Gelsenkirchen. Nach Familientrennungen und Abschiebungen von Kindern in Gelsenkirchen wollen die Grünen, dass sich etwas in Gelsenkirchen ändert.
Politisch ist es eine schwierige Zeit, um sich in der Migrationsdebatte auf die Seite der Asylsuchenden zu stellen. Mit Gegenwind werden die Grünen in Gelsenkirchen mit diesem Vorschlag also sicher rechnen müssen: Als Reaktion auf zwei umstrittene Fälle von Familientrennung in Gelsenkirchen wollen sie nun, dass bei Abschiebungen künftig mehr auf die Situation betroffener Kinder geachtet wird. „Uneingeschränktes Kindeswohl statt Abschiebung um jeden Preis!“, fordert Derya Halici, die für die Grünen im Integrationsrat sitzt.
Dort soll der Antrag nun zuerst behandelt werden. Darin fordern die Grünen, dass „Maßgaben zur Ermittlung und Sicherstellung des Kindeswohls“ bei Abschiebungen erarbeitet werden. Zum Beispiel soll künftig geprüft werden, ob bei Abschiebungen, von denen Minderjährige betroffen sind, obligatorisch das Jugendamt hinzugezogen und eine individuelle Stellungnahme abgewartet werden kann. „Maßgeblich für uns ist die UN-Kinderrechtskonvention“, sagt Halici. Als selbst ernannte „familienfreundliche Stadt“ sei dies auch für das Selbstverständnis Gelsenkirchens angemessen.
Grüne Gelsenkirchen kritisieren „skandalöse Familientrennungen mit minderjährigen Kindern“
Es gehe nicht darum, Abschiebungen von Familienmitgliedern pauschal zu verhindern, „aber unsere Empfehlung ist, dass man solche Fälle besser betreut“, sagt Halici und wünscht sich weniger Rückführungen, „die dramatisch enden.“ Vorbild für den Antrag sei ein vergleichbarer Beschluss aus Köln. „Wenn es dort die demokratischen Fraktionen geschafft haben, eine Einigung zu finden, warum dann nicht auch in Gelsenkirchen?“, fragt Halici.
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Hintergrund für den Antrag sind Fälle, die durch das „Abschiebungsreporting NRW“ zuerst öffentlich gemacht wurden: „Die Ausländerbehörde Gelsenkirchen hat bei Entscheidungen für Abschiebungen aktuell und wiederholt skandalöse Familientrennungen mit minderjährigen Kindern in Kauf genommen“, meinen die Grünen in der Begründung ihres Antrags und beziehen sich einerseits auf die Trennung einer sechsköpfigen nigerianisch-deutschen Familie durch die Abschiebung des Vaters im Jahr 2022 sowie auf die Abschiebung einer jesidisch-armenischen Familie, die im Oktober 2023 zurückgeführt wurde, während sich die Mutter in stationärer Behandlung in einer Psychiatrie befunden hat.
In beiden Fällen wurden Minderjährige von einem Elternteil getrennt. Die Stadt verteidigte die Abschiebungen als Umsetzung von geltendem Recht und sah keinen weiteren Handlungsspielraum für den Verbleib der Betroffenen in Deutschland mehr gegeben.
Abschiebepraxis in Gelsenkirchen: Forderung nach mehr Transparenz
Die Grünen geben sich damit nicht zufrieden und wollen das Thema nicht allein im Integrationsrat spielen. Auch für den Ordnungsausschuss am 23. Januar sind drei Anträge vorbereitet. Kern der Anliegen ist, dass die Politik transparenter über die Abschiebepraxis in Gelsenkirchen informiert wird. „Wiederholt haben die Ausschussmitglieder erst durch die Berichterstattung der Presse von einzelnen Abschiebefällen erfahren“, heißt es von den Grünen mit Verweis auf die WAZ-Berichterstattung zu den umstrittenen Familientrennungen. Dies müsse sich ändern.
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„Es ist nicht so, dass wir der Verwaltung misstrauen würden“, sagt Jan Philip Schaaf, der für die Grünen seit kurzer Zeit im Ordnungsausschuss sitzt. „Und wir wissen, dass Abschiebungen auch nötig sind und sie am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens erfolgen können.“ Jedoch gebe es in jeder Entscheidung auch einen Ermessensspielraum des Ausländeramtes. „Da gilt es die Frage auszuloten, ob von dem gegebenen Spielraum auch Gebrauch gemacht wurde.“ Ein politisch derzeit unpopulärer Vorstoß? „Wir können nicht nur das machen, was politisch opportun ist“, meint Schaaf. Den Grünen werde gerade auf Bundesebene oft genug vorgeworfen, gegen die eigenen Werte zu handeln. „Es ist deswegen wichtig, dass wir in der kleinsten politischen Einheit für eine menschliche Haltung eintreten.“