Gelsenkirchen. Der Altersschnitt der Hausärzte in Gelsenkirchen ist dramatisch hoch. Jeder dritte ist bereits älter als 64, jeder zweite Kinderarzt ist 60 plus.
- Jeder Hausarzt in Gelsenkirchen versorgt im Schnitt 1752 Patienten
- 29 Allgemeinmediziner in Gelsenkirchen arbeiten über das 70. Lebenjahr hinaus
- Bei Kinderärzten hat mehr als die Hälfte die 60 überschritten
Wer sich über volle Wartezimmer beim Hausarzt und Kinderarzt in Gelsenkirchen ärgert, der tut das grundlos. Jedenfalls, wenn man der Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) folgt. Dann nämlich liegt die Versorgungsquote mit Hausärzten in der Stadt aktuell bei 104,4 Prozent, bei Kinderärzten sogar bei 107,7 Prozent, es gäbe somit eine Überversorgung. In absoluten Zahlen ist die Situation so: Für die Versorgung der insgesamt 260.126 Bürgerinnen und Bürger in der Stadt stehen 154 Hausärzte zur Verfügung, in Vollzeitstellen gerechnet 148,5. Allerdings sind aktuell 1,5 dieser Plätze „in Nachbesetzung“, also noch unbesetzt.
Jeder dritte Hausarzt ist 65 Jahr und älter, 29 sind schon 70 Jahre und mehr
Nachbesetzungen wird es in naher Zukunft in Gelsenkirchens Hausarztpraxen wohl häufiger benötigen. Der Altersdurchschnitt der Hausärzteschaft in Gelsenkirchen ist nämlich dramatisch hoch. Ein Drittel der Hausärzte ist 65 Jahre und älter, im Detail sind 29 der aktuell noch Praktizierenden 70 Jahre und älter, weitere 27 sind 65 Jahre plus, zwischen 60 und 64 Jahren sind zudem 21 Hausärztinnen und Hausärzte. Unter 50 Jahren sind weniger als ein Drittel der Aktiven, nämlich 40. Angesichts einer Ausbildungszeit von deutlich mehr als zehn Jahren bis zur Niederlassungsfähigkeit dürften die Probleme eher größer als kleiner werden.
Theoretisch dürften sich aktuell bis zu acht weitere Hausärzte um Niederlassung in Gelsenkirchen bewerben – wenn es denn Bewerber gäbe. Was nicht der Fall ist. Umgerechnet versorgt ein Hausarzt in Gelsenkirchen aktuell 1752 Patientinnen und Patienten. Da für das Ruhrgebiet als Ballungsraum nach einer früheren Regelung noch immer andere Berechnungsgrundlagen für die hausärztliche Versorgung gelten als für den Rest der Republik, gibt es damit laut Statistik eine Überversorgung. 1827 Patienten je Hausarzt würden demnach ausreichen.
Knappere Besetzungsquoten für Ruhrgebietsstädte schrittweise senken
Bis 2028 wird die Messgrundlage nun schrittweise auch für Ruhrgebietsstädte gesenkt, da sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass ein Ballungsraum nicht automatisch weniger Ärzte je Mensch braucht. Außerdem spielt auch die Morbiditätsrate, also der Gesundheitszustand der Bevölkerung, bei der Bemessung eine Rolle. Und der Gesundheitszustand der Gelsenkirchener ist eher schlechter als im Landes- und Bundesdurchschnitt. Dass diese ärztliche Versorgungsquote von dann nur 1607 Patienten je Hausarzt sich aber in absehbarer Zeit umsetzen lässt, ist angesichts der Alterspyramide der Hausärzte vor Ort aber mehr als unwahrscheinlich.
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Rein rechnerisch überversorgt ist Gelsenkirchen auch im Bereich der Kinderärzte. Für die 48.238 Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren sind 23 Ärzte in Gelsenkirchen niedergelassen tätig, umgerechnet in Vollzeitstellen sind das aber nur 18,5. Allerdings ist noch ein halber Kinderarzt-Sitz frei, sprich unbesetzt. Zudem gibt es zwei Kinderärzte an Krankenhäusern, die in speziellen Fällen ebenfalls ambulante Behandlungen übernehmen, die aber nicht in die Bedarfsrechnung eingehen. 2607 Mädchen und Jungen bis zu 18 Jahren versorgt damit in Gelsenkirchen ein Kinderarzt auf einer Vollzeitstelle. Ausreichend wäre laut KVWL-Berechnung ein Kinderarzt für 2810 Kinder. Und hier wird sich die Berechnungsbasis nicht verändern, da es hierbei keine Speziallösung für Ballungsräume gibt.
Mehr als jeder zweite Kinderarzt ist über 60 Jahre alt
23 Prozent mehr Medizinstudentinnen
Klaus Rembrink, Leiter der Bezirksstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Gelsenkirchen, sieht große Probleme bei der Nachbesetzung der Hausarztstellen: „Wo sollen die Ärzte denn herkommen? Auf diese Arbeitszeiten haben junge Ärzte wenig Lust, viele wandern angesichts der schlechten Bedingungen ab in andere Länder. Und selbst wenn die Zahl der Medizinstudenten wächst: Das dauert 15 Jahre, bis sie alle notwendigen Stationen bis zur möglichen Niederlassung absolviert haben!“
Tatsächlich hat IT NRW einen starken Anstieg der Medizinstudentinnenzahl in 2021/22 um 23 Prozent registriert. Vor allem in Düsseldorf und Bochum stiegen die Zahlen. Mittelfristig aber, so Rembrink, rette die Versorgung in Gelsenkirchen vor allem, dass ältere Mediziner jetzt auch über 68 Jahre hinaus weiterarbeiten dürfen. Die frühere Altersgrenze wurde aufgehoben.
Von den 23 vorhandenen Kinderärzten sind fünf älter als 64 Jahre, zehn sind über 60. Bei mehr als der Hälfte der Kinderärzte in Gelsenkirchen ist also in den nächsten Jahren mit einem Wechsel in den Ruhestand zu rechnen. Nur zehn der aktiven Kinderärzte und Kinderärztinnen in Gelsenkirchen sind jünger als 50 Jahre.