Gelsenkirchen-Buer. Rekordjahr für die Feuerwehr Gelsenkirchen: So viele Einsätze wie nie zuvor. Spektakuläre Fälle und wie sich Retter jetzt vor Angriffen wehren.

Die Einsatzzahlen sind extrem: Da sind sich Gelsenkirchens Feuerwehr-Chef Michael Axinger und Stadtdirektor Ludger Wolterhoff einig. Die neue Rekordmarke geht im Vergleich zu früheren Jahren auf eine kleinere Wachstumsrate zurück. Warum das so ist, haben die beiden bei der Vorstellung der Jahresbilanz für 2023 erklärt. Und Maßnahmen angekündigt, die helfen sollen, Übergriffe auf Einsatzkräfte zu vermeiden und zu verfolgen.

Feuerwehr Gelsenkirchen meldet extreme Zahlen: 52.014 Einsätze im vergangenen Jahr

„Im vergangenen Jahr hatten wir 52.014 Einsätze“, sagt der Leitende Branddirektor Michael Axinger. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Steigerung von einem Prozent. Was durchaus ungewöhnlich ist, in der jüngeren Vergangenheit lagen die Wachstumsquoten bei sechs Prozent und mehr. Und nach diesem Wert richtet die Feuerwehr ihre Bedarfsplanung aus. Zum Vergleich: Vor drei Jahren lag die Gesamteinsatzzahl noch bei 43.583, sie war also damals noch um rund 19 Prozent niedriger.

In der Folge dieses Sprungs über die 50.000er-Marke ist die Zahl der Rettungstransportwagen von 16 auf 19 und die Zahl der Krankentransportwagen von fünf auf sieben aufgestockt worden. Dazu kam ein dritter Notarztwagen im ständigen Einsatz. Dies macht unter dem Strich „ein Plus von 20 Stellen aus“.

Die geringere Wachstumsrate bei den Einsatzzahlen führen Wolterhoff und Axinger im Wesentlichen auf einen Rückgang der Rettungsdiensteinsätze und reinen Notarzteinsätze zurück. Ihre Zahl sank um rund sechs Prozent auf nunmehr 28.028 respektive nahm sie um rund acht Prozent auf 5288 ab. Größeren Einfluss hatten auch die Corona-Einsätze im Rettungsdienst, von 2776 in 2022 reduzierte sich ihre Anzahl im abgelaufenen Jahr auf nur noch 572 Einsätze (-79 Prozent). Nahezu konstant hoch ist die Anzahl der Krankentransporte mit 17.608 im vergangenen Jahr.

Eins zu eins aufrechnen lassen sich die Zahlen, wie Axinger erklärt, aber nicht, weil von in der Rettungskette von einem Brand oder Unfall bis zum Krankenhaus die einzelnen Bereiche ineinander übergehen.

Der Leiter der Feuerwehr Gelsenkirchen, Michael Axinger.
Der Leiter der Feuerwehr Gelsenkirchen, Michael Axinger. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Insgesamt 647 Brände (2022: 666) wurden der neuen Leitstelle gemeldet, durch die Einsatzkräfte sind 81 Menschen aus den brennenden Gefahrenbereichen gerettet worden. Das Gros der Feuer entfällt dabei mit 593 auf Kleinbrände, dazu kommen 43 mittlere und elf Großbrände. Zu beklagen war in 2023 auch ein Brandopfer sowie 27 tote Menschen, die die Retter in verschlossenen Wohnungen aufgefunden haben. 750 Fehlalarme und 482 blinde Alarme (manuell ausgelöst oder durch technischen Defekt) hielten die Retter zusätzlich auf Trab.

Probleme in 2023: Heftige Grippe-Welle in Gelsenkirchen erfasst Feuerwehr-Kräfte

Dazu haben die Rettungskräfte die Folgen der Krankheitswelle-Pandemie am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie Wolterhoff und Axinger weiter ausführen. Die Influenza-Pandemie hat nämlich auch vor den Einsatzkräften nicht Halt gemacht, was zur Folge hatte, dass es „nur durch die Einhaltung höchster Hygiene-Standards möglich gewesen ist, die Einsatzbereitschaft und den Dienstbetrieb aufrecht zu halten“.

Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Mangelnder Respekt vor Einsatzkräften (Beschwerden über zugeparkte Einfahrten im laufenden Einsatz) oder auch Übergriffe werden den beiden zufolge ein „immer größeres Thema“ - von Beleidigungen bis hin zu tätlichen Angriffen. Zahlenmäßig schlägt sich das allerdings weniger wieder, wie diese zuletzt veröffentlichten Zahlen zeigen. Der Feuerwehr-Chef führt das darauf zurück, dass bei seinen Kolleginnen und Kollegen aufgrund der hohen Arbeitsdichte und Dokumentationspflichten die Bereitschaft, Vorfälle zu melden und/oder Anzeige zu erstatten, noch weniger ausgeprägt ist als bei Polizistinnen und Polizisten.

Ein QR-Code soll das Prozedere daher erleichtern, wie Wolterhoff sagt. „Der Aufkleber mit dem Code befindet sich im Einsatzfahrzeug, die Feuerwehrkräfte können ihn per Handy einscannen und noch auf dem Weg zurück Vorfälle dokumentieren, denen die Behörde dann nachgeht“.

Spektakuläre Einsätze in Gelsenkirchen: Überschwemmung, Großbrand, Bahn-Crash

Zu den spektakulärsten Einsätzen im vergangenen Jahr gehörte sicherlich das schwere Unwetter und die starken Überflutungen Mitte August. Innerhalb kürzester Zeit lagen Straßen, Keller, Wohnungen und sogar ganze Straßenzüge unter Wasser - etwa an der Kurt-Schumacher-Straße, am Trinenkamp, an der Sellmannsbachstraße. Teilweise ging es für die Retter nur mit Booten zu den Eingeschlossenen. Über 200 Einsatzkräfte waren im Einsatz, Tage später türmten sich riesige Sperrmüllberge in den Stadtquartieren und bescherten dem städtischen Entsorger Gelsendienste jede Menge Überstunden.

Bei einem Busunfall auf der Autobahn 42 in Gelsenkirchen wurden im März 2023 fünf Kinder verletzt. Eine Schulklasse aus England war auf Ausflugsfahrt. Die Gelsenkirchener Retter bekamen für ihre Hilfe sogar ein Dankesschreiben.
Bei einem Busunfall auf der Autobahn 42 in Gelsenkirchen wurden im März 2023 fünf Kinder verletzt. Eine Schulklasse aus England war auf Ausflugsfahrt. Die Gelsenkirchener Retter bekamen für ihre Hilfe sogar ein Dankesschreiben. © Feuerwehr Gelsenkirchen

Eine Mutter und ihre zwei Kindern wurden im Januar verletzt, als ihr Auto an der Kreuzung Darler Heide/Cranger Straße mit einer Straßenbahn der Linie 301 zusammenstieß. Der Wagen wurde von der Bahn weit mitgeschleift, das Fahrzeug lag später schräg auf der Seite vor einer Ampel. Die Wucht des Aufpralls hatte den Wagen auf einen Radständer geschoben.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++

Ein Großeinsatz war auch das Feuer in einem ehemaligen Fotolabor. Flammen schlugen aus der ehemaligen, rund 1000 Quadratmeter großen Lagerhalle, dichter Rauch stieg auf, als die Einsatzkräfte auf dem Gelände ankamen. Erst am Abend bekamen die Retter, die unter anderem mit drei Drehleitern anrückten, die Flammen unter Kontrolle.

Mit Trennschleifern befreite die Gelsenkirchener Feuerwehr nach einem Busunfall mit einem Lkw auf der Autobahn 42 über 40 Fahrgäste - die Schulklasse mitsamt Betreuern auf einem Ausflug kam aus England. Fünf Kinder wurden vorsorglich im Krankenhaus behandelt. „Die Aufregung war groß“ erinnert sich Michael Axinger, weil sich die Türen des Busses nicht mehr öffnen ließen. Zum Glück sei niemand schwer verletzt worden. „Wir haben im Nachhinein sogar ein Dankesschreiben der Klasse bekommen. Das hat uns sehr gefreut“, so der Feuerwehr-Chef.