augen. „Mein absolutes Lieblingsrezept! Das musste meine Mutter immer kochen, wenn ich heim kam“, erinnert sich der leidenschaftliche Koch, Autor und Pädagoge, der der deftigen Ruhrgebietsküche herzlich zugetan ist.
Und ihr mit gleich mehreren Büchern ein Denkmal gesetzt hat. Aber wie lecker isst das Ruhrgebiet tatsächlich? Bodenständig, nahrhaft, deftig, ganz sicher, aber: „Eine einheitliche Küche gibt es hier nicht.“ Vielmehr sei die typische Ruhrgebietsküche geprägt von den vielen Zuwanderern. Jeder hat sozusagen seinen Senf dazu getan, bis bestimmte Gerichte endgültig auf der Speisekarte standen.
Panhas zum Beispiel, oder Töttchen, Möpkenbrot, Blindhuhn und Stielmus. Natürlich auch jede Menge Eintöpfe. „Aber selbst zwischen Arbeiterkolonien und Siedlungen der Bessergestellten in einem Ort gab es schon Unterschiede bei den Gerichten“, weiß Wächter. „Die einen servierten die Erbsensuppe mit Sauerkraut, die anderen mit Brathering oder Rollmops.“ Oder wie heute mit Mettwurst.
Currywurst und Dönerbuden
Lange stand die Currywurst für das Ruhrgebiet: „Heute gibt es mindestens ebenso viele Dönerbuden.“
Bei Wächters selbst steht an fast jedem Samstag Eintopf auf dem Herd. Es müssen ja nicht immer Dicke Bohnen sein. Der 61-jährige Koch ist zudem keiner, der das Essen im Gehen auf der Straße liebt: „Es gibt doch nichts Schöneres, als mit der ganzen Familie am Tisch zu sitzen und zu essen. Das fehlt vielen Kindern heute.“ Zum Glück gäbe es aber inzwischen die vielen Kochshows im Fernsehen: „Die tragen dazu bei, dass Kochen und Essen wieder als Genuss empfunden werden.“
Goldener Windbeutel 2011
Zum Genuss gehört nach Meinung Wächters, der 2005 zum Bürger des Ruhrgebiets ernannt wurde, auch das Wissen um die regionalen Produkte. Mit seinen Schülern vom Berufskolleg an der Königstraße unternimmt Wächter gerade eine Projektwoche zum Thema regionale Küche. Zeigt ihnen, wo welche Produkte entstehen. In der Imkerei zum Beispiel, in der Brotfabrik, der Metzgerei oder beim Spargelbauern: „Es gibt eine riesige Vielfalt hier, die so mancher Schüler gar nicht kennt.“
Ist die Ruhrgebietsküche gesund?
Und so mancher verliert auch schon mal die Farbe im Gesicht, wenn er halbe Schweine und Rinder sieht: „Aber so weiß er wenigstens, wo das Schnitzel herkommt, das er sich abends in die Pfanne haut.“ Am Mittwoch probierte der Meister mit seinen Schülern Gerichte wie Wurstebrot, Panhas und Töttchen: „Sieht nicht gut aus, schmeckt aber wunderbar.“
Ist die Ruhrgebietsküche gesund? „Man kann alles essen, man muss nur einen Ausgleich schaffen.“ Durch Bewegung zum Beispiel.
Heinrich Wächter gilt als Hüter der Revierkost: „Ähnlich wie man die Sprache der Region pflegen sollte, sollte man auch die Küche pflegen, damit Traditionen nicht in Vergessenheit geraten.“ Darum wirbt er in vielen Sendungen für die Revierküche, hat ein Buch geschrieben und plant ein Kochbuch für Kinder: „Nicht mit Rezepten wie Pipi-Langstrumpf-Schnitzel, sondern mit klaren, einfachen Gerichten.“
Wer mit Heinrich Wächter über Panhas, Pfefferpotthast und Schlodderkappes philosophiert, dem knurrt am Ende garantiert der Magen. Dem Koch selbst geht’s da übrigens auch nicht anders.