Gelsenkirchen. Nach Kritik an Bearbeitungen von Wohnungsanfragen macht Gelsenkirchen Tempo. Wird es Zeit, dass Flüchtlingsunterkünfte wieder Sporthallen werden?

Nachdem es zuletzt Kritik an der verzögerten Genehmigung von Wohnungen für Ukrainer in Gelsenkirchen gegeben hatte und Betroffene – auch in der WAZ – über viel zu lange Bearbeitungsdauern geklagt hatten, hat die Stadt Gelsenkirchen nun nachgesteuert. Fast allen Menschen, die sich auf Eigeninitiative eine Wohnung gesucht haben, konnte laut Sozialdezernentin Andrea Henze mittlerweile das Okay gegeben werden. „Wir sind mit den Wohnungen auf den Zielgeraden“, so die Stadträtin bei einer Pressekonferenz zur aktuellen Ukraine-Lage. „Wir haben den Unmut aufgegriffen und die Fälle zielgerichtet abgearbeitet.“

1872 Menschen, die aus der Ukraine vertrieben wurden, sind derzeit in Gelsenkirchen bekannt – darunter sind rund 700 Minderjährige und mittlerweile auch 125 Menschen über 65 Jahren. Die Stadt unterscheidet drei Bereiche, wenn es darum geht, Wohnungen für diese Menschen zu finden.

Wohnungen für Ukrainer in Gelsenkirchen: Nicht jedes Angebot ist geeignet

Zum einen sind hier die angesprochenen Wohnungen, die sich Ukrainer selbst gesucht haben oder über Bekannte oder Helfer haben suchen lassen. Hier sind der Stadt 276 Fälle bekannt, von denen Stadträtin Henze zufolge mittlerweile 256 positiv beschieden werden konnten. Die Wohnungen dürfen eine bestimmte Größe und einen bestimmten Quadratmeterpreis nicht überschreiten, damit die Stadt die Kosten übernehmen kann. Lesen Sie auch: Wohnungen für Flüchtlinge: Wenn aus Not Profit gemacht wird

Hinzukommen rund 260 Wohnmöglichkeiten, die Privatleute der Stadt angeboten haben. „200 von diesen Wohnungen konnten wir als geeignet einstufen“, so Andrea Henze. Bei den anderen 60 habe es sich beispielsweise um nur vorübergehend freie Einzelzimmer oder ganze Häuser gehalten, die den Kostenrahmen völlig sprengen würden. 24 der 200 geeigneten Wohnungen (mit Platz für rund 50 Flüchtlinge) seien bereits vermittelt worden, bei 46 weiteren sei man in der Klärung.

Stadt Gelsenkirchen mietet selbst Wohnungen für ukrainische Flüchtlinge an

Der dritte große Bereich umfasst jene 66 Wohnungen, welche die Stadt selbst anmietet und von den großen Wohnungsgesellschaften in Gelsenkirchen zur Verfügung gestellt bekommen hat. 15 der Wohnungen sind Henze zufolge mittlerweile möbