Gelsenkirchen. Der Missbrauch von E-Scootern regt in Gelsenkirchen viele auf. Mit einer „deutschlandweit einmaligen“ Regelung will man nun gegensteuern.
Die Stadt Gelsenkirchen plant eine ungewöhnliche Regelung, um den Missbrauch von ausleihbaren E-Scootern zu bekämpfen. So beabsichtigt die Verwaltung, eine neue Kooperationsvereinbarung mit den beiden noch in Gelsenkirchen aktiven Firmen Bolt und Tier zu treffen, die „eine Verpflichtung der Anbieter zur sicheren Identitätsfeststellung“ beinhalten soll. Nach Vorstellung der Stadt soll also jeder, der ein Gerät ausleiht, künftig über das Scannen und Senden von Personalausweis oder Führerschein deutlich machen, wer er oder sie ist. Bislang ist die Nutzung über das Bezahlsystem möglich (Paypal, Kreditkarte, Klarna, Apple oder Google Pay).
Jugendliche, die – nicht selten unerlaubterweise zu zweit auf dem Gerät – durch die Fußgängerzonen der Stadt rasen, sorgen in der Stadt schon für Ärger, seitdem das E-Scooter-Verleihangebot 2019 in Gelsenkirchen startete. Noch kontroverser diskutiert werden die elektrischen Roller allerdings, seitdem ein E-Bike-Fahrer im Mai 2022 über ein herumliegendes Gerät stürzte und starb. Ohne dabei auf die genauen Umstände des Unfalls einzugehen, wird dieser in der lokalpolitischen Diskussion seitdem als trauriger Höhepunkt der Verschlimmbesserung angeführt, zu der die Scooter im Verkehr geführt hätten.
Stadt Gelsenkirchen: Pflicht zur Identitätsfeststellung könnte zu „merklichem Rückgang“ der Nutzerzahlen führen
Verschiedene Maßnahmen zur Einschränkung der Geräte wurden seitdem diskutiert – nun also soll es der verpflichtende Identitätsnachweis richten. Denn: „Ein grundlegendes Problem bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist die Feststellung der Identität“, heißt es seitens der Stadt. Um das zu ändern, begibt man sich auf ein für Deutschland völlig neues Terrain: Man habe keine Kenntnis über eine andere Stadt der Bundesrepublik, die den Anbietern die Pflicht zur Identitätsfeststellung auferlegt, heißt es aus der Verwaltung. Beispiele existierten nur im EU-Ausland. Dort sei jedoch die Erfahrung gemacht worden, dass eine solche Maßnahme „zu einem merklichen Rückgang“ der Nutzerzahlen führte.
Das aber nimmt die Stadt in Kauf. „Der zu erwartende geringere Umsatz könnte dazu führen, dass die verbleibenden E-Scooter-Anbieter das Geschäft in Gelsenkirchen aufgeben“, prognostiziert man trocken in einer Beschlussvorlage für die Politik – die das Vorhaben übrigens begrüßt: „Nach den schweren Unfällen in Gelsenkirchen ist es gut, dass Druck gemacht wird“, sagt etwa Guido Tann, Mitglied der CDU im Verkehrsausschuss. Mit den Scootern werde in Gelsenkirchen ohnehin eher Missbrauch betrieben, als dass diese eine sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen Verkehr darstellten.
Politik begrüßt geplante E-Scooter-Regelung in Gelsenkirchen: „Stadt setzt ein Zeichen“
Beim Koalitionspartner, der SPD, bewertet man die E-Scooter positiver, sie seien „ein Instrument der Mobilitätswende“, sagt Roberto Randelli, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. „Es ist deshalb begrüßenswert, dass die Stadt weiter an den E-Scootern festhalten möchte, gerade wenn man sich 2024 bei der Fußball-EM international präsentieren möchte.“ Die Identitätsfeststellung sei aber eine vielversprechende Maßnahme, um den Missbrauch zu reduzieren. Randelli findet, man könne sich dabei ein Beispiel am Ausleihsystem für die Mietroller des Stromversorgers ELE („Ella“) nehmen. Hier muss vor der ersten Nutzung erst der Führerschein per App eingesendet und vom Anbieter verifiziert werden.
Aufgeschlossen sind auch die Grünen. „Es ist gut, dass endlich etwas passiert. Die Verwaltung setzt da ein Zeichen“, sagt Verkehrsausschuss-Mitglied Bernd Rudde, der nun gespannt ist, ob auch die Betreiber kooperieren werden. „Entweder die machen mit – oder eben nicht. Das wäre aber auch nicht weiter schlimm“, meint Rudde, der sich offenbar auch gut eine Mobilitätswende ohne die E-Roller in Gelsenkirchen vorstellen könnte. Denn auch die Stadt macht deutlich: „Entscheidend für den Fortbestand der Leih-E-Scooter-Flotte(n) in Gelsenkirchen wird sein, ob die Anbieter die Vorgabe zur Identitätsfeststellung akzeptieren und das Angebot in Gelsenkirchen weiter aufrechterhalten werden.“
Was die Betreiber zu den geplanten Änderungen sagen, lesen Sie hier: Ärger mit E-Scootern: Hier will Gelsenkirchen Vorreiter sein.