Gelsenkirchen. Zuletzt gab es wieder schwere Unfälle mit E-Rollern in Gelsenkirchen. Wie die Ermittlungen laufen und was die Politik jetzt fordert.

Erst ein dreijähriges Kind, das nach dem Zusammenstoß mit einem E-Roller mit gebrochenem Bein auf der Straße liegengelassen wurde, dann der tödlich verunglückte E-Rad-Fahrer, der über einen herumliegenden E-Roller gefallen ist: Nach zwei sehr unterschiedlichen, aber besonders dramatischen Unfällen im Zusammenhang mit den elektrischen Leihgeräten in den vergangenen Tagen ist die Politik in Gelsenkirchen alarmiert.

So legt die SPD-Fraktion jetzt einen Dringlichkeitsantrag für den Verkehrsausschuss am 4. Mai vor. Darin fordert sie einen Sachstandsbericht der Verwaltung zu dem tödlichen Unfall auf der Konrad-Adenauer-Allee am 28. April. Die Stadt soll darin auch Auskunft über die aktuelle Zusammenarbeit mit den Anbietern der E-Scooter liefern und einen Überblick geben, welche Maßnahmen bislang zum korrekten Abstellen der oft wild geparkten Fahrzeuge im Straßenraum getroffen worden sind.

In Paris wurden E-Scooter jüngst wieder verboten

Umstritten sind die E-Roller auch in anderen Städten. Der Deutsche Städtetag hält es für eine gute Idee, das sogenannte „Geofencing“ zuzulassen, mit dem das Tempo – etwa in Fußgängerzonen – automatisch gedrosselt werden könnte. In Paris, wo die Leihgeräte zuerst in Europa eingeführt worden sind, will man sie jetzt schon wieder verbannen. Die Einwohner der französischen Hauptstadt haben bei einer Befragung jüngst gegen die Verlängerung der Verträge mit mehreren Anbietern gestimmt. Für Fraktionschef Axel Barton wäre es allerdings „noch zu früh“, so eine Forderung auch in Gelsenkirchen aufzustellen.

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Auch die CDU will erst einmal die jüngsten Einschätzungen der Stadt abwarten, Ratsherr Julian Siempelkamp sagt jedoch auch, „Verbote und weitere Einschränkungen“ dürften bei der Diskussion um die Geräte „kein Tabu mehr sein“. Die Union wolle das Thema aber vor allem ordnungspolitisch angehen: Siempelkamp kündigte ebenfalls einen Antrag für einen Sachstandsbericht zur Situation mit E-Rollern an, allerdings für den Fachausschuss für Ordnung am 9. Mai. Mögliche Überlegungen zur weiteren Beschränkung der Geräte könnten im Anschluss entwickelt werden.

Abwarten möchte man auch noch bei den Grünen: Mirco Kranefeld, Vorsitzender des Verkehrsausschusses, hält eine Verbotsdebatte ebenfalls für verfrüht, ist aber „offen dafür, dass die E-Roller nur noch an bestimmten Zonen abgestellt werden“, so der Grüne. So könne man Risikofaktoren minimieren.

Verletzter Dreijähriger: Polizei Gelsenkirchen zieht auch Auswertung von App-Daten in Betracht

Währenddessen dauern bei der Polizei die Ermittlungen mit Blick auf beide Unfälle an. Hinsichtlich des Unfalls mit Fahrerflucht am 21. April, bei dem ein Kleinkind schwer verletzt wurde, ziehe die Polizei „alle Ermittlungsansätze in Betracht“, teilte Sprecherin Merle Mokwa mit. Dies berücksichtige die Auswertung von Überwachungskameras wie auch die Anforderung von Nutzerdaten über den Anbieter der Leihgeräte.

„Grundsätzlich kann nachvollzogen werden, über wessen Nutzerkonto ein E-Scooter gemietet wurde. Ob die- oder derjenige den Scooter auch tatsächlich gefahren hat, muss dann im Weiteren ermittelt werden“, so Mokwa. „Im Rahmen von Ermittlungen fordert die Polizei auch entsprechende Daten von Anbietern an, die in der Regel spätestens mit einem erwirkten Beschluss der zuständigen Staatsanwaltschaft herausgegeben werden.“

Im Fall des tödlichen Scooter-Unfalls hat die zuständige Essener Staatsanwältin Dr. Sonja Hüppe die Ermittlungen an sich gezogen. Zu offenen Fragen, etwa ob der Fahrer einen Helm getragen hatte oder ob möglicherweise Alkohol eine Rolle gespielt haben könnte, hat sich die Staatsanwältin auf Nachfrage dieser Redaktion noch nicht geäußert. „Der Verstorbene wird obduziert, weitere Mitteilungen kann ich daher bislang nicht machen“, sagte Hüppe.

Gelsenkirchener Anwalt weist auf gesetzliche Haftungslücke hin

Der Gelsenkirchener Verkehrsrechtler Arndt Kempgens weist im Zusammenhang mit dem tödlichen Scooter-Unfall auf eine gesetzliche Haftungslücke hin. „Zwar riskiert jeder, der beispielsweise betrunken einen E-Scooter fährt, sogar seinen Autoführerschein, anders sieht es allerdings in Haftungsfragen aus“, so Kempgens. „Das Besondere bei E-Scootern ist, dass sie zwar Kraftfahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrsordnung darstellen, aber genau für diese Geräte die Halterhaftung nicht gilt.“ Das Gesetz schreibe vor, dass die Halterhaftung nicht für Kraftfahrzeuge greift, die nicht schneller als 20 Stundenkilometer seien.

Geschädigte gingen Kempgens zufolge daher in der Regel bei solchen Scooter-Unfällen leer aus. „Die Verursacher sind meist nicht feststellbar, die Vermieterfirma haftet für solche Schäden mangels Halterhaftung nicht, und auch nicht deren Versicherungen. Das ist die Krux in solchen Fällen“, berichtet Kempgens aus seiner Erfahrung.

Derzeit gibt es in Gelsenkirchen noch knapp 700 ausleihbare Roller. Mittlerweile sind nur noch zwei Anbieter aktiv – Bolt und Tier. Zuletzt zog sich Lime zurück.