Düsseldorf. .

Die bisherigen Regelungen zur Luftreinhaltung im Ruhrgebiet reichen nicht. Das geht aus einem Bericht zur Belastung mit Feinstaub und Stickoxiden hervor. NRW-Umweltminister Remmel kündigt einen neuen Luftreinhalteplan an.

Die Antwort aus der Telefonzentrale der Stadt Düsseldorf kommt prompt und wird vom Personal derzeit täglich wiederholt: „Die politischen Gremien sind noch im Gespräch“, erfahren dort derzeit Anrufer, die sich zum Thema Umweltzone erkundigen. „Sollte es eine Verschärfung geben, wird die Bevölkerung mindestens drei Monate vorher informiert.“ Wer ein Fahrzeug mit roter oder gelber Umweltplakette besitzt, sieht sich landesweit zunehmend der Frage ausgesetzt, wie lange man damit noch in die Umweltzonen fahren darf – in ganz NRW. Die Entscheidung rückt nun näher - auch im Ruhrgebiet.

„Weitere Anstrengungen sind nötig“

NRW muss mehr für die bessere Luft in den Innenstädten tun - noch mehr: NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) (Foto: Hanusch / WAZ FotoPool)
NRW muss mehr für die bessere Luft in den Innenstädten tun - noch mehr: NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) (Foto: Hanusch / WAZ FotoPool) © WAZ FotoPool

Die im August 2008 dort eingerichteten Umweltzonen zeigen offenbar Wirkung, erklärte am Dienstag Landes-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) - aber: zu wenig. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Tage, an denen die zulässigen Grenzwerte für Feinstaub überschritten wurden, innerhalb der Umweltzonen im Vergleich zu 2007 um durchschnittlich 19 zurückgegangen. An Mess-Stationen außerhalb dieser Bereiche sei der Effekt mit minus drei Überschreitungstagen deutlich geringer ausgefallen. Landesweit sei die Feinstaubbelastung zwischen 2007 und 2009 um ein bis zwei Mikrogramm pro Kubikmeter Luft auf rund 24 Mikrogramm zurückgegangen.

„Wir sind zwar auf dem richtigen Weg, aber weitere Anstrengungen sind notwendig“, erklärte Remmel. Als „weiterhin großes Problem“ sieht der Umweltminister die Belastung mit Stickstoffdioxid in NRW. Bis 2009 sei diese um zwei Mikrogramm angestiegen, sagte Remmel. An verkehrsreichen und eng bebauten Innenstadtstraßen ließen sich noch immer hohe Werte feststellen. Insgesamt wurde an 76 von 121 Messstellen der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid nicht eingehalten.

Für das kommende Jahr kündigt Remmel die Ausarbeitung eines neuen Luftreinhalteplans für das Ruhrgebiet an. Dabei stünde dann auch die Frage nach einer großen zusammenhängenden Umweltzone auf der Tagesordnung, wie es in den Ruhr-Kommunen gewünscht ist. Bisher gibt es einen Flickenteppich aus neun verschieden großen Umweltzonen zwischen Duisburg und Dortmund.

Viele „Rußschleudern“ sind von den Straßen verschwunden

Für Thomas Dobrick, Experte im Umweltamt der Stadt Essen, würde eine vergrößerte Umweltzone Ruhr allerdings kaum verhindern, dass die Verkehrs-Regelungen in den derzeit bestehenden Zonen noch verschärft werden. Bald also könnten auch Fahrzeuge aus den Innenstädten verbannt werden, die rote oder gelbe Umweltplaketten in den Windschutzscheiben tragen.

Alleine der Zwang zu Feinstaubplaketten bei Fahrzeugen hat dazu geführt, dass heute mehr moderne und saubere Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, als noch vor drei Jahren. Beispiel Stadt Essen: Waren 2007 noch dort knapp 13.000 Autos der Kategorie ‚Rußschleuder’ zugelassen, denen von Amts wegen keinerlei Umweltplakette zugeteilt wird, sind es aktuell noch 4817. Die Zahl der Autos mit roten Plaketten ist um etwa 4200 auf 6132 gesunken; Autos mit gelben Plaketten sind derzeit 21.707 mit Kennzeichen „E“ unterwegs. Vor drei Jahren waren es noch 8100 mehr.

Insgesamt zählt die Stadt Essen derzeit 275.489 zugelassene Fahrzeuge, was auch bedeutet, dass seit dem Jahr 2007 etwa 5000 abgemeldet wurden und von den Straßen verschwunden sind. Die Zahl der Autos, die auch bei schärferen Fahrverboten weiter unbehelligt in der Innenstadt verkehren dürfen, ist unterdessen im gleichen Zeitraum um fast 14.000 gestiegen. Eine grüne Plakette in der Windschutzscheibe haben in Essen mittlerweile 241.304 Autos.

