Gelsenkirchen. Mit dem Boot eilten Gelsenkirchener Rettungsprofis Überschwemmungsopfern zu Hilfe. Über ihr Einsatzvideo sagen sie: „Wie auf dem Mississippi“.
Marcus „Freddy“ Frenthoff kann so schnell nichts aus der Fassung bringen. Als Profi bei der Gelsenkirchener Feuerwehr hat der 53-Jährige ohnehin wohl mehr erlebt, als die meisten in ihrem Leben, aber eine solche Flut-Nacht wie am Donnerstag in Gelsenkirchen hat selbst bei dem Routinier Wirkungstreffer hinterlassen, die im Kopf nachhallen.
Feuerwehr-Profi: „Gelsenkirchen im Ausnahmezustand – es war total unheimlich“
„Ich bin mir noch nie so machtlos vorgekommen“, schildert der Teamleiter der Feuerwehrschule seine Gefühlswelt, als er und seine Kollegen Donnerstagnacht zum schwer getroffenen Trinenkamp in Bismarck ausrückten. Im Nachtdienst hatte er schon so ein ungutes Gefühl, als er das Prasseln der Wassermassen auf dem Dach Feuerwache 1 hörte. Kurz darauf waren ihm und den anderen klar, dass sich „Gelsenkirchen im Ausnahmezustand“ befindet. Die ursprüngliche Alarmmeldung für den Trinenkamp „Pkw in Haltestelle gefahren“ ging sprichwörtlich unter.
- Lesen Sie auch:
- Heftiges Unwetter in Gelsenkirchen: „Es war ein Alptraum“
- Starkregenkarte für Gelsenkirchen: Wo „Land unter“ droht
- Unwetter in Gelsenkirchen: Gelsendienste starten Sonderhilfsaktion
- Überschwemmungen in Gelsenkirchen: Auch Kitas und Schule betroffen
- Nach der Flut in Gelsenkirchen: Wer für welche Schäden aufkommt
Gespenstische Szenen in der Nacht: Autoscheinwerfer leuchten unter Wasser
„Es war total unheimlich“, erzählt der stellvertretende Zugführer. Der Löschzug kam gar nicht erst bis zur gemeldeten Unfallstelle in etwa in Höhe von Hausnummer 70, schon bei Nummer 62 war für die Retter Schluss. Vor ihnen ein See, in dem Dutzende Autoscheinwerfer nach Kurzschlüssen „geradezu gespenstisch unter Wasser leuchteten“.
Verstärkung und vor allem ein Schlauchboot mussten her, um die eingeschlossenen Bewohner in ihren überfluteten Wohnungen zu erreichen. Wer ist verletzt, wer braucht eine medizinische Notfallversorgung, wer muss vielleicht ins Krankenhaus, weil ein Atemgerät in der braunen Brühe seinen Geist aufgegeben hat – Fragen über Fragen, die es abzuklären galt. Und vor allem: die verzweifelten Menschen beruhigen. Nicht dass sich jemand in Gefahr begibt, weil ein Stromkabel das Wasser in den Untergeschossen zu einer tödlichen Falle macht. Die Ele schaltete daher ganze Straßenzüge stromlos.
Erkundungsfahrt im Boot am Gelsenkirchener Trinenkamp: „Wie auf dem Mississippi“
Per Schlauchboot geht es für Freddy und Sven Zorn auf Erkundungsfahrt durch den Trinenkamp. Das aufgenommene Video zeigt, wie ein ganzes Viertel einer Wasserstraße weicht. „Vor allem von der Seite des Sellmannsbachs ergoss sich das Wasser wie ein reißender Strom in den Trinenkamp“, erinnert sich Marcus Frenthoff. „Wir haben uns gefühlt wie auf dem Mississipi.“ Schnell war für die Profis klar, dass man gegen solche Wassermassen selbst mit den stärksten Pumpen nicht ankämpfen könne.
Erst als es aufhört, zu schütten, beginnt das Wasser langsam zurückzugehen, können die Retter anfangen, die vollgelaufenen Häuser leer zu pumpen, nach den wartenden Menschen in ihren Wohnungen schauen und sie in Sicherheit zu bringen. „Ohne die Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr hätten wir das nicht geschafft“, sagt Marcus Frenthoff. Auch das THW rückte aus, dazu Feuerwehren der umliegenden Städte.