Gelsenkirchen. . Land und Kommunen planen zurzeit die Ausweitung der Umweltzonen. Nichts ist beschlossen, aber erste Pläne sehen vor, dass Autos mit roter Plakette ab 2012 nicht mehr in diesen Bereichen fahren dürfen. Eine Bestandsaufnahme aus Gelsenkirchener Sicht.

Worum geht’s?

Um eine Ausweitung der im Luftreinhalteplan festgeschriebenen Umweltzonen. In Gelsenkirchen sind 2008 als Maßnahme gegen zu hohe Konzentrationen von Feinstaub und Stickstoffdioxid zwei Umweltzonen eingeführt worden: das komplette Gebiet südlich der A 42 und eine kleine Zone in Erle (Cranger Straße). In diese Bereiche dürfen bisher nur Fahrzeuge mit einer grünen, gelben oder roten Plakette fahren. Das Land und die Kommunen streben wegen der nach wie vor hohen Schadstoffbelastungen eine zeitnahe Ausweitung der Umweltzonen an, um den bereits 2008 heftig kritisierten „Flickenteppich“ im Ruhrgebiet zu beseitigen und durch weitergehende Fahrverbote in diesen Zonen Schadstoffwerte zu senken.

Wird es in Gelsenkirchen neue Umweltzonen geben?

Davon ist fest auszugehen. Laut einer Skizze der federführenden Bezirksregierung Münster könnten weite Teile des Stadtgebiets zur Umweltzone erklärt werden.

Worum dreht sich der aktuelle Streit?

In der öffentlich entbrannten Auseinandersetzung zwischen Land und Kommunen geht es um den Zeitplan. OB Frank Baranowski (SPD) hat scharfe Kritik an Landesumweltminister Remmel (Grüne) geübt und dessen Zeitplan als „Zumutung“ bezeichnet. Das Land wollte, dass sich die Stadträte bis Mitte März zu den Luftreinhalteplan erklären. Die Stadt hat nun angekündigt, dass der Gelsenkirchener Rat - nach ausführlicher Beratung in den Fachgremien - erst Mitte Mai zu einem Beschluss kommen wird.

Was „droht“ Autofahrern mit gelber und roter Plakette in Gelsenkirchen künftig im schlimmsten Fall?

Beschlossen ist noch nichts. Erste Pläne des Landes sahen vor, dass ab 1.1. 2012 Fahrzeuge mit roter Plakette sowie ab 1.1.2013 auch Fahrzeuge mit gelber Plakette nicht mehr in die Umweltzonen fahren dürfen. OB Baranowski hat gefordert, diese geplanten härteren Regeln vor allem wegen der (noch) zu hohen Zahl an Fahrzeugen mit gelber Plakette zu verschieben. Das Land hat daraufhin erklärt, dass den Kommunen die Entscheidung über die Fristen obliegt. Auch bei den Sondergenehmigungen für Handwerker will die Stadt keine harte Linie fahren und durch Übergangsfristen und Ausnahmegenehmigungen Rücksicht nehmen auf kleine und mittelständische Betriebe, so ist zu hören.

Wie viele Fahrzeuge mit gelber, roter und grüner Plakette gibt es?

In Gelsenkirchen gab es zum Stand 1.1.2010: 4843 Kfz ohne Plakette, 3264 Kfz mit roter Plakette, 9404 Kfz mit gelber Plakette, 101 058 Kfz mit grüner Plakette und 404 Oldtimer. Tendenz: Die Zahl der Fahrzeuge mit roter und gelber Plakette nimmt stetig ab. Auf gutem Wege sehen sich die Verkehrsunternehmen Bogestra und Vestische. Bis 2013 sollen keine Linienbusse mit roter Plakette mehr fahren, bis ca. 2016 sollen auch Busse mit gelber Plakette aus dem Verkehr gezogen sein.

Ist denn der Handlungsbedarf wirklich so groß?

Die Ergebnisse der kürzlich erneut in Betrieb genommenen Messstelle an der Kurt-Schumacher-Straße in Schalke-Nord sind alarmierend: Vom 10.1. bis 17.2.2011 hat es bereits an elf Tagen Überschreitungen des Feinstaubgrenzwertes gegeben. Damit ist Gelsenkirchen (in negativer Hinsicht) absolute Spitze in NRW. Nach der EU-Richtlinie darf es aber nicht mehr als 35 Überschreitungstage im Jahr geben. Wird die Grenze überschritten, ist die Stadt verpflichtet zu handeln.

Trägt nicht auch die Industrie in erheblichem Maße zu hohen Feinstaub- und Stickstoffdioxidwerten bei?

Nein, sagt die Stadt. Hohe Feinstaubwerte auf den Straßen seien überwiegend, hohe Stickstoffdioxid-Werte sogar fast ausschließlich auf Kfz-Abgase zurückzuführen.

Gibt es spürbare Verbesserungen durch die Einrichtung von Umweltzonen?

„Die Umweltzonen haben Wirkung“, erklärte Thomas Bernhard vom städtischen Umweltreferat im Verkehrsausschuss. Die Feinstaubbelastung in der Umweltzone Cranger Straße sei gesunken. Die Stickstoffdioxid-Werte seien mittlerweile das gravierendere Problem.

Warum sind Feinstaub und Stickstoffdioxid so gefährlich?

Feinstaub und Stickstoffdioxid haben nach Ansicht von Experten kurz- und langfristig erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen (u.a. Atemwegs-, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verkürzte Lebenserwartung).

Wo stehen die Gelsenkirchener Parteien?

Wie gesagt: Erst im Mai wird der Rat Position beziehen. In der letzten Sitzung des Verkehrsausschuss haben sich die Fronten aber bereits verhärtet: Gabriele Hollmann-Bielefeld (CDU) trieb es angesichts der Pläne im Land, die auch Tempo 100 auf den Revier-Autobahnen beinhalten, „die Blässe ins Gesicht“. Dennis Melerski (Grüne) hielt mit einer „gesunden freudigen Röte“ dagegen und lobte die Richtung des Landes. Die Liberalen zogen im Ausschuss überraschend die soziale Karte: Nils-Peder Dobratz (FDP) warnte vor zu drastischen Maßnahmen gegen Kfz-Halter mit roter Plakette, weil diese sich häufig kein neues Auto leisten könnten. SPD und die Linke hielten sich in der kontroversen Debatte im Verkehrsausschuss vornehm zurück.