Wattenscheid. Die kulinarische Landkarte des Ruhrgebiets hat wahrlich mehr zu bieten als Pommes-Currywurst. Deftige Bergmannskost mit Zutaten aus dem eigenen Garten oder Stall, Fisch aus heimischen Gewässern, selbstgekochte Steckrüben mit Speck – die Revierküche kennt viele alte Rezepte.

Diese traditionsreiche Revierküche modernisiert und variantenreich auftischen – das will die Aktion „Ruhr-Menü-Karussell 2010: Hier kocht das Herz Europas”.

53 Gastronomen aus dem Ruhrgebiet machen mit. Auch zwei Restaurants aus Wattenscheid haben sich der exotischen Herausforderung gestellt, ein Vier-Gänge-Menü aus 18 für die Region typischen Produkten zu kreieren: von Kaninchen über Bohnen und Kohl bis Blutwurst und Hecht.

Jörg Mucha vom Hotel-Restaurant Beckmannshof war gleich Feuer und Flamme. „Ich bin hier groß geworden, kennen die Revierküche von meiner Familie. Mein Opa hatte noch Tiere gehalten, da wurde auch selbst geschlachtet.”

Sein Vier-Gänge-Menü startet mit „Kaninchenroulade auf Schnibbelbohnensalat in Speckdressing”. Dann folgt „Steckrüben-Apfelsuppe mit Blutwurstflan”. Steckrübensuppe – „die kam in Notzeiten oft auf den Tisch. Heutzutage gibt es viele leckere Zubereitungsarten”, sagt der 43-jährige Koch. Als Zutaten fürs Hauptgericht wählt er Hecht, Aal sowie Schwarzwurzel („Bergmannsspargel”). Alternativ gibt's „Lammrücken im Wirsingmantel, Graupenrisotto, Thymianjus” – jeweils raffiniert verfeinert und serviert. Graupensuppe: Die gab's auf vielen Zechen, wurde im Henkelmann auch zur Arbeit mitgenommen. Als Nachtisch folgt schließlich „Armer Ritter mit Quittenkompott und Backpflaumeneis” – den Klassiker bereitet Jörg Mucha in einer ganz persönlichen Kreation zu: Toastbrot statt trockener Brötchen, mit Marmelade bestrichen, in Milch und Ei eingelegt und in Butter gebraten.

„Die Menschen im Ruhrgebiet haben früher hart gearbeitet – entsprechend deftig war die Kost”, sagt Astrid Mucha. „Heutzutage werden diese Gerichte in leichteren und modernen Varianten zubereitet.”

Selbst internationale Gäste, die im Hotel übernachten, haben das „Ruhr-Menü” schon probiert. „Auch ein Beitrag zum Kulturhauptstadt-Jahr”, sagt Jörg Mucha, seit neun Jahren im Beckmannshof, zuvor stellvertretender Küchenchef im Essener Sheraton-Hotel.

Eine überaus interessante Verbindung von italienischer und Ruhrgebietsküche bietet Luigi Iorio, der seit 35 Jahren das Restaurant Piccolo leitet. Zum Einstieg landen Speck und Ziegenkäse auf den Bruschette. Anschließend gibt es Kaninchen als Ragout zu Bandnudeln (Pappardelle) in Tomatensauce. Als Hauptgericht folgt dann „Lachsforelle an Dillsauce und Pellkartoffeln” oder alternativ „Lammrücken in Senfsauce mit Schnibbelbohnen”. Den Abschluss bildet ein Bratapfel mit Cremefüllung und Mandeln. Begleitend gibt es auch hier rote und weiße „Ruhr.2010-Weine”.

„Die Integration von mediterraner- und Ruhrgebietsküche bieten wir zum ersten Mal an”, sagt der 57-Jährige. „Eine Herausforderung.” Und wer das Vier-Gänge-Menü mit einer „integrativen Italien-Revier-Note” abrunden will, kann den Piccolo-eigenen Grappa wählen. „Die Trauben wachsen hinter unserem Restaurant, Ernte war im Oktober. Das reichte immerhin für fünf Flaschen.”

Noch bis zum 13. Februar

Der Essener Rainer Bierwirth zählt zu den Hauptinitiatoren des „Ruhr-Menü-Karussells”. Dafür wurde ein Warenkorb von 18 Ruhrgebiets-typischen Produkten zusammengestellt, aus denen die teilnehmenden Gastronomen Vier-Gänge-Menüs zubereiten: Aal, Hecht, Lachsforelle, Lamm, Blutwurst und Speck, Taube, Kaninchen, Kohl, Schwarzwurzeln, Schnibbelbohnen, Steckrüben, Suppengemüse, Kartoffeln, Graupen, Buchweizen, Äpfel, Quitten, Ziegenkäse.

Die Vier-Gänge-Menüs, inklusive der begleitenden Weine, werden zwischen 30 und 44 Euro angeboten.

Kennzeichnend für die typische Ruhrgebietsküche sind Grundprodukte, die leicht anzubauen waren, und die man unkompliziert (aber auch verfeinert) zubereiten konnte. Und im kleinen Stall hinterm Haus wurden Tiere gehalten, die besonders in Kriegs- und Krisenzeiten als Braten, Ragout und Sülze das Überleben sicherten und die – mit Kräutern verfeinert – auch heute noch ein Festmahl krönen können. Manche schlichten Zutaten werden mit etwas Kochgeschick kulinarisch wertvoll. Das „Ruhr-Menü-Karussell 2010” dreht sich noch bis zum 13. Februar.