Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen setzt den E-Roller-Betreibern die Pistole auf die Brust: Diese deutschlandweit einmalige Regelung müssen sie umsetzen.
Die Stadtverwaltung Gelsenkirchen setzt den beiden E-Scooter-Verleihern Tier und Bolt die Pistole auf die Brust: Sie macht Ernst bei der Ansage, die beiden auf dem Gelsenkirchener E-Roller-Markt aktiven Firmen zu verpflichten, einen Identitätsnachweis bei der Ausleihe ihrer Geräte einzuführen. Gelsenkirchen wäre damit die erste Stadt in Deutschland, die eine solche Regelung trifft.
Wie Hans-Joachim Olbering, Leiter des städtischen Ordnungsreferats, im vergangenen Fachausschuss für Ordnung mitteilte, hat die Verwaltung die bisherige Kooperationsvereinbarung mit den beiden Anbietern zum 31. März 2024 aufgekündigt. Gleichzeitig sei den Firmen ein neuer Vertrag zugesandt worden, in dem nun vorgeschrieben ist, dass die Identität des Ausleiher „zu Beginn des Nutzungsvorgangs feststellbar sein muss.“
Funktionieren soll das etwa, indem über die App der Personalausweis oder Führerschein des Kunden eingescannt wird. Bislang ist die Nutzung über das Bezahlsystem möglich (Paypal, Kreditkarte, Klarna, Apple oder Google Pay). Das bedeutet, dass sich derzeit auch Minderjährige über den Account ihrer Eltern Zugriff verschaffen können – unerlaubterweise natürlich.
Stadt Gelsenkirchen will notfalls auf andere Anbieter setzen
Wenn Bolt und Tier nicht bis zum 1. April einen Weg gefunden haben, die sichere Identitätsfeststellung zu integrieren, dann müssen sie sich – zumindest nach Vorstellung der Stadt – aus dem Markt in Gelsenkirchen zurückziehen. Es könnte also tatsächlich passieren, dass in Gelsenkirchen ab dann, zumindest zeitweise, keine E-Roller mehr ausleihbar wären.
Was Gelsenkirchen vorhat, ist seit mehreren Monaten bekannt. Die Betreiber seien nach Bekanntwerden der Pläne jedoch nicht von alleine darauf gekommen, die neue Funktion umzusetzen, so Olbering. Deswegen habe man nun Fakten geschaffen. Da die Stadt jedoch insbesondere zur EM 2024 weiter ein E-Roller-Angebot in Gelsenkirchen vorhalten will, sei man auch im Gespräch mit anderen Firmen, welche die neuen Vorgaben umsetzen könnten. Zunächst stellt sich aber natürlich die Frage: Was werden die beiden derzeit in Gelsenkirchen aktiven Betreiber tun – sich aus der Stadt zurückziehen oder die neuen Vorgaben erfüllen?
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Klar ist: Bei beiden Betreibern herrscht Skepsis darüber, ob die neue Regelung der Stadt überhaupt rechtssicher wäre. In der Bundesgesetzgebung heißt es, vereinfacht gesagt, dass man E-Roller-Fahrern nicht zu viel Steine in den Weg legen dürfe.
Zu den rechtlichen Fragen wie auch zu den Umsetzungsmöglichkeiten der neuen Vorgaben an sich sei man noch in der „internen Prüfung“, heißt es bei Tier. Man wolle Gelsenkirchen nicht den Rücken kehren, sagt Sprecher Patrick Grundmann auf Nachfrage. „Aber wir sind sicher kein Fan davon, wenn jede Stadt andere Regelung trifft.“ Der Zeitplan der Stadt, den Identitätsnachweis zum 1. April verpflichtend zu machen, sei „ziemlich ambitioniert“, ergänzt Tier-Kollege Friedrich Brors. Schließlich müsse das Feature auch einwandfrei funktionieren. Wenn zu wenig Licht im Hintergrund ist, könne es sein, dass der Ausweis nicht erkannt werde. Die Folge: Frust bei den Kunden.
Seit tödlichem Unfall in Gelsenkirchen wird mehr Einschränkung von E-Scootern gefordert
Bei Bolt hat man im November 2023 noch deutlich gesagt, dass man sich erst dann im Detail äußern werde, wenn die neue Kooperationsvereinbarung auf dem Tisch liege. Der Austausch mit der Stadt Gelsenkirchen sei „offen und konstruktiv“. Eine einzige Sicherheitsmaßnahme reiche jedoch nicht aus, um eine nachhaltige Lösung für weniger Missbrauch zu schaffen.
Mit der Pflicht zur Identitätsfeststellung will die Stadt Gelsenkirchen sichergehen, dass nur Volljährige den E-Scooter nutzen. Außerdem soll es über den Identitätsnachweis einfacher werden, eine missbräuchliche Nutzung der Geräte aufzuklären. An Härte zugenommen hat die Debatte über die Einschränkung beim E-Scooter-Verleih, seitdem es zu einigen schweren Unfällen in Gelsenkirchen im Zusammenhang mit den Geräten gekommen war, unter anderem verletzte sich ein E-Bike-Fahrer tödlich, als er im Mai 2022 über einen herumliegenden E-Roller stürzte. Neben der Identitätspflicht sind immer wieder auch andere Maßnahmen in der Diskussion, etwa eine Ausweitung von Verbot- und Parkzonen. Derzeit gibt es in Gelsenkirchen noch knapp 700 ausleihbare Geräte, die Obergrenze pro Verleiher liegt bei 350 Fahrzeugen.