Gelsenkirchen. Einmalig in Deutschland ist das E-Scooter-Verbot in Gelsenkirchen. Vorbei ist der Streit darüber aber wohl noch lange nicht. Darum geht’s.
Bis Freitag, 19. April, 23.59 Uhr, hatten die beiden E-Scooter-Anbieter Bolt und Tier noch Zeit: Seither ist offiziell Schluss mit dem Verleih ihrer Geräte in Gelsenkirchen, jetzt müssen sie wirklich alle Fahrzeuge aus dem Stadtgebiet entfernt haben. Eine Kommune verbietet E-Scooter, weil die Anbieter neue Vorgaben nicht erfüllen wollen – das ist ein bislang einmaliger Vorgang in Deutschland, für den die Stadt Gelsenkirchen aktuell bundesweit in die Schlagzeilen gerät. Auch mehrere TV-Teams waren diese Woche in der Altstadt zu sehen, um über das Thema zu berichten.
Firmen haben bereits viele E-Scooter aus Gelsenkirchen entfernt
Gerade eben leisteten sich Stadt und Verleiher noch einen Streit vor dem Verwaltungsgericht. Die Anbieter hatten gegen die Auflagen der Stadt geklagt und wollten eine Sondernutzungserlaubnis erstreiten. Das Verwaltungsgericht argumentierte im Eilverfahren allerdings zugunsten der Stadt. Seitdem ist klar, dass die Geräte in der Tat erst einmal verschwinden müssen. „Bolt ist in dieser Region nicht verfügbar“, heißt es in der Bolt-App tatsächlich schon, als wir am Donnerstagnachmittag (18. April) die Ahstraße in Gelsenkirchen-Altstadt als Adresse auswählen. Kein Gerät wird hier mehr angezeigt.
Bei Tier dagegen werden am Donnerstag noch fünf Geräte im Stadtgebiet angezeigt. Am Samstagmorgen ist dann allerdings auch in der Tier-App jeder Roller auf Gelsenkirchener Gebiet (zumindest digital) verschwunden. „Damit die E-Scooter nicht ungenutzt herumstehen, werden sie anschließend auf andere Geschäftsgebiete verteilt“, erklärte Tier-Sprecherin Luisa Lindenthal auf Nachfrage.
E-Scooter-Anbieter Bolt nennt Vorgehen der Stadt Gelsenkirchen „ungerechtfertigt“
Hintergrund für den ganzen Vorgang ist die neue Kooperationsvereinbarung, die die Stadt Gelsenkirchen den beiden Verleihern vorgelegt hat. Sie sollten sich damit verpflichten, künftig eine sichere Identitätsfeststellung (beispielsweise über den Personalausweis oder Führerschein) für die Nutzer einzurichten. Die Stadt wollte mit dieser Vorgabe den Missbrauch der Geräte reduzieren, etwa um Nutzer, die verbotenerweise eine weitere Person auf dem Leihgerät mitfahren lassen, zügig identifizieren zu können. „Sicherheit geht vor“, bekräftigte Hans-Joachim Olbering, Chef des Gelsenkirchener Ordnungsreferats, im Zuge des Verfahrens gegenüber der WAZ. „Ist doch gut, wenn Gelsenkirchen hier auch mal Vorreiter in Deutschland ist.“
Der Pressestelle von Bolt hingegen ist es wichtig zu betonen, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bislang lediglich die Eilanträge der beiden Anbieter abgelehnt habe. „Es wurde noch keine endgültige Entscheidung darüber getroffen, ob eine Identifikationsprüfung als Teil der Nutzungserlaubnis erlaubt ist.“ Eine eindeutige Rechtsprechung dazu als mögliche Vorgabe für E-Scooter-Anbieter stehe noch aus, sagte ein Sprecher gegenüber der WAZ. Was die Stadt Gelsenkirchen verlangt, sei „ungerechtfertigt“ und habe „keine Relevanz für den Straßenverkehr oder die Sondernutzungsrechte der Anbieter“. Die Leidtragenden der Maßnahme seien am Ende die nach Bolt-Angaben 40.000 Nutzer in Gelsenkirchen, die 2023 noch 400.000 Kilometer im Stadtgebiet zurückgelegt hätten.
Breite Unterstützung in der Politik für Gelsenkirchener Sonderweg
Klar also ist: Juristisch vom Tisch ist das Thema noch nicht. Erst einmal gilt trotzdem, dass die E-Roller aus der Emscherstadt verschwinden müssen. Und falls die Stadt ab Samstag, 20. April, doch noch E-Roller in der Stadt findet, „dann werden wir abgestuft reagieren“, sagte Stadtsprecher Martin Schulmann. „Wir werden dann bitten, die Geräte abzuräumen. Falls das nicht erfolgt, wird sie der Kommunale Ordnungsdienst einsammeln.“ Sicher werde man am Samstag keine Sondereinheit losschicken, um zu überprüfen, ob die Verleiher ihren Pflichten nachgekommen sind. „Wir sehen ja, dass die Anbieter willens sind, ihre Fahrzeuge zu entfernen.“
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Aus der Lokalpolitik, wo spätestens seit einem tödlichen Sturz eines E-Bike-Fahrers über einen E-Scooter viel über einschränkende Maßnahmen diskutiert wurde, bekommt die Stadt viel Unterstützung für ihr Vorgehen. Es habe sich nun einmal um einen „Abwägungsprozess zwischen den gefährlichen Situationen in Gelsenkirchen und dem E-Scooter als Beitrag zur Verkehrswende“ gehandelt, bei dem die Verwaltung einen unterstützenswerten Weg gegangen sei, sagte der Grüne Mirco Kranefeld, Vorsitzender des Verkehrsausschusses. „Den Anbietern stand es ja offen, die Auflagen zu erfüllen.“ Auch Mathias Pasdziorek, verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, begrüßt das Handeln der Stadt. „Das E-Scooter-Verbot führt zu einer verbesserten Sicherheit in Fußgängerzonen, auf Straßen und Radwegen“, ist er überzeugt.
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Mit einem leicht weinenden Auge, aber auch mit einem gehobenen Daumen Richtung Stadtverwaltung kommentierte Laura Rosen von der CDU den E-Scooter-Abschied: „Es ist schade, wenn eine neue Mobilitätsform nicht mehr angeboten werden kann, aber die E-Scooter haben eben viele Probleme verursacht. Im Großen und Ganzen fahren wir ohne sie erst einmal besser“, so die verkehrspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. Das sieht Axel Barton von der SPD ähnlich: „Wenn die Anbieter bereit wären, den Identitätsnachweis umzusetzen, wären E-Scooter wieder herzlich willkommen in Gelsenkirchen; unter den aktuellen Bedingungen sind sie es nicht“, sagt der Fraktionschef, der nach eigener Aussage fast täglich beobachtet hat, wie missbräuchlich mit den Geräten in der Stadt umgegangen worden ist.