Gelsenkirchen. Anstieg der Straftaten: Die Gelsenkirchener Polizei meldet besorgniserregende Zahlen. Das fällt dabei besonders auf.

Der Pendeleffekt nach dem historisch niedrigen Straftatenaufkommen in 2021 hält weiter an. Hatten die Pandemiejahre mit ihren Lockdowns die Verbrechensrate massiv absinken lassen, so geht die Kurve nach 2022 auch in diesem Jahr erneut klar nach oben. Die größten Zunahmen gab es in den Bereichen Einbruch/Diebstahl und Gewaltkriminalität. Besonders auffällig: Die Zahl minderjähriger Tatverdächtiger ist gestiegen – ebenso die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass. Das geht aus der neuen Kriminalstatistik für das Jahr 2023 hervor, die der Gelsenkirchener Polizeipräsident Tim Frommeyer zusammen mit Kriminalrat Gerrit Böckmann jetzt vorstellte.

67 Kriminalfälle pro Tag in Gelsenkirchen

Während NRW-weit die Fallzahlen um 3,4 Prozent gestiegen sind, waren es in Gelsenkirchen 7,3 Prozent. Dieses Ergebnis stellt den Höchststand der Gesamtkriminalität seit dem Jahr 2016 dar. Insgesamt 24.513 Kriminalfälle und damit 1660 mehr als im vergangenen Jahr dokumentierte die Gelsenkirchener Polizei 2023. Das sind statistisch gesehen 67 Straftaten pro Tag, bei der letzten Erhebung waren es 62.

Kriminalitätsstatistik Gelsenkirchen – Interview mit Polizeipräsident Tim Frommeyer

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    Deutlich zugenommen haben hier demnach vor allem Gewaltdelikte (+ 11,6 Prozent), Diebstahlfälle (+ 23,9 Prozent), und die Straßenkriminalität (+ 9,4 Prozent), also Delikte, bei denen der Tatort im öffentlichen Raum liegt. Besonders beunruhigend dabei ist, dass auch die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger rapide gestiegen ist (1073 jugendliche Tatverdächtige, +15,9 Prozent). Der Anteil, der von Jugendlichen ausgeübten Straftaten betrug in Gelsenkirchen im vergangenen Jahr 23 Prozent (+ 1,7 Prozent). Das ist nach Angaben von Gerrit Böckmann „der höchste Stand seit 2019“.

    „Wir werden angesichts dieser Entwicklungen in unserer Behörde einen Schwerpunkt auf den Bereich Kinder- und Jugendkriminalität legen und dabei eng mit der Stadt zusammenarbeiten“, kündigte Tim Frommeyer an. Ihm ist es wichtig, gemeinsam an vielen Stellschrauben zu drehen - von der Kriminalpolizei über das Schulamt bis hin zum Jugend- und Sozialamt.

    Insgesamt hat die hiesige Polizei 10.538 Tatverdächtige (+14,8 Prozent) ermittelt und konnte ihre Aufklärungsquote ganz leicht auf 54,5 Prozent erhöhen. Wichtig dabei:

    Zahl ausländischer Tatverdächtiger in Gelsenkirchen steigt

    Auffällig ist auch, dass der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen von 38,3 auf 41,6 Prozent gestiegen ist. 4367 der 10.538 Tatverdächtigen in Gelsenkirchen hatten demnach keine deutsche Staatsangehörigkeit. 71,4 Prozent der Opfer hatten hingegen eine deutsche Staatsangehörigkeit.

    Böckmann verortete die Ursachen für diesen Trend zum einen in dem großen Zuzug von Menschen aus dem Ausland, zum anderen spielt für die Polizei die hohe Zahl geflüchteter junger Männer eine Rolle, weil diese Altersgruppe „erfahrungsgemäß stärker zur Delinquenz“ neige. Eine weitere Erkenntnis der Behörde: Bei den Tatverdächtigen ohne deutschen Passe handelt es „weniger um Menschen, die in Gelsenkirchen oder in Deutschland leben“, sondern vielmehr „um mobile Täter-Banden.“ Und zwar vornehmlich aus Rumänen.

    In der Statistik bilden Tatverdächtige aus Rumänien (780) die größte Gruppe, gefolgt von Tatverdächtigen aus der Türkei (671), Syrien (530), Bulgarien (311) und aus Polen (266). In der aktuellen Bevölkerungsstatistik für Gelsenkirchen rangieren Menschen aus Bulgarien nur an vierter Stelle.

    Ähnlich ist auch der landesweite Trend. Bei den Gewaltdelikten registrierte die Polizei in NRW 2023 mit 55.855 Fällen sieben Prozent mehr Fälle als im Vorjahr. Im Zehnjahres-Vergleich belief sich die Zunahme damit auf 21 Prozent. Von den ermittelten Tatverdächtigen hatten 40,7 Prozent keinen deutschen Pass.

    In Gelsenkirchen begingen Ausländer nach Angaben der Polizei 86,7 Prozent Taschendiebstähle, 51 Prozent aller aktenkundig gewordenen Raubdelikte und 58,9 Prozent aller Ladendiebstähle. Der Anteil der nicht-deutschen Bevölkerung in der Stadt liegt derweil bei etwa 25 Prozent.

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    Bereits vor zwei Wochen hatte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf einen gestiegenen Anteil ausländischer Tatverdächtiger hingewiesen. Am Mittwoch sagte er, viele von Ausländern begangene Taten seien auf reisende Banden zurückzuführen, die systematisch Diebstähle begingen oder in Wohnungen einbrechen würden. Das Ende der coronabedingten Reisebeschränkungen führe zu einer Rückkehr solcher Banden.

    Zurück nach Gelsenkirchen: Fast drei Viertel aller Tatverdächtigen waren männlich, Opfer waren sie in 53,3 Prozent der Fälle. Ebenfalls rund drei Viertel aller Taten wurden von Erwachsenen begangen. Demgegenüber stehen 602 Kinder (bis unter 14 Jahre), 1073 Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) und 710 Heranwachsende (18 bis 21 Jahre), die verdächtig sind, im vergangenen Jahr mindestens eine Straftat begangen zu haben. Vor allem bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist der Anteil der jugendlichen Kriminellen mit 43,6 Prozent besonders hoch. Außerdem geht nahezu jeder dritte Diebstahl auf das Konto eines Jugendlichen und mehr als jedes fünfte Rohheitsdelikt, also Straftaten wie Nötigung, Bedrohung, Raub und Stalking.

    Im Phänomenbereich der Vermögens- und Fälschungsdelikte, wie zum Beispiel Betrug, Urkunden- und Geldfälschung, wurde wiederum ein Rückgang von 15,4 Prozent zum Vorjahr registriert, während die Zahl der Fälle, bei denen das Tatmittel ein Messer war, von 112 rapide auf 188 gestiegen ist.