Gelsenkirchen. Vier Klassen fahren derzeit aus Gelsenkirchens Süden per Bus zur Ebersteinschule, um hier zu lernen. Wir wollten wissen, wie das funktioniert.

Es ist eine Premiere, vermutlich nicht nur für Gelsenkirchen. Seit drei Wochen werden Kinder in je zwei Klassen von zwei verschiedenen Grundschulen – der Turmschule in Rotthausen und der Georgschule in der Altstadt – allmorgendlich per Bus nach Schalke-Nord zur Ebersteinschule gefahren. Weil für die Kinder in ihrem Stadtteil einfach kein Schulraum mehr vorhanden war. Statt für Schüler-Wartelisten wie mancherorts hat Gelsenkirchen sich für den Bustransport entschieden. Und es läuft erfreulich reibungslos, betonen jedenfalls die Schulleiterinnen Britta Czysch und 1er-Klassenlehrer Philipp Miethe und die Eberstein-Schulleiterin Cornelia Franz.

Bus fährt fünf Sammelpunkte für die Kinder im Stadtsüden an

Insgesamt fünf Sammelpunkte in der Neustadt, Ückendorf und Rotthausen fährt der Bus morgens und mittags an, um die Kinder einzusammeln beziehungsweise zurückzubringen. Denn nicht alle Turmschul-Kinder kommen wirklich aus Rotthausen. Erfreulich pünktlich, pünktlicher als die Kinder am Standort Turmschule selbst, seien die Fahr-Schüler, versichert Czysch. Sechs Eingangsklassen hat sie in diesem Jahr an ihrer Schule bilden müssen, die eigentlich dreizügig angelegt ist. Mittlerweile dienen auch die OGS-Räume als Klassenzimmer, ohne ginge es nicht.

Auf dem Schulhof der Turmschule sollen im nächsten Sommer Modulbauten als Ausweichquartier errichtet werden. Damit das keine Dauerlösung wird, knüpft die Bezirksvertretung die Zustimmung an Bedingungen. Die Schulkonferenz ist bereits einverstanden mit der Aufstellung.
Auf dem Schulhof der Turmschule sollen im nächsten Sommer Modulbauten als Ausweichquartier errichtet werden. Damit das keine Dauerlösung wird, knüpft die Bezirksvertretung die Zustimmung an Bedingungen. Die Schulkonferenz ist bereits einverstanden mit der Aufstellung. © www.blossey.eu / Funke Foto Service | Hans Blossey

Als sich im April dieses Jahres dann herausstellte, dass es wegen Zu- und Umzügen sowie Wiederholern in den ersten Jahrgängen immer noch zahlreiche unversorgte Erstklässler im Stadtsüden gibt, kam in der Verwaltung die Idee auf, die noch freien Räume der Ebersteinschule ein Jahr lang für die Schüler aus Rotthausen und Altstadt mit zu nutzen. Eine Rolle bei der Raumnot mag auch gespielt haben, dass an der Ückendorfer Grundschule Stephanstraße die Sanierung immer noch nicht voranschreitet, Entlastung dort somit weiterhin nicht in Sicht ist.

Doch zurück zur Ebersteinstraße und den insgesamt vier Klassen, die hier aktuell als Gäste auf Zeit lernen. Drei Monate Vorbereitungszeit blieben im Frühsommer den Schulen für die ungewöhnliche Kooperation. Das Kriterium für die Auswahl der Schüler, die per Bus zur Schule gefahren werden sollen, war denkbar einfach: Es sind die Kinder, die als letzte an der Turmschule angemeldet wurden. Den anderen hatte man schließlich bereits die Aufnahme zugesagt.

