Gelsenkirchen. Ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Gelsenkirchen, Trägern ambulanter und stationärer Pflege und Berufsberatern wirbt in Schulen um Nachwuchs.
Wer den knappen Nachwuchs für seinen Bereich gewinnen möchte, muss um die jungen Menschen werben. Für den wohl extremsten Mangelberuf „Pflegefachkraft“ wirbt das Gesundheitsreferat der Stadt Gelsenkirchen nun gemeinsam mit städtischen und anderen Trägern aus dem ambulanten und stationären (Alten-)Pflegebereich sowie Arbeitsmarktexperten von Bund und Kommune in einem großangelegten Gemeinschaftsprojekt da, wo die meisten Heranwachsenden abzuholen sind: in Schulen.
Handfeste Informationen aus erster Hand von Praktikern
Den Auftakt machte am Dienstag das Max-Planck-Gymnasium. Die Schulform zählt zu den im Bereich aktive Berufsberatung eher zurückhaltenderen Einrichtungen im System, wie aus der Berufsberatung zu hören ist. Doch längst wechseln Absolventen nicht mehr grundsätzlich nach dem Abitur ins Studium und viele Jugendliche wissen in der Oberstufe noch nicht, wo die berufliche Reise hingehen soll. Handfeste Informationen aus erster Hand sollen hier Abhilfe für den Bereich Pflege leisten.
Im Vorfeld hat die Schule abgefragt, wer aus den Jahrgängen neun bis zwölf grundsätzlich Interesse an Informationen an einer Ausbildung in einem Pflegeberuf hat. Rund 30 Mädchen und (erstaunlich viele) Jungen haben sich gemeldet, um in einer Extra-Schulstunde alles über die Voraussetzungen, die Ausbildung, die Bezahlung, die Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierechancen zu erfahren.
Das Motto lautet: „Mach Karriere als Mensch“
Annika, Auszubildende der Awo-Pflegeschule Lucy Romberg, erklärt zum Einstieg erstmal, warum der Beruf Pflegefachkraft so cool sei. Die dazugehörige Powerpoint-Präsentation nennt gleich 15 gute Gründe für diese Ausbildung. Der Leitgedanke: „Mach Karriere als Mensch“. Was Annika vor den Interessenten auch immer wieder betont: Dieser Beruf hat Zukunft. Wir werden gebraucht. Und wir sagen, wo, was und wann wir arbeiten. Die Wahl zwischen ambulanter oder stationärer Pflege, ob von Senioren im Heim oder im eigenen Daheim oder Akutpflege im Krankenhaus, Kinderkrankenpflege oder Psychiatrie: Ausgebildet wird für alle Bereiche, ein Wechsel zu einem anderen Schwerpunkt – der nach dem zweiten Ausbildungsjahr ansteht – ist schon in der Ausbildung möglich.
Erstaunlich viele männliche Interessenten
Auch Ängste, die die 15-Jährigen vermutlich noch eher wenig quälen, etwa dass der Rücken schon vor der Rente keine Pflegebedürftigen mehr anheben mag, kann die 22-Jährige nehmen. „Wenn man sich körperlich nicht mehr fit genug fühlt, kann man Auszubildende unterrichten oder an einer Förderschule arbeiten, wo es auch keine Wochenend- und Schichtdienste gibt.“
Azubi-Kollege Mecit ergänzt: „Oder im Gesundheitskiosk arbeiten, Menschen rund um Pflege beraten.“ Annika kommt nochmal auf die privilegierte Situation zurück, in der Pflegekräfte dank Personalmangel sich befinden: „Es gibt auch sehr flexible Arbeitszeitmodelle, die Familie und Beruf sehr gut vereinbaren lassen. Auch Teilzeitausbildung ist möglich und selbst das Pflegestudium wird vergütet.“
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Und was sagen die Schülerinnen und Schüler zur neuen Allround-Ausbildung? „Ich finde das gut, da kann man genau sehen, was man lieber machen möchte. Und sich erst entscheiden, wenn man weiß, was man will“, meint Eymen. Auch Maksim sieht in der sogenannten generalistischen Ausbildung Vorteile. Mia (15) fürchtet allerdings, und das wohl durchaus berechtigt: „Da ist jetzt sehr viel zu lernen.“ Tatsächlich gibt es von Pflegeschulen ein geteiltes Echo zum neuen Modell. Generell aber finden die Max-Planck-Schülerinnen und Schüler den Pflegeberuf tatsächlich sehr attraktiv.
Auch das anschließende Pflegestudium wird nun bezahlt
Theoretisch genügt ein Hauptschulabschluss mit Qualifikation als Ausbildungsvoraussetzung. Allerdings müsste in dem Fall eine Ausbildung zur Pflegeassistenz vorgeschaltet werden, bevor die eigentliche Fachkraftausbildung beginnt. Am Gymnasium ist die Besonderheit, dass mit Fachhochschulreife oder allgemeiner Hochschulreife auch die Voraussetzungen für ein anschließendes Pflegestudium mit diversen Karrieremöglichkeiten gegeben wären.
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Pieter Gelsdorf, Pflegekoordinator der Stadt Gelsenkirchen, ist Leiter des Projekts „Zukunft der Pflege“. In diesem Jahr wollen die Projektteilnehmer noch vier weitere Schulen anlaufen, darunter Berufskollegs und eine Gesamtschule, im nächsten Jahr sollen weitere folgen. Zum Projekt gehört jedoch auch eine weitere Säule, die im nächsten Jahr angegangen werden soll. Dann wird das Unterstützungspotenzial für pflegende Angehörige in den Fokus genommen.