Gelsenkirchen. „Null-Toleranz“: Seit 10 Jahren kontrolliert das Interventionsteam EU-Ost Gelsenkirchens Schrottimmobilien. Aber wirken die Einsätze überhaupt?

  • Seit mittlerweile zehn Jahren ist das Interventionsteam EU-Ost regelmäßig unterwegs, um Schrottimmobilien in Gelsenkirchen zu kontrollieren.
  • Die Stadt Gelsenkirchen macht dort weiterhin heftige Entdeckungen, sagt aber auch: Die Probleme haben in ihrer Drastik etwas abgenommen.
  • 4900 Wohnungen wurden in den Jahren kontrolliert, alleine 2800 Abmeldungen konnten über die Kontrolleure durchgeführt werden.

Wenn das Interventionsteam EU-Ost eine seiner zwei Schrotthäuser-Begehungen im Monat abgeschlossen hat, dann folgt meist eine Pressemitteilung mit langen Listen an Verstößen und Mängeln, die auch nach zehn Jahren immer noch erschreckend sind. Wer die WAZ regelmäßig liest, dem sollten die regelmäßigen Meldungen über Sozialleistungsbetrug, Stromklau, verschimmelte Räume, illegale Werkstätten und teils sogar vernachlässigt zurückgelassene Kinder vertraut sein. Aber was haben die gemeinsamen Kontrollen von Polizei, Ordnungsdienst, Baubehörde, Jobcenter, teils auch Stromversorger, Wohnaufsicht und Sozialarbeiter, eigentlich langfristig bewirkt?

Im Rahmen eines Pressegesprächs zum zehnjährigen Bestehen der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien gibt Hans-Joachim Olbering, Leiter des städtischen Referats für Sicherheit und Ordnung, folgende Antwort auf diese Frage: „Keine Klingelschilder, keine Briefkästen – das ist das, was wir am Anfang vorgefunden haben. Es gab Sanitäreinrichtungen, die gar keine waren. Fäkalien sind teilweise unappetitlich durchs Haus ,geflossen‘, weil keine Wasserversorgung mehr da war. Das gibt es in diesem Ausmaß nicht mehr. Wir sind zwar immer wieder überrascht, was wir beispielsweise an abenteuerlichsten Verkabelungen vorfinden. Aber in der Drastik hat das etwas abgenommen.“

Hans-Joachim Olbering, Leiter des städtischen Referats für Ordnung in Gelsenkirchen: „Bei uns gilt das Null-Toleranz-Prinzip.“
Hans-Joachim Olbering, Leiter des städtischen Referats für Ordnung in Gelsenkirchen: „Bei uns gilt das Null-Toleranz-Prinzip.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Rund 1720 Häuser mit 4900 Wohnungen seien mittlerweile von dem Interventionsteam kontrolliert worden, sowohl im Rahmen von Großkontrollen als auch bei kleineren Kontrollen. Dabei sind laut Stadt allein 2800 Abmeldungen von Amts wegen vorgenommen worden (495 alleine im Jahr 2023), mit allen Folgen für eingestellte Zahlungen bei Jobcenter, Familienkasse und Co. So viele Leute lebten also gar nicht mehr dort, wo sie ursprünglich gemeldet waren. Fraglich, ob diese Fälle auch ohne Einsatz des Interventionsteams aufgefallen wären.

Ordnungschef der Stadt Gelsenkirchen: Prekärer Wohnraum hat ein Stück abgenommen

„Vor Ort im Quartier hat genau dieser Einsatz eine ganz starke Wirkung“, meint Olbering. „Die Menschen spiegeln uns: Ihr seid da. Und wir nehmen wahr, dass der vor einigen Jahren noch massiv vorhandene prekäre Wohnraum ein Stück weit abgenommen hat.“ Olberings Botschaft: Offenbar fühlen sich auch die „Gangster“, also die Vermieter, die oft mit armen Menschen aus Rumänien und Bulgarien Geschäfft machen, durch die Kontrollen mittlerweile ein Stück weit abgehalten, katastrophalste Zustände in ihrem Eigentum mutwillig in Kauf zu nehmen.

„Wir halten den Kontrolldruck weiter hoch“, sagt Olbering, der mit seinem Team zum Jahreswechsel 2021/2022 die monatlichen Kontrollen durch das Interventionsteam auf monatlich zwei Einsätze verdoppelte – und keinen Grund sieht, nachzulassen. „Das ist auch notwendig, alleine schon, um ein Signal ins Quartier auszusenden. Wir kontrollieren ja auch im Umfeld der kontrollierten Häuser, schauen uns z. B. falsch parkende Kfz an. Es geht um Verlässlichkeit in diesem Staat und in dieser Stadt. Und wir verdeutlichen: Bei uns gilt das Null-Toleranz-Prinzip, bei uns müssen Regeln eingehalten werden.“

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Die Schrotthaus-Kontrollen sind Teil der zweigleisigen Strategie, um die negativen Folgen der Armutszuwanderung aus Südosteuropa abzufedern. Einerseits setzt die Stadt auf Integration, anderseits auf Härte – im Grunde schon seit Verabschiedung des ersten „Handlungskonzepts zur Zuwanderung im Rahmen der EU-Osterweiterung“ im Jahre 2013. „Wir haben uns – sowohl was den integrationsbezogenen als auch den repressiven Teil der Gesamtstrategie angeht – seitdem sehr intensiv auf den Weg gemacht“, meint Olbering. Er nennt als Beispiele den Ausbau des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) von 25 Mitarbeitenden im Jahr 2013 auf 100 bis Ende des laufenden Jahres, bei gleichzeitiger Verstärkung der Sozialarbeit im Quartier.

Wie man im Hans-Sachs-Haus regelmäßig betont, sollen auch bei den Schrotthaus-Kontrollen Integration und Repression zusammengebracht werden, indem neben Ordnungskräften und Kontrollbehörden auch (dolmetschende) Sozialarbeiter mitkommen. So würden sich durch die Kontrollen auch Ansatzpunkte für Familienhilfe oder Integrationsangebote ergeben. Um parallel dazu die Zahl der überschüssigen, sich im schlechten Zustand befindlichen Wohnungen zu reduzieren, will die Stadt mithilfe einer bis zu 100 Millionen Euro schweren Förderung im großen Stil Schrotthäuser beseitigen.