Experten fordern, Euro 6-Norm muss früher in Kraft treten

Nach wie vor ist die Luft im Ruhrgebiet zu dreckig - auch wegen des Autoverkehrs. (Foto: ddp)
Nach wie vor ist die Luft im Ruhrgebiet zu dreckig - auch wegen des Autoverkehrs. (Foto: ddp) © ddp

So würde es in punkto Luftqualität natürlich helfen, Fahrzeuge der Plakettenkategorien rot und gelb aus der Innenstadt auszusperren, meint Thomas Dobrick. Doch das alleine sorgt noch nicht für ein gesunderes Klima in der Stadt, wie sich am Beispiel Berlin zeigt. In der Bundeshauptstadt dürfen seit Januar diesen Jahres nur noch saubere Autos in die Innenstadt, mit grüner Plakette. Ergebnis: Die Luft ist weiterhin zu staubig.

Das mag auch daran liegen, dass Rußpartikelfilter sinnvoll sind, aber die Umwelt-Probleme nicht komplett lösen. Thomas Dobrick: „Meine Sorge gilt den Stickoxiden“ – deren Ausstoß könne man bei Dieselfahrzeugen nur mit Entstickungs-Technik in den Griff bekommen, sagt der Experte. Die nötige Umweltnorm für Fahrzeuge - Euro 6 - ist von der EU auf den Weg gebracht, soll aber erst in ein paar Jahren umgesetzt werden. Umwelt-Experten landauf, landab fordern deshalb: „Euro 6 muss früher kommen“.

Unterdessen kritisiert NRW-Umweltminister Johannes Remmel seinen Kollegen im Bundesumweltministerium, Norbert Röttgen (CDU): „Herr Röttgen lässt NRW beim Kampf gegen Luftschadstoffe allein.“ Wichtige Verkehrsinfrastrukturprojekte, etwa der Rhein-Ruhr-Express (RR
X), liegen brach. Auch dass die staatliche Förderung für die Nachrüstung mit Partikelfilter zum Jahresende ausläuft, „ist für unser Bemühen, eine Verringerung der Luftbelastung im Ruhrgebiet zu erreichen, nicht förderlich“, sagt Remmel.

Zusammenhang zwischen Feinstaub und Sterblichkeitsrate

Das Land sucht jetzt den Dialog mit Kommunen, Wirtschaftsverbänden, Handwerkskammern und Umweltorganisationen. Dabei will man „Wünsche und Anregungen aufgreifen und in den Luftreinhalteplan Ruhrgebiet aufnehmen“, kündigt Remmel an.

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Einfluss haben soll zudem das Ergebnis einer neuen Studie, wonach es einen deutlichen Zusammenhang gibt zwischen der Belastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid, der Wohnortnähe zu einer viel befahrenen Straße und der Todesursache durch Herz-Kreislauferkrankungen. Dabei wurden die Daten von fast 5000 verstorbenen Frauen aus dem Ruhrgebiet und dem Münsterland ermittelt. Für Sterblichkeit an Lungenkrebs konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang in Verbindung mit Feinstaub beobachtet werden, bei Stickoxiden ergab sich ein Zusammenhang mit der Todesursache „Atemwegserkrankungen“, erklärte Remmel. Zudem gebe es Hinweise auf mögliche Verbindungen zwischen Feinstaub und Diabetes-Erkrankungen.

Vieles zum Thema Luftqualität ist noch unerforscht: „Wir müssen noch mehr Wissen gewinnen“, sagt auch Thomas Dobrick vom Essener Umweltamt. So werde in Essen derzeit etwa analysiert, wie viel Dreck die Heizungen der Haushalte in der Stadt in die Luft pusten – vor allem Ölheizungen; schärfere Richtlinien sind vom Bund bereits verfügt und werden in den nächsten Jahren in Kraft treten. Zudem gibt es Überlegungen, inwieweit der Lastwagen-Durchgangsverkehr im Ruhrgebiet weiträumig um die Innenstädte herumgeleitet werden kann. Denn bisher gelten die Umweltzonen nicht für die Autobahnen.

Gleichzeitig steigt der Druck aus Brüssel. Deutschland drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe, wenn die Vorgaben, die ja letztlich dem Gesundheitsschutz der Bürger dienen, nicht bald erfüllt werden. Bis Juni 2011 hat man dort den betroffenen Kommunen in NRW unlängst Fristaufschub gewährt. Umweltminister Johannes Remmel kündigte am Dienstag an, die aktualisierten Luftreinhaltepläne sollen Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. (mit dapd)