Gelsenkirchen-Beckhausen. Die Nerven bei Gelsenkirchener Eltern liegen blank: Weil eine Baumaßnahme seit Jahren verschoben wird, muss die OGS-Platz-Zahl reduziert werden.
Was für viele Eigenheim-Besitzerinnen und -Besitzer ein Traum ist, sorgt derzeit an der Grundschule Gecksheide im Schaffrath buchstäblich für schlaflose Nächte: eine offene Küche. Sie ist ein maßgeblicher Grund für die Absage an alle 21 Kinder, die für einen offenen Ganztags-Platz angemeldet worden waren. Deren Eltern müssen nun ihre Berufstätigkeit ab Anfang August neu planen – oder direkt an den Nagel hängen.
Es war Ende Mai, als die Eltern von 18 Erstklässlern und drei älteren Kindern vom OGS-Träger Caritasverband erfuhren, dass ihr Nachwuchs eben nicht bis in die Nachmittagsstunden betreut werden kann. Zu kurzfristig, wie die Betroffenen finden.
Gelsenkirchener Eltern starten Unterschriften-Initiative an Grundschule Gecksheide
Schulpflegschafts-Vorsitzende Bianca Albrecht hat eine Unterschriften-Initiative gestartet: Diese fordert „OGS-Plätze für alle, vor allem aber für berufstätige Eltern“ und wirft den Verantwortlichen bei Stadt und OGS-Träger vor, den rechtzeitigen Umbau der Essensräume versäumt zu haben.
Tatsächlich hatte die Bezirksvertretung West schon Anfang 2019 Bauarbeiten im Umfang von damals 261.000 Euro beschlossen, in deren Zuge die Grundschule und die benachbarte Förderschule eine gemeinsame OGS-Küche erhalten sollten. Hintergrund sind gesetzliche Vorgaben, wonach u.a. der Küchen- und Essbereich räumlich getrennt sein müssen; dies ist am Standort Gecksheide als Teil der Grundschule am Lanferbach nicht der Fall, in der Förderschule aber sehr wohl.
Baumaßnahme an Gelsenkirchener Grundschule soll auch OGS-Ausbau dienen
Ziel des Umbaus ist nicht nur, die hygienischen Bedingungen zu verbessern, sondern auch „dem dringenden Bedarf an zusätzlichen OGS-Plätzen nachzukommen“, wie es in der Beschlussvorlage von 2019 heißt. Vorgesehen war damals, die Zahl von 120 Plätzen an Förder- und Grundschule auf insgesamt 150 zu erhöhen.
Getan hat sich seither allerdings nichts. „Uns wurde mitgeteilt, dass die Verwaltung nicht genügend Planungskapazitäten für die Maßnahme habe“, so Ingrid Husmann, SPD-Verordnete in der Bezirksvertretung West und aktiv im Quartierstreffpunkt „Schaffrather Mitte“. Stadt-Sprecher Martin Schulmann bestätigt: „Wir haben seit Jahren genügend Stellen, aber zu wenig Personal. Da Schulneubauten absolute Priorität haben, müssen andere Maßnahmen zurückgestellt werden.“
Gelsenkirchener OGS-Träger Caritas mühte sich vergeblich um Genehmigung
Der Bedarf an OGS-Betreuung jedoch, er wächst seither. Dem trug die Caritas auch Rechnung, indem sie den Offenen Ganztag von 120 Plätzen im Jahr 2019 auf aktuell insgesamt 134 ausbaute: Im Schuljahr 2022/23 zählt die Förderschule 75 und die Grundschule 59 Plätze.
Diese Linie wollte der Träger auch zum neuen Schuljahr fortführen, wie Christoph Grün als Leiter des Bereichs Kinder, Jugend und Familie betont. An der Förderschule gibt’s deshalb künftig 80 statt 75 Plätze. Und an der Grundschule – 50 statt 59; weil die Lebensmittelkontrolle wegen der räumlichen Situation ihr Veto eingelegt hat und offiziell ohnehin nur 50 genehmigt seien.
Caritasverband Gelsenkirchen: Essens-Anlieferung wäre zu teuer
„Aufgrund eines Fehlers haben wir im ablaufenden Schuljahr neun OGS-Plätze mehr besetzt als eigentlich zulässig. Für 2023/24 haben wir uns deshalb um eine Genehmigung bemüht, leider vergeblich.“ Es bleibt also bei 50 OGS-Plätzen – die jedoch mit Bestands-Schülern besetzt sind; denn zum Schuljahresende verlassen nur neun OGS-Kinder die Grundschule Gecksheide.
Den in der Unterschriften-Initiative formulierten Vorwurf, die Beauftragung eines Caterers nicht rechtzeitig geprüft zu haben, weist Grün zurück. „Das Essen würde sich für jedes Kind täglich um 30 Cent verteuern. Diese Erhöhung um monatlich sechs Euro müssten auch die Eltern zahlen, deren Kinder schon länger in der OGS betreut werden. Damit würde dann auch das zulässige Budget von 60 Euro im Monat überschritten“, begründet er, warum eine Heiß-Anlieferung keine Lösung sei.
Gelsenkirchener Eltern sind verzweifelt - und Politik hofft auf Treffen nächste Woche
Für die Eltern „ist das eine Katastrophe“, so Bianca Albrecht. „An der Betreuung hängen Existenzen, erst recht von berufstätigen Alleinerziehenden.“ Davon gebe es vor Ort mindestens eine Mutter. Gegenüber der Redaktion berichten verzweifelte Mütter von schlaflosen Nächten wegen des „unglaublichen Drucks“, weil etwa unklar sei „ob ich eine weitere Reduzierung meiner Stunden genehmigt bekomme oder ob ich kündigen muss“. Einige beklagen auch die drohenden Gehaltseinbußen sowie die Minderung von Rentenhöhe und Karrierechancen. „Wir fühlen uns von den Verantwortlichen bei Stadt und Caritas mit unseren Nöten nicht ernst genommen“, übt eine Mutter auch Kritik an fehlender Transparenz und Kommunikation.
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Insgesamt sei es „ein Unding, Eltern womöglich wegen 30 Cent in Hartz IV zu stoßen“, schimpft Bezirksverordnete Husmann. Sie hofft nun auf ein Gespräch von Schul-Dezernentin Anne Heselhaus nächste Woche mit Mitarbeitenden von Bauverwaltung und Veterinäramt. Stadt-Sprecher Schulmann dämpft gegenüber der Redaktion jedoch ihren Optimismus: „Frau Heselhaus bemüht sich um eine Lösung. Aber die Situation vor Ort macht es eigentlich unmöglich, dass mehr als 50 Essen ausgegeben werden können.“
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Und: Die Planung der Baumaßnahme sei mittlerweile veraltet. „Wir müssen noch mal neu anfangen“, so Schulmann. Mit einem Baustart – und damit einer Erhöhung der OGS-Plätze – sei „nicht vor 2024“ zu rechnen. Es wäre zumindest rechtzeitig, bevor zum Schuljahr 2026/27 der Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz für Erstklässler gilt. Bis 2030 soll dieser auf alle Kinder im Grundschulalter ausgeweitet sein.