Gelsenkirchen. 2022 wurden in Gelsenkirchen wieder deutlich mehr Straftaten dokumentiert. Dennoch ist die Polizei stolz. Das steht in der Kriminalstatistik.
Dass die Zahl der Straftaten in Gelsenkirchen – so wie überall im Land – 2022 im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigen würde, war zu erwarten. Schließlich waren die Pandemiejahre in jeder Hinsicht außergewöhnlich, da Geschäfte zwangsweise schließen mussten, Massenveranstaltungen nicht erlaubt waren und viele Menschen mehr Zeit in ihren eigenen vier Wänden verbringen mussten als gewöhnlich.
Das historisch niedrige Straftatenaufkommen war also auch eine Folge von Corona. Doch diese und die weiteren Krisen der vergangenen Jahre könnten auch ursächlich dafür sein, dass das Straftatenaufkommen nun wieder deutlich gestiegen ist. Zumindest erklärt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die Entwicklung so: „Wir sehen einen Pendeleffekt nach der Zeit des Lockdowns, aber in manchen Bereichen auch eine Überkompensation.“ Der Dauerkrisen-Modus aus Pandemie, Krieg und Inflation habe viele Menschen egoistischer und gefrusteter gemacht. Das Aggressionspotenzial sei gestiegen. „Ich glaube, das spüren wir alle. Der Ton ist rauer geworden.“
62 Straftaten pro Tag in Gelsenkirchen
Obgleich die Landes-Zahlen in nahezu allen Deliktfeldern insgesamt etwas schlechter ausfallen als in Gelsenkirchen, verzeichnete auch die hiesige Behörde 2777 Fälle mehr als im Jahr 2021. Insgesamt 22.853 (und damit durchschnittlich 62 Straftaten pro Tag) stehen 20.076 aus dem Vorjahr gegenüber. Wie auch in den Jahren zuvor werden rund 60 Prozent der Straftaten südlich des Kanals begangen und rund 40 Prozent nördlich.
Dennoch wurde die Aufklärungsquote in Gelsenkirchen sogar noch ganz leicht um 0,3 Prozentpunkte gesteigert. „In Relation zu den Fallzahlen haben wir mit 53,8 Prozent aufgeklärten Fällen den höchsten Stand seit 20 Jahren erreicht“, berichtete Carsten Berg, Leitender Kriminaldirektor im Gelsenkirchener Präsidium, stolz.
Deutlich mehr Gewalttaten in Gelsenkirchen
Vor allem sogenannte „Rohheitsdelikte“, also Straftaten wie Nötigung, Bedrohung, Raub und Stalking sind um 33,9 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, was die Polizei nicht zuletzt damit begründet, dass es wieder deutlich mehr Gelegenheiten gibt, bei denen Menschen aufeinandertreffen. Auch die auffällig vielen Fälle von Jugendkriminalität, die landesweit Thema waren und die die Errichtung der „Ermittlungskommission König“ zur Folge hatte, tragen dazu bei, dass mehr Raubtaten dokumentiert wurden.
„EK König“ in Gelsenkirchen hat zunehmend Ermittlungserfolge
Wie bereits mehrfach berichtet, verbucht die Gelsenkirchener Polizei dabei aber auch zunehmend mehr Ermittlungserfolge. Nachdem im Herbst des vergangenen Jahres die „EK König“ eingesetzt worden ist, wurden jüngeren Angaben zufolge 69 von 117 Straftaten aufgeklärt. Das entspricht einer Quote von 59 Prozent. Insgesamt konnten bisher acht Tatverdächtige in Untersuchungshaft genommen werden, was gerade bei minderjährigen Tatverdächtigen bemerkenswert viel sei, so Kriminaldirektor Berg.
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Tatsächlich wurden 462 aller Straftaten in Gelsenkirchen im vergangenen Jahr von Kindern (bis 14 Jahre), 926 Fälle von Jugendlichen (bis 18 Jahre) und 721 von Heranwachsenden (bis 21 Jahre) begangen. Dennoch ist der Anteil der Jugendkriminalität mit 21,3 Prozent in den vergangenen fünf Jahren in etwa gleichbleibend (+/- 1,5 Prozent).
Eine Priorität der polizeilichen Arbeit in Gelsenkirchen lag im vergangenen Jahr erneut bei der Bekämpfung des Taschendiebstahls. „657 Fälle sind bekannt geworden, so wenige, wie seit zehn Jahren nicht“, berichtete Carsten Berg. Auffällig dabei: Während der prozentuale Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger bei der Gesamtkriminalität in Gelsenkirchen bei 39,3 Prozent lag, schlägt die Statistik bei den Taschendiebstählen hier mit 85,7 Prozent enorm nach oben aus. Die Zahl der Diebstahlsdelikte stieg allerdings von 6564 Fällen in 2021 auf 7468 Fälle in 2022. Vor allem die Zahl der Ladendiebstähle stieg deutlich. Gleichzeitig erhöhte sich die Aufklärungsquote von 23,5 Prozent auf 25 Prozent.
Wieder mehr Gewalt gegen Polizisten und Rettungskräfte
Nicht zufrieden ist Kriminaldirektor Berg hingegen mit der Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen. Nur 9 Prozent der 488 Einbrüche konnten aufgeklärt werden. Im Vorjahr waren es 12,7 Prozent bei insgesamt 203 Fällen. Seit einigen Jahren kontinuierlich rückläufig ist auch die Aufklärungsquote bei Betrügereien, „was vor allem daran liegt, dass diese immer digitaler und die Täter damit schwerer zu ermitteln sind“, so Berg.
Nachdem die Fallzahlen im Vorjahr zurückgegangen waren, ist auch erneut eine negative Entwicklung im Bereich der Gewalt gegen Vollzugsbeamte erkennbar. Hier gab es 199 verzeichnete Fälle. Das entspricht einer Zunahme von knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.