Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Interventionsteam EU-Ost soll 24 Mal im Jahr auf Großkontrolle gehen. Was die Prüfungen der Problemviertel bisher gebracht haben.

Wenn das sogenannte Interventionsteam EU-Ost ausrückt, dann werden in und um Schrottimmobilien in Gelsenkirchen meist zahlreiche Verstöße aufgedeckt: von illegalen Werkstätten über Müllberge mit Rattenplagen bis abenteuerliche Strom-Verkabelungen und Soziallleistungsmissbrauch. Nun soll die 2013 gegründete Allianz aus Baubehörde, Kommunalen Ordnungsdienst (KOD), Sprachmittlern, Wohnungsaufsicht, Stromversorger und Arbeitsvermittlung pro Jahr 24 statt 12 Großkontrollen durchführen, also zwei Kontrollen pro Monat. Damit setzt die Stadt einen Arbeitsauftrag der Großen Koalition aus SPD und CDU um.

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Die Stadt selbst lobt ihr Interventionsteam – insbesondere im Hinblick auf die ressortübergreifende Zusammenarbeit so vieler Akteure – als Modellprojekt. „Uns haben bereits Kollegen aus Hamburg und Bremen besucht, die unser System als Blaupause gesehen haben“, sagt Marcel Günther, Teamleiter im Ordnungsreferat. Aber was haben die bisherigen Kontrollen überhaupt gebracht?

Rund 280 Problemhäuser wurden seit 2016 in Gelsenkirchen kontrolliert

Auf Nachfrage nennt die Stadt zunächst einige Zahlen. Demnach wurden seit 2016 bei den Großkontrollen genau 279 Problemhäuser und 2000 Wohnungen geprüft. Dabei sind unter anderem zahlreiche melderechtliche Verstöße aufgefallen: 680 Menschen wurden seitdem von Amts wegen abgemeldet.

Zudem hat das Interventionsteam neben den Großeinsätzen auch 500 kleine Objektprüfungen durchgeführt, bei denen nicht das komplette rund 20-köpfige Interventionsteam mitwirkt, sondern neben dem KOD nur ein bis zwei weitere Fachdienststellen. Auch dabei wurde eine Vielzahl von Regelverstößen festgestellt, darunter baurechtliche Probleme oder Missbrauch von Sozialleistungen.


Weitere Zahlen nennt die Stadt für den Zeitraum 2019 bis heute. Seitdem wurden bei Großprüfungen 88 Stromzähler abgebaut, 81 Verdachtsfälle von Sozialleistungsmissbrauch aufgenommen und 144 Baurechtsverstöße und Nutzungsuntersagungen ausgesprochen. 50 mal seien bislang sogar ganze Immobilien „geschlossen“ worden, weil sie aufgrund der dort vorgefundenen baulichen Probleme (fehlende Rettungswege, ungenehmigte Aus- und Umbauten bis hin zu gefährlichen Verkabelungen) als nicht mehr bewohnbar identifiziert worden sind.

Stadt Gelsenkirchen: Kontrollen sprechen sich in der Vermieter-Szene herum

Aber haben die Kontrollen auch eine abschreckende Wirkung? Sprechen sie sich sowohl unter den Armutsmigranten aus Rumänien und Bulgarien als auch bei den Vermietern herum, die ihre Schrottwohnungen oft an die Migranten vermieten und hoffen, sich so eine goldene Nase zu verdienen?

Mit Blick auf die Vermieter bejaht Marcel Günther diese Frage. „Was wir tun, hat in der gut vernetzten Vermieter-Szene definitiv eine gewisse Durchschlagskraft.“ Was die Gruppe der Migranten aus Südost-Europa angeht wiederum, müsse man einen langen Atem haben. „Ein Unterbringungsproblem gibt es in der Community nicht, sie finden schnell eine neue Bleibe, wenn wir die Nutzung einzelner geprüfter Gebäude untersagen“, sagt Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung. Mit anderen Worten: Es gibt immer noch genug Schrotthäuser in Gelsenkirchen, auf die viele arme Migranten dann ausweichen.

Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung der Stadt Gelsenkirchen, über das Interventionsteam EU-Ost: „Solche Kontrollen haben natürlich auch eine Signalwirkung in die aufnehmende Gesellschaft, die oft in Teilen den Eindruck hat, dass sie sich mit den Problemen alleingelassen fühlt.“
Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung der Stadt Gelsenkirchen, über das Interventionsteam EU-Ost: „Solche Kontrollen haben natürlich auch eine Signalwirkung in die aufnehmende Gesellschaft, die oft in Teilen den Eindruck hat, dass sie sich mit den Problemen alleingelassen fühlt.“ © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wir haben in Gelsenkirchen immer noch einen relativ hohen Wohnungsüberhang“, sagt Olbering. Ein Ziel der gesamten EU-Südost-Strategie der Stadt sei deswegen schließlich auch, einzelne Schrotthäuser komplett aus dem Stadtbild zu entfernen, indem man sie aufkauft und abreist. Lesen Sie hierzu: So geht Gelsenkirchen den Kauf von Schrottimmobilie an

Gelsenkirchens Ziel: „Keine Unterkunftskosten für prekären Wohnraum“

Olbering macht auch darauf aufmerksam, dass es nicht im Kern darum gehe, die Menschen aus Südosteuropa abzuschrecken oder zu sanktionieren. Oft würden sich durch die Kontrollen auch Ansatzpunkte für Sozialarbeit oder Unterstützung aus dem Jugendamt ergeben. „Außerdem haben wir auch ein Interesse daran, für die Menschen, die hier sind, einen vernünftigen Wohnraum herzustellen.“ Viele seien im Hartz-IV-Bezug. „Und wir haben eine klare Zielaussage: Keine Unterkunftskosten für prekären Wohnraum.“

Ein wichtiger Wirkungsfaktor der Interventionen betreffe aber überhaupt nicht die Migranten oder die Vermieter, sondern die Nachbarschaften, die häufig auch ein wichtiger Hinweisgeber für Probleme um bestimmte Häuser sind. „Solche Kontrollen haben natürlich auch eine Signalwirkung in die aufnehmende Gesellschaft, die oft in Teilen den Eindruck hat, dass sie mit den Problemen alleingelassen werde“, sagt Olbering. Hier signalisiert das Interventionsteam aus seiner Sicht: Es wird sich gekümmert.