Gelsenkirchen. Im April wird es vermutlich keine E-Roller mehr in Gelsenkirchen geben. Das Vorgehen der Stadt ist einerseits verständlich, aber übertrieben.

Die Idee ist doch eigentlich eine gute. Für die Strecken, die ein bisschen zu lang für den Fußmarsch und ein bisschen zu kurz fürs Auto sind, schnappt man sich einen Leih-E-Scooter. Wenn die entsprechende App einmal auf dem Handy ist, ist das eine Sache von Sekunden: Den QR-Code am Lenker eingescannt, und schon kann die Fahrt losgehen. Wo ein freier Roller steht: Auch das verrät die App.

In der Theorie hört sich das gut an, und auch in der Praxis funktioniert das, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann. Schon einige Male habe ich E-Roller in Anspruch genommen, sei es auf dem Rückweg von der Autowerkstatt nach Hause oder auf dem Heimweg vom Schalke-Spiel, wenn die Bahn mal wieder zu voll war.

Was wird, wenn viele Menschen zur EM nach Gelsenkirchen kommen?

„Gleich die ganz große Keule zu schwingen und die beiden verbliebenen Rollerverleiher quasi aus der Stadt zu werfen, halte ich für übertrieben“, meint Matthias Heselmann von der WAZ Gelsenkirchen.
„Gleich die ganz große Keule zu schwingen und die beiden verbliebenen Rollerverleiher quasi aus der Stadt zu werfen, halte ich für übertrieben“, meint Matthias Heselmann von der WAZ Gelsenkirchen. © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Hier muss ein Aber kommen, und das kommt natürlich. Wenn alle Menschen vernünftig mit den Dingern umgehen würden, wären sie eine perfekte Ergänzung zu Auto, Fahrrad, Bus und Bahn. Weil aber leider nicht alle Menschen vernünftig sind und es zu viele Idioten gibt, machen diese Probleme – sie stellen die Scooter nicht vernünftig wieder ab, schmeißen sie in Büsche oder Gewässer, rasen durch die Fußgängerzone und verursachen schlimmstenfalls Unfälle. Das kann weder Stadt noch Polizei egal sein, und insofern kann man das Ansinnen verstehen, zumindest die Identität der Rollerfahrer zweifelsfrei ermitteln zu können – bislang reicht es, eine E-Mail-Adresse und eine Kreditkartennummer zu hinterlegen, beides lässt sich ohne großen Aufwand fälschen.

Nur: Alle Probleme löst man auch nicht, wenn man die Rollerfahrer aus der Anonymität holt. Denn auch, wenn ich meinen geliehenen Roller ordnungsgemäß an den Straßenrand stelle – wer will verhindern, dass jemand ihn umtritt und so ein Verkehrshindernis schafft? Gleich die ganz große Keule zu schwingen und die beiden verbliebenen Rollerverleiher quasi aus der Stadt zu werfen, wie es ab April wohl passieren wird, halte ich für übertrieben. Unglücklich ist auch der Zeitpunkt, wenige Wochen vor der EM: Wenn dann viele Menschen aus ganz Europa nach Gelsenkirchen kommen und, wie es ja auch gewollt ist, die Stadt erkunden wollen, nimmt man ihnen ein Verkehrsmittel weg, das sie aus anderen Städten gewohnt sind. Ja, es mag sein, dass Städte wie London und Amsterdam von den Verleihern den Identitätscheck einfordern – aber welcher Verleiher würde sich freiwillig aus London oder Amsterdam zurückziehen wollen? Gelsenkirchen dagegen....

Wie bei vielen Entscheidungen geht es auch hier darum, Vorteile gegen Nachteile abzuwägen. Gelsenkirchen entscheidet sich für die (vermeintliche) Sicherheit – aber damit auch für ein bisschen mehr Provinzialität.