Gelsenkirchen. Weil die bisherigen Flüchtlingsunterkünfte aus allen Nähten platzen, muss die Stadt jetzt eine alte Notunterkunft in Erle reaktivieren.

Die konstant steigenden Flüchtlingszahlen zwingen nun auch die Stadt Gelsenkirchen dazu, mehr Platz zu schaffen: Weil in den bestehenden Unterkünften keine Betten mehr frei sind, bereitet die Stadt jetzt die Emscher-Lippe-Halle für den Einzug erster Familien aus Kriegs- und Krisenländern vor. Wie Sozialdezernentin Andrea Henze gegenüber der WAZ ankündigte, sollen zunächst zwei Familien, eine aus Syrien, die andere aus Afghanistan, ab dem 19. Juni auf der 1800-Quadratmeter-Fläche in Erle untergebracht werden.

Damit hat die Emscher-Lippe-Halle nach acht Monaten Leerstand wieder eine Funktion. Im März 2022 wurde die ehemalige Veranstaltungshalle vom Impfzentrum zum „Ankunftszentrum“ für ukrainische Geflüchtete. Als der Zuzug aus der Ukraine abnahm, wurde die Halle vorerst stillgelegt, das auch aufgrund ihres wenig effizienten Heizungssystems – in Zeiten der Energiekrise ein zu großer Kostenfaktor. Dass sie nun reaktiviert wird, hat auch damit zu tun, dass die Stadt nicht, wie zu Beginn des Ukraine-Kriegs, auf Turnhallen als Notunterkünfte zurückgreifen will. Kinder und Sportvereine hätten nach der Corona-Zeit genug aufzuholen, begründete Henze, die auch Gesundheitsdezernentin ist, den Schritt.

Stadt Gelsenkirchen wurden seit Anfang des Jahres 305 Geflüchtete zugewiesen

Die Stadt trifft damit eine Entscheidung, die sie bereits im Frühjahr als Option für weiter steigende Flüchtlingszahlen ankündigte. Dass es nun so weit ist, liegt laut Henze daran, dass die Sammelunterkünfte am Nordring und an der Adenauerallee mit insgesamt rund 600 Plätzen „zu 96 bis 98 Prozent belegt sind“. Zugewiesen worden seien der Stadt von der Bezirksregierung Arnsberg seit Anfang des Jahres 305 Asylbewerber, davon 157 aus der Ukraine und 148 aus anderen Herkunftsländern, überwiegend aus Syrien, der Türkei, Afghanistan, dem Kosovo und Irak.

Im vergangenen Jahr wurden der Stadt insgesamt 936 Menschen zugewiesen, darunter 561 Ukrainer und 375 Menschen aus anderen Herkunftsländern. Viele Ukrainer fanden zunächst allerdings auf eigenem Wege, also ohne Zuweisung, nach Gelsenkirchen. Mittlerweile erfolgt der Zuzug der Ukrainer hauptsächlich über die Zuteilung der Bezirksregierung, die nach einem bestimmten Schlüssel erfolgt. Kommunen wie Gelsenkirchen beklagen seit langer Zeit, dass die tatsächlichen Integrationsherausforderungen der Stadt, die sich etwa auch durch den Zuzug vieler südosteuropäischer Migranten verschärfen, bei diesem Verteilungsschlüssel nicht berücksichtigt werden.

Noch nicht aus allen Nähten platzt die Notunterkunft an der ehemaligen Mehringschule in Scholven. Diese ist allerdings Ukrainern vorbehalten. „Diese Trennung wollen wir auch aufrechterhalten“, sagt Andrea Henze. Schließlich seien aus der Ukraine vor allem viele Frauen und Kinder gekommen, während aus anderen Ländern viele alleinreisende Männer ihren Weg nach Deutschland gefunden hätten.

Viele Ukrainer haben Gelsenkirchen wieder verlassen

Eine „Ungleichbehandlung“ von Ukrainern und Asylbewerbern aus Drittstaaten sieht Henze aber nicht. „Dass wir alle Personengruppen gleich behandeln, zeigt, dass wir seit Jahresbeginn 65 Ukrainer und 77 Menschen aus anderen Ländern in Wohnungen vermittelt haben“, sagt die Stadträtin. Allerdings ging die Stadt auch erst im Zuge des Ukraine-Kriegs neue Wege bei der Wohnungsvermittlung und mietete selbst Einheiten von Wohngemeinschaften an.

Insgesamt leben derzeit 2867 ukrainische Kriegsflüchtlinge in Gelsenkirchen. 430 weitere Menschen musste die Stadt erstversorgen, sie haben die Stadt aber mittlerweile wieder verlassen – fast die Hälfte wieder ins Ausland, etwa 100 sind woanders innerhalb von Deutschland hingezogen. Bei 75 Ukrainern ist nach Angaben der Stadt „völlig unbekannt“, wohin sie sich aufgemacht haben.

1452 Asylbewerber aus anderen Staaten leben zudem derzeit in Gelsenkirchen, 540 davon befinden sich noch im laufenden Asylverfahren, bei 912 Personen ist das Asylverfahren für sie negativ abgeschlossen. Damit gehören sie dem Personenkreis der Geduldeten an. Die Abschiebung ist damit aus Gründen wie beispielsweise unzumutbarer Familientrennung, fehlender Dokumente oder Krankheiten vorübergehend ausgesetzt, die Personen bleiben aber ausreisepflichtig.

In der Emscher-Lippe-Halle arbeitet die Stadt wieder eng mit den Wohlfahrtsverbänden zusammen, die sich in der Stadt auch um die Integration von Geflüchteten kümmern. Während die Awo die Leitung der Einrichtung wahrnimmt, übernimmt das Deutsche Rote Kreuz laut Henze die Versorgung der Geflüchteten, etwa mit Hygieneartikeln und Lebensmitteln.