Der Eingangsbereich der Ebersteinschule ist großzügig ausgestattet. Aktuell lernen Schüler von den verschiedenen Schulen am Standort. Im nächsten Jahr funktioniert das mangels Räumen nicht mehr.
Der Eingangsbereich der Ebersteinschule ist großzügig ausgestattet. Aktuell lernen Schüler von den verschiedenen Schulen am Standort. Im nächsten Jahr funktioniert das mangels Räumen nicht mehr. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Raumsituation wie aus dem Ausstattungs-Lehrbuch

Doch auch die Bus-Schülerinnen und -schüler werden in alle Schulveranstaltungen der Turmschule eingebunden, versichert Czysch. Aktuell ist die Unterrichtssituation an der Ebersteinstraße noch sehr komfortabel. 23 Kinder sind es bislang erst in den beiden Klassen. Es ist für viele Grundschulen heute ein vertrautes Phänomen, dass Klassen sich im Laufe des Schuljahres erst füllen. „Auch bei uns sind die Klassen noch relativ klein, mit 23 bis 25 Kindern je Klasse. Das war im ersten Jahr ähnlich und am Ende hatten wir zum Teil 30 und mehr – was eigentlich gar nicht geht“, schildert Cornelia Franz die Entwicklung.

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Räumlich ist die Unterrichtssituation an der Ebersteinstraße wie aus dem Lehrbuch. Lerneinheiten bestehen aus einem Klassen- plus angeschlossenem Differenzierungsraum und großem Spielbereich und Flur. Die Kinder der Ebersteinschule lernen jahrgangsübergreifend, Erst- und Zweitklässler gemeinsam. Im ersten Jahr wurden vier Klassen eingeschult, in diesem Jahr sechs eigene. Für das nächste Jahr bedeutet das eigentlich, dass es nicht mehr als drei neue Eingangsklassen werden dürfen, wenn alle gemeinsam aufwachsen und im Haus Platz finden sollen. Mit einer klaren Ansage für die Planungen zum nächsten Schuljahr rechnen die Schulleiterinnen allerdings kaum vor dem nächsten Frühjahr.

Nur zwei festangestellte Pädagoginnen bleiben

Auch wenn die Ebersteinschule mit einem 20-köpfigen, multiprofessionellen Kollegium gut ausgestattet ist, gibt es auch Einschränkungen. Von den festangestellten Pädagoginnen bleiben nur zwei am Ort, die übrigen gehen im nächsten Jahr zurück ins Münsterland an ihre Wunschschulen. Für die Kinder, die nach zwei Jahren schon die zweite Klassenleitung bekommen, keine ideale Situation. An der Turmschule unterrichten aktuell acht aus nördlicheren Regionen abgeordnete Pädagoginnen. Doch dank ihnen gibt es für jede Klasse immerhin eine eigene Leitung; das ist keine Selbstverständlichkeit mehr.

Ausgesprochen dankbar sind beide Schulleiterinnen für die stundenweise Extra-Sekretariatsstelle für die Fahrschüler, die die Stadt ihnen spendiert habe. „Das entlastet uns sehr, gerade wenn es um Krankmeldungen geht oder andere Anliegen von Eltern“, erklärt Franz. Auf die Frage, ob nicht andere Lehrkräfte von Gelsenkirchener Grundschulen sich um einen Wechsel zur bestens ausgestatteten Ebersteinschule bemühten, antwortet Franz mit Kopfschütteln: „Wir Gelsenkirchener sind solidarisch. Wir wissen, dass es überall hier knapp ist.“ Philipp Miethe ergänzt: „Und das ist längst nicht mehr nur in Gelsenkirchen der Fall.“

Hoffen auf rechtzeitigen Standort für den Grundschulneubau

Britta Czysch ist erleichtert, dass die Bezirksvertretung Süd nun doch voraussichtlich der Aufstellung von Modulbauten auf dem Schulhof der Turmschule zustimmen wird. Vorausgesetzt, die Bauverwaltung präsentiert in der Oktobersitzung wie versprochen tatsächlich die Standortgutachten zur Achternbergstraße und Volkshaus Rotthausen als Gelände für den Bau einer Grundschule für Rotthausen. Nur unter dieser Kondition ist Zustimmung angekündigt.

Sollten Gutachten samt Standortempfehlung von der Verwaltung und damit die Zustimmung der Bezirksvertreter nicht kommen, wird es noch enger mit der rechtzeitigen Aufstellung der Modulbauten bis zum Schulstart 2024. Wie dann Unterricht und OGS funktionieren sollen, zumal ohne die Räume an der Ebersteinstraße, steht in den Sternen.