Gelsenkirchen. CDU und AfD haben in Gelsenkirchen Stimmen dazugewonnen, SPD und Grüne haben Vertrauen verloren. So wurde in Gelsenkirchens Bezirken gewählt.

Das oft bemühte Bild der sozialdemokratischen Herzkammer verblasst zunehmend. Die nordrhein-westfälische SPD muss nach der Europawahl vor allem im Ruhrgebiet weitere herbe Verluste hinnehmen. Die Sozialdemokraten kamen nur noch in Herne auf Platz eins. Dort lagen sie mit 23,9 Prozent knapp vor der CDU (23,7 Prozent). In Duisburg, Bottrop und Oberhausen löste die CDU die SPD auf dem Spitzenplatz ab. Und in Gelsenkirchen ging die SPD nach der AfD sogar nur noch als Dritte ins Ziel - eine Zäsur.

Obgleich es keine Studien und Umfragen auf lokaler Ebene gibt, die wissenschaftlich fundierte Antworten darauf geben könnten, warum die AfD in Gelsenkirchen vergleichsweise so stark ist, scheinen einige Erklärungen offenkundig. Insbesondere die große Armutszuwanderung aus den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien in die Emscherstadt führt seit Jahren zu großen Integrationsherausforderungen auf allen Ebenen und zu großer Unzufriedenheit in den Stadtvierteln, wo viele Alteingesessene einen Verfall ihres Kiezes beklagen.

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Ein beträchtlicher Teil der Stadtgesellschaft macht offensichtlich die etablierten Parteien dafür verantwortlich. Gewiss dürfte das schlechte Abschneiden von SPD, Grünen und FDP in Gelsenkirchen auch ein Protest gegen die Ampel-Regierung in Berlin sein, doch das allein erklärt nicht, warum die Rechtsaußenpartei eine ihrer westdeutschen Hochburgen in Gelsenkirchen hat. Vielmehr dürfte es daran liegen, dass hier so viele Probleme, die mit Migration zusammenhängen, zusammenkommen, sodass die AfD für rund 22 Prozent der Wählerinnen und Wähler die richtige Partei zu sein scheint.

Denn der Kurs der AfD bei diesen Themenfeldern kommt laut Studien bei einer wachsenden Zahl von Wählern an. Daran haben weder das Bekanntwerden des Potsdamer „Remigrations“-Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremen etwas geändert, noch die Skandale um die beiden AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron (bei denen sich schließlich sogar die AfD selbst gezwungen sah, auf Distanz zu gehen), noch die deutlichen Warnungen aus der Wirtschaft oder der Ausschluss der AfD aus der rechtsnationalen Fraktion im EU-Paralment.

Laut infratest dimap finden 46 Prozent der Deutschen es gut, dass die AfD den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen begrenzen möchte - deutlich mehr als 2019. Ähnlich viele begrüßen es, dass sie sagt, sie wolle den Einfluss des Islam verringern. Dass das in Gelsenkirchen, einer Stadt, die besonders von der Armutsmigration aus Südosteuropa und dem Zuzug aus muslimischen Ländern geprägt ist, ein Grund für das hohe Wahlergebnis der AfD sein dürfte, liegt nahe.

Wo die Parteien in Gelsenkirchen die meisten und die wenigsten Stimmen bekommen haben

Doch wie sieht es in den einzelnen Kommunalwahlbezirken aus? Wo hat welche Partei besonders viele Stimmen bekommen? Das fällt beim Blick in die Statistik auf:

Ihr stärkstes Ergebnis in Gelsenkirchen hat die AfD in Scholven eingefahren. 29,74 % der 2.734 Wählerinnen und Wähler votierten für die Rechtsaußenpartei. Die CDU kommt auf 23,11 %, die SPD auf 19,18 % und Grüne und FDP liegen beide noch hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

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Auch in Erle-Süd, Beckhausen-Ost, Hassel-Nord, Ückendorf-Nord, Resser Mark, Bismarck-West, Horst-Süd, Heßler und Schalke-Ost bekam die AfD mit 29,60 % bis 24,78 % deutlich mehr Stimmenanteile als im Gesamtstadtergebnis. In elf von 34 Kommunalwahlbezirken ist die AfD stärkste Kraft geworden. Ihr schwächstes Ergebnis verzeichnet die Partei hingegen in Buer-Ost, wo nur 11,12 % der Wähler ihr Kreuz bei der AfD machten, und in der Altstadt, wo es 14,72 % waren.

Buer-Ost ist auch der Kommunalwahlbezirk, in dem die CDU ihr stärkstes Ergebnis eingefahren hat (32,43 %). In Schalke-Ost hingegen kamen die Christdemokraten nur auf 15,23 %. Nirgendwo in der Stadt haben weniger Wählerinnen und Wähler für die CDU gestimmt.

Wo die SPD in Gelsenkirchen stark und wo sie schwach war

Deutlich besser als das Stadtergebnis (21,5 %) ist das Votum für die SPD in Horst-Nord und Hassel-Nord ausgefallen, wo 25,19 % bzw. 24,59 % der Stimmen auf die Sozialdemokraten fielen. Auf knapp unter 20 Prozent fiel die SPD hingegen in sieben von 34 Kommunalwahlbezirken. Das schlechteste Ergebnis gab es dabei für die Partei in Scholven.

Satte 13,87 % gab es für die Grünen in Buer-Ost und immer noch beachtliche 12,34 % in der Altstadt, während in Hassel-Nord und in Scholven nur 4,69 % bzw. 4,75 % der Wählerinnen und Wähler für die Ökopartei stimmten.

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Die FDP war auch bei dieser Wahl in den vergleichsweise wohlhabenderen Bezirken Gelsenkirchens (Buer-Ost und -Nord) mit rund 6,5 % am erfolgreichsten, während in Schalke-Ost beispielsweise weniger als zwei Prozent ihr Kreuz bei den Liberalen machten. Dort holte hingegen das BSW ihr stärkstes Gelsenkirchener Ergebnis (8,03 %), während für die neue Partei in Buer-Ost nur 3,33 % der Wähler stimmten.

Die Wahlbeteiligung verbesserte sich in NRW laut Landeswahlleiterin leicht um zwei Punkte auf 63,4 Prozent. Die höchste Beteiligung erreichte demnach Münster mit 74,3 Prozent, die niedrigste Gelsenkirchen mit 52,3 Prozent.