Gelsenkirchen. Die Statistik sieht Gelsenkirchen in vielen medizinischen Fachbereichen gut versorgt. Aber jeder zweite Hausarzt ist bereits älter als 60 Jahre.

  • Jeder zweite Hausarzt in Gelsenkirchen ist bereits 60 Jahre und älter.
  • Auch Allgemeinmediziner im Alter von 70 plus praktizieren noch, meist mangels Nachfolger
  • Die Fachärzteversorgung ist laut KVWL in Gelsenkirchen gut - Trotz lager Wartezeiten auf Termine

Auf den ersten Blick und gemessen an den Kriterien der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) ist die ambulante ärztliche Versorgung in Gelsenkirchen in fast allen Bereichen bestens aufgestellt. Die Versorgungsquoten liegen über alle Disziplinen, seien es Fach- oder Hausärzte, bei mehr als 100 Prozent. Niederlassungsmöglichkeiten gibt es nach dem offiziellen Stand der letzten Erhebung (November 2023) vor allem bei den Hausärzten – 8,5 Sitze sind in dem Bereich aktuell frei, 147,75 besetzt, was nach dem KVWL-Schlüssel eine Versorgungsquote von 104 Prozent bedeutet.

Keine Auskunft zum Anteil der über 65-Jährigen

Ein deutlich dramatischeres Bild zeigt sich allerdings mit Blick auf die Alterspyramide bei den Ärzten, vor allem bei den Gelsenkirchener Hausärzten. Davon sind aktuell 48 Prozent älter als 60 Jahre, im Durchschnitt betrifft das KVWL-weit „nur“ 40 Prozent. Eine Aussage darüber, wie viele Allgemeinmediziner in Gelsenkirchen bereits älter als 65 Jahre sind, verweigert der Sprecher der Vereinigung, Stefan Kuster, auch auf wiederholte Nachfrage allerdings.

Bei der letzten Anfrage vor einem Jahr war dies noch anders, die Antwort allerdings schon damals alarmierend. Zwischen 60 und 64 Jahren waren damals 21 Hausärzte, jeder dritte (56 von insgesamt 151) Allgemeinmediziner in Gelsenkirchen war zu der Zeit 65 plus, 29 davon gar über 70 Jahre alt. Da die Gesamtzahl der besetzten Hausarztpraxen seither auf 147,5 gesunken ist, kann wohl von einem Rückzug von vier Ärzten ausgegangen werden.

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Bei den Kinderärzten ist nach KVWL-Rechnung lediglich ein halber Sitz frei, 19 voll besetzte Stellen listet die Statistik. Kurz nach Rechnungsschluss hat allerdings Kinderarzt Dr. Christoph Rupieper seine Praxis an zwei junge Kolleginnen übergeben, arbeitet jedoch selbst noch an zwei Tagen der Woche mit. Die Versorgungsquote lag vor diesem Wechsel laut KVWL bei 108,8 Prozent. Die Alterspyramide ist bei den Kinderärzten etwas weniger extrem: ein Viertel der Ärzte ist 60 plus, 42 Prozent sind zwischen 50 und 60.

Fünf zusätzliche Plätze für Psychotherapeuten

Niederlassungsmöglichkeiten gibt es aktuell in Gelsenkirchen zudem noch für ärztliche Psychotherapeuten (5,5 Sitze frei) und für Psychosomatiker (6). Bei ärztlichen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten gibt es laut KVWL keinen Aufstockungsbedarf, was viele Experten allerdings bezweifeln. Immerhin haben Land und Kassen zu Jahresbeginn den höheren Bedarf an Psychotherapeuten in Städten mit besonderer Sozialstruktur anerkannt und die Niederlassung von fünf weiteren Psychotherapeuten in Gelsenkirchen zusätzlich zu den 59 vorhandenen bewilligt.

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Sämtliche Facharztplätze sind laut KVWL-Angaben ansonsten voll besetzt. Bei 120 Prozent und mehr liegen die Versorgungsquoten in Gelsenkirchen für Augenärzte (16 Plätze), Gynäkologen (30), Hautärzten (9), Hals-Nasen-Ohrenärzten (13) und Nervenärzte (15). Extrem gut versorgt ist Gelsenkirchen offenbar mit chirurgischen Orthopäden: Für die 30 Plätze beziffert die KVWL den Versorgungsgrad bei 156,6 Prozent. Ähnlich hoch ist die Quote bei den Urologen (11). Allerdings nähern sich bei letzteren mehrere Praktizierende bereits dem Ruhestandsalter, nur vier Prozent sind jünger als 40 Jahre.

Versorgungsquote für Kardiologen nicht stadtscharf erhoben

Nicht auf städtischer, sondern auf regionaler Ebene und damit gemeinsam mit Bottrop und dem Kreis Recklinghausen auf Basis von einer Million Einwohnern wird die Versorgung bei „Fachinternisten“ berechnet. Darunter fallen etwa extrem belastete Bereich mit langen Termin-Wartezeiten wie Kardiologen (fünf Sitze, besetzt mit sechs Köpfen in GE), Gastroenterologen (drei Plätze, besetzt mit vier Ärzten), Onkologen (2) und Rheumatologen (1 in Gelsenkirchen). Vier dieser 15 Fachmediziner sind bereits älter als 60 Jahre. Zudem gibt es „Ermächtigungen“, also eine zusätzliche Behandlungserlaubnis, für Internisten in den Bereichen Kardiologie (4 in GE), Onkologie (1) und Gastroenterologie. Die entscheidende Quote, die über weitere Besetzungsmöglichkeiten entscheidet, liegt im Bereich „Fachinternisten“ insgesamt regional bei 145 Prozent, dahinter stehen 97,5 Medizinerstellen.

„Bei akutem Bedarf genügt ein Anruf vom Hausarzt“

Insgesamt sieht die KVWL die Versorgung über alle Bereiche als gesichert an, im fachärztlichen Bereich auch bedingt durch eine gute Erreichbarkeit entsprechender Angebote in Gelsenkirchens Nachbarschaft. Auch Gelsenkirchens Bezirksstellenleiter Klaus Rembrink mag nicht von echten Engpässen bei Fachärzten sprechen: „Bei akutem Bedarf genügt ein Anruf des Hausarztes beim jeweiligen Facharzt, um einen zeitnahen Termin zu bekommen“, versichert er.