Gelsenkirchen. Menschen können abgeschoben werden, wenn sie im Krankenhaus behandelt werden. Jetzt fordern Aktivisten „Minimalstandards“ in NRW ein.
Der Protest gegen die Abschiebung einer armenischen Familie aus Gelsenkirchen während des stationären Aufenthalts der Mutter kommt zu einer Zeit, in der bundesweit mehr Druck gemacht wird gegen die Abschiebung von Schutzsuchenden im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen. Der Verein IPPNW (Ärzte gegen den Atomkrieg) hat jetzt ein Meldeportal eingerichtet, auf dem anonym Fälle gemeldet werden können, bei denen es um die Abschiebung von Menschen in stationärer Einrichtung oder deren Angehörigen geht.
„Dass Familien getrennt werden, hat auch massiv gesundheitliche Auswirkungen auf psychisch beeinträchtige Personen, die zurückbleiben“, sagt IPPNW-Referentin Anne Jurema. Aber auch für die Kinder seien solche Familientrennungen „entwicklungspsychologisch ein großer Eingriff“. „Minderjährige Kinder von ihrer Mutter zu trennen, ist ein absolutes No-Go“, sagt Jurema. Zudem würde das medizinische Personal solche Situationen oft unvorbereitet treffen, was zur Überforderung führe. Die Meldestelle (www.behandeln-statt-verwalten.de) informiert deshalb auch über die Rechte, die das Personal in solchen Situationen hat. Im Gelsenkirchener Fall hat die Klinik ein Hausverbot für den Zweck der Abschiebung erteilt.
Abschiebungen aus Krankenhäusern: Kritik an NRW-Landesregierung
Sebastian Rose vom Verein „Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.“ kritisiert in diesem Zusammenhang auch die aus seiner Sicht „bisherige Untätigkeit“ der Landesregierung in NRW. „Trotz eines Bekenntnisses von CDU und Bündnis 90/ Die Grünen im Koalitionsvertrag von 2022, dass Abschiebungen aus Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen heraus nicht stattfinden sollen, gibt es auch anderthalb Jahre nach Regierungsantritt keinen Erlass der Landesregierung, der solche Abschiebungen kategorisch verbietet“, sagt er. Die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen würden dagegen bereits Abschiebungen aus Krankenhäusern während einer laufenden stationären Behandlung verbieten. Rose nennt es ein „politisches Armutszeugnis, dass in NRW ein solcher menschenrechtlicher Minimalstandard“ offenbar nicht gelte.
„Dem in Koalitionsvertrag niedergelegten Ziel, möglichst Rückführungen aus Bildungseinrichtungen sowie Krankenhäusern zu vermeiden, wird bereits Rechnung getragen, als dass entsprechende Maßnahmen ausschließlich in seltenen Einzelfällen und stets auch nur in enger Absprache mit den behandelnden Ärzt:innen stattfinden“, heißt es dagegen auf Nachfrage aus dem NRW-Flüchtlingsministerium. Gleichwohl prüfe das Ministerium derzeit, „ob und wenn ja, welche weiteren Möglichkeiten das Land in seinem Zuständigkeitsbereich bei dieser Thematik darüber hinaus hat.“
Mehr über die umstrittene Abschiebung aus Gelsenkirchen lesen Sie hier: „Skandal“-Trennung? Mutter in Klinik – Kinder abgeschoben