Gelsenkirchen. Rekordjahr für die Feuerwehr Gelsenkirchen: Es gab so viele Einsätze wie noch nie. Tendenz: weiter steigend. Das waren die spektakulärsten Fälle.

Gelsenkirchens Feuerwehr-Chef Michael Axinger spricht von „zurückgekehrter Normalität“, wenn er das vergangene Einsatzjahr Revue passieren lässt. Hinter dieser Zurückhaltung verbirgt sich eine brisante Botschaft: Die Retter haben erneut ein Rekordjahr hinter sich – 46.150 Einsätze sind 2021 zu Buche geschlagen.

Feuerwehrbilanz Gelsenkirchen: Retter rücken im Vorjahr 126 Mal am Tag aus

Die Feuerwehrbilanz für Gelsenkirchen für das Jahr 2021.
Die Feuerwehrbilanz für Gelsenkirchen für das Jahr 2021. © Denise Ohms | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Täglich ist die Feuerwehr damit rein statistisch betrachtet 126 Mal ausgerückt. Und es zeichnet sich bereits jetzt schon ab, „dass wir dieses Jahr die Marke von 50.000 Einsätzen durchbrechen werden“, sagt der Leitende Branddirektor bei der Vorstellung der Bilanz an der Hauptfeuerwache in Buer.

Der Leiter der Feuerwehr Gelsenkirchen Michael Axinger. Er geht davon aus, dass noch in diesem Jahr bei den Einsatzzahlen die 50.000er-Marke durchbrochen wird.
Der Leiter der Feuerwehr Gelsenkirchen Michael Axinger. Er geht davon aus, dass noch in diesem Jahr bei den Einsatzzahlen die 50.000er-Marke durchbrochen wird. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Der Anstieg der Einsatzzahlen um rund vier Prozent hat seine Ursachen vor allem in der Zunahme von Notfallrettungen und Krankentransporten. Letztere sind von 25.906 auf 26.520 (+ 2,4 Prozent) respektive von 15.099 auf 16.198 (+7,28 Prozent) angewachsen. In 5786 Notfällen (+11 Prozent) war ein Notarzt dabei.

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Brand- und Hilfeleistungsalarme haben sich dagegen mit 1162 (2020: 1302) und 2270 (2021: 2083) Einsätzen wieder auf das „normale Grundrauschen“ eingependelt“, sagt Michael Axinger. Jahre mit extremen Starkregenereignissen, Stürmen oder Hochwassern bestimmen hier überproportionale Ausschläge nach oben. Und die habe es in 2021 in Gelsenkirchen nicht gegeben.

Das waren die spektakulärsten Einsätze der Gelsenkirchener Feuerwehr

Wohl aber sind in der Statistik einige besonders spektakuläre Einsätze vermerkt. Im Sommer vergangenen Jahres brauchten selbst die hartgesottenen Retter starke Nerven, als sie einen 31-jährigen Fahrer und seine 19-jährige Beifahrerin aus dem Wrack eines Audi RS 7 bergen mussten. Beide starben noch an der Unfallstelle. „Das Trümmerfeld erstreckte sich über 150 Meter“ erinnert sich Michael Axinger an den traurigen Einsatz. Der 600-PS-Bolide war sehr wahrscheinlich wegen stark überhöhten Tempos auf der Grothusstraße von der Straße abgekommen, gegen einen Bordstein und im Anschluss daran noch gegen mehrere Bäume gekracht. Der Wagen wurde regelrecht zerfetzt, für die Insassen kam jede Hilfe zu spät.

Brandamtsrat Carsten Jost ist der Pressesprecher der Feuerwehr Gelsenkirchen.
Brandamtsrat Carsten Jost ist der Pressesprecher der Feuerwehr Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

In Atem gehalten hat die Retter auch der nächtliche Großbrand einer Bäckerei im Stadtteil Heßler, ebenfalls im Sommer 2021. Es entstand dabei ein Sachschaden in mindestens sechsstelliger Höhe, der Betrieb wurde durch die Flammen komplett zerstört. Problematisch stellten sich bei den Löscharbeiten für die Feuerwehr, die mit 80 Einsatzkräften in der Spitze vor Ort war, besonders die verwinkelten Räumlichkeiten dar, an die schwer heranzukommen war. „Außerdem hätte durch den aufgewirbelten Mehlstaub ein explosives Gemisch entstehen können“, erinnert sich Feuerwehrsprecher Carsten Jost. „Das war wirklich tückisch.“

Brandstiftung: St. Mariä Himmelfahrt brennt in Gelsenkirchen-Rotthausen

Nicht weniger kräftezehrend und nervenaufreibend waren drei weitere Einsätze: Im Frühjahr brannte die entwidmete Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Rotthausen lichterloh. Der Schaden, den die Brandstifter hinterlassen haben, ist immens, die Zukunft der seit rund 15 Jahren leerstehenden Kirche ungewiss. Umbaupläne für neuen Wohnraum sind bislang am Denkmalschutz gescheitert, Letzterer macht Baumaßnahmen erheblich teurer.

