Gelsenkirchen. Wie Gelsenkirchen eine Drei-Millionen-Euro-Förderung investiert, um den Ganztag auszubauen. Jede Grundschule soll profitieren.

Der Anspruch auf Ganztagesbetreuung von Grundschülern ist zunächst gestoppt, die Verabschiedung bis zur Neuwahl des Bundestags Ende September unklar: Der große Aufschrei darüber, er bleibt aus vor Ort in Gelsenkirchen – auch weil die Verwaltung intensiv daran arbeitet, ein Drei-Millionen-Euro-Förderprojekt zum OGS-Ausbau bis Ende des Jahres umzusetzen. Davon profitieren soll jede Grundschule in der Stadt.

Obwohl die Kommune derzeit nicht kalkulieren kann, wie es mit dem Gesetz weitergeht, nachdem der Bundesrat sein Veto eingelegt und den Vermittlungsausschuss angerufen hat wegen unzureichender finanzieller Beteiligung des Bundes: „Wir legen die Hände nicht in den Schoß“, verspricht Stadträtin Anne Heselhaus. Möglich macht dies der gerade eingetroffene Zuwendungsbescheid aus Münster über Bundes- und Landesmittel in Höhe von 3.028.599 Euro.

Gelsenkirchen will flexibles Mobiliar und Materialien zur Freizeitgestaltung anschaffen

Beigeordnete Anne Heselhaus will die Bund- und Landesförderung von drei Millionen Euro für die Infrastruktur des Offenen Ganztags in flexibles Mobiliar und Materialien zur Förderung der Grundschüler investieren.
Beigeordnete Anne Heselhaus will die Bund- und Landesförderung von drei Millionen Euro für die Infrastruktur des Offenen Ganztags in flexibles Mobiliar und Materialien zur Förderung der Grundschüler investieren. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Wir wollen mit dem Geld die Ausstattung im offenen Ganztag qualitativ so verbessern, dass mehr OGS-Plätze geschaffen werden. Denn nicht an allen Standorten ist ein Anbau möglich“, so Heselhaus. Konkret ist geplant, flexibles Mobiliar und Materialien zur Freizeitgestaltung und pädagogischen Förderung der Kinder anzuschaffen. Mit Hilfe der neuen Möbel könnten Klassenzimmer dann ohne großen Aufwand für OGS-Zwecke umfunktioniert werden.

„Wir haben da vorrangig die Stadtbezirke Mitte und Süd im Blick, wo es besonders viele Grundschüler gibt, wollen aber flächendeckend allen Kindern gerecht werden. Daher bemühen wir uns, jede Grundschule zu berücksichtigen“, kündigt die Stadträtin an.

Stadt: Zeitliche Befristung für das Projekt ist sehr knapp

Wo Grundschüler vormittags lernen, sollen sie ab Anfang 2022 im Anschluss an den Unterricht im offenen Ganztag betreut werden. Möglich werden soll dies durch flexibles Mobiliar, das multifunktional genutzt werden kann.
Wo Grundschüler vormittags lernen, sollen sie ab Anfang 2022 im Anschluss an den Unterricht im offenen Ganztag betreut werden. Möglich werden soll dies durch flexibles Mobiliar, das multifunktional genutzt werden kann. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Derzeit liefen die Planungen und Abstimmungsgespräche mit den Schulen und den OGS-Trägern auf Hochtouren, denn die Zeit sei mehr als knapp: „Der Städtetag hat die Frist mit Recht heftig kritisiert. Denn bis Ende Dezember 2021 alles operativ abgewickelt zu haben, ist schon sehr ambitioniert.“

Heselhaus: „Während einige Kommunen eine Bewerbung um die Fördergelder abgelehnt haben mit dem Argument, das sei in der Kürze nicht machbar, haben wir gesagt: Das können wir uns nicht entgehen lassen. Deshalb gibt das Referat Bildung jetzt richtig Gas.“ Der Eigenanteil liegt bei 15 Prozent.

Bedarf an neuen OGS-Plätzen ist riesig

Wie viele neue OGS-Plätze an den einzelnen Schulen bzw. stadtweit entstehen werden, sei derzeit noch unklar. Dass der Bedarf riesig ist, ist freilich unstrittig. Laut aktuellem Schulentwicklungsplan fehlen bereits jetzt an fast allen Schulen Ganztagsplätze. Weil nahezu überall nicht genügend Räume für die Kinder und für Küchen zur Verfügung stehen, gebe es Wartelisten.

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Demnach waren es im Schuljahr 2018/19 rund 1300 Schülerinnen und Schüler, die in 111 Ganztags-Gruppen von etwa 25 Kindern betreut wurden. 2024 liegt der Bedarf dann, basierend auf den prognostizierten Schülerzahlen, bei 10.145 Plätzen in 396 Gruppen. Die Versorgungsquote würde dann bei 75 Prozent liegen. Insgesamt zählt Gelsenkirchen rund 40 Grundschulen.

Gesetz zum Recht auf OGS-Platz ab 2026 gestoppt: Stadt reagiert gelassen

Was das Veto des Bundesrats beim Gesetzentwurf auf einen OGS-Platz für Grundschüler ab 2026 angeht, so reagiert Anne Heselhaus gelassen. Grundsätzlich hält sie es für richtig, vom Bund eine größere Beteiligung für Investitions- und Betriebskosten einzufordern, als bislang vorgesehen ist. „Unter dem Strich ist es zu wenig, was der Bund da bisher zu geben bereit ist“, kommentiert Heselhaus die Summe von 3,5 Milliarden Euro für Investitionen und den Betrag von einer Milliarde für laufende Betriebskosten.

Fischer (Grüne): Verzögerung wäre „katastrophal“

Stadtverordneter David Fischer (Grüne) fürchtet, dass sich durch das Veto des Bundesrats womöglich die Verabschiedung des Rechtsanspruchs auf eine Ganztagsbetreuung insgesamt verzögern könnte, da reguläre Sitzungen von Bundesrat und Bundestag in der jetzigen, noch bis Ende September laufenden Legislaturperiode nicht mehr vorgesehen sind.

Das Gesetz könnte dann verfallen, weil es nicht mehr in der laufenden Wahlperiode abschließend beraten werden kann. „Das wäre katastrophal und ein harter Schlag für die Planungen“, meint Fischer. Stadträtin und Jacob halten es hingegen für durchaus möglich, dass das Prestigeprojekt der Großen Koalition doch noch in Sondersitzungen auf die Gleise gesetzt wird.

Genauso sehen dies auch Markus Karl, Stadtverordneter und bildungspolitischer Sprecher der CDU, Ulrich Jacob als bildungspolitischer Sprecher der SPD sowie David Fischer, Stadtverordneter und bildungspolitischer Sprecher der Grünen.

Die verweigerte Zustimmung der Länder sei „richtig zum Schutz der kommunalen Haushalte“ (Heselhaus) und „verständlich“ (Jacob). Einig sind sich alle Befragten aber darin, dass Ganztagsbetreuung eminent wichtig sei für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und für eine bessere Förderung von Kindern aus bildungsfernen Familien.