Im Frühjahr brannte die Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Gelsenkirchen-Rotthausen. Der Schaden, den die Brandstifter hinterlassen haben, ist immens, die Zukunft der seit rund 15 Jahren leerstehenden Kirche ungewiss.
Im Frühjahr brannte die Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Gelsenkirchen-Rotthausen. Der Schaden, den die Brandstifter hinterlassen haben, ist immens, die Zukunft der seit rund 15 Jahren leerstehenden Kirche ungewiss. © Foto: Kimerlis

Einen Monat zuvor war an der Essener Straße/Turfstraße in Horst ein Linienbus in Flammen aufgegangen. Das Gefährliche bei diesem Notfall: „In unmittelbarer Nähe verläuft die Oberleitung der Straßenbahn“, sagt Michael Axinger. Dort liegt eine Spannung an, die dreimal so hoch ist wie in einem normalen Haushalt – es bestand also Lebensgefahr. Der Fahrer des Busses konnte sich gerade noch rechtzeitig ins Freie retten.

Im Februar schwärzte dicker Rauch den Himmel über Ückendorf, als im Gewerbegebiet Dördelmannshof Hunderte Reifen abfackelten. Dazu kam beißender Geruch von Gummi. 13 Stunden dauerte seinerzeit der Einsatz, bis die Gefahr gebannt war und das Feuer nicht noch auf anliegende Betriebe übergreifen konnte. Später kam heraus, dass die Reifen dort gar nicht hätten gelagert werden dürfen.

Im Februar 20221 brannte ein Reifenlager an der Straße „Am Dördelmannshof“ in Gelsenkirchen.
Im Februar 20221 brannte ein Reifenlager an der Straße „Am Dördelmannshof“ in Gelsenkirchen. © Feuerwehr Gelsenkirchen

Neue Option bei Standortsuche für zeitgemäße Feuerwache im Gelsenkirchener Süden

Die steigenden Einsatzzahlen ziehen eine vorausschauende Planung nach sich. Schon jetzt ist ein Gutachter damit beschäftigt, auf Grundlage der Daten vergangener Jahre die Bedarfsplanung für die Feuerwehr zu erstellen. Die Stadt steht dabei in der Pflicht, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. „Absehbar ist daher schon jetzt“, sagt der Feuerwehr-Chef, „dass sich künftig die Zahl der Rettungswagen erhöhen wird.“ Aktuell sind 16 RTW über das Stadtgebiet verteilt. Berufsfeuerwehr, Hilfsorganisation und die Firma DIG teilen sich den Rettungsdienst.

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Die Feuerwache 1 an der Wildenbruchstraße in Gelsenkirchen ist in die Jahre gekommen. Ein neuer Standort wird gesucht, einen zu finden ist aber nicht einfach, weil es noch andere Prioritäten gibt.
Die Feuerwache 1 an der Wildenbruchstraße in Gelsenkirchen ist in die Jahre gekommen. Ein neuer Standort wird gesucht, einen zu finden ist aber nicht einfach, weil es noch andere Prioritäten gibt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Nicht nur in mehr Menschen und Material wird daher investiert werden müssen, sondern auch in die Standorte. Bekanntlich ist die Feuerwache 1 an der Wildenbruchstraße arg in die Jahre gekommen, die Suche nach einem neuen Standort gestaltet sich schwierig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das 70 Jahre alte Gebäude „strategisch und einsatztaktisch ideal liegt“, so Axinger weiter. Denn das Einsatzaufkommen sei im Stadtsüden am größten. Zwar gebe es die Möglichkeit, eine zeitgemäße Wache nebst Feuerwehr-Schule auf dem Gelände an der Europastraße zu errichten, damit würde man aber einen weiteren Ansiedlungsplatz aufgeben müssen.

Derzeit lotet die Stadt die Option aus, im hinteren Bereich auf dem mehr als 10.000 Quadratmetern großen Feuerwehrstandort einen Neubau hochzuziehen, ohne dass der laufende Betrieb der Retter beeinträchtigt wird. Ließe sich das realisieren, könnten wirtschaftliche wie sicherheitsrelevante Interessen gleichermaßen bedient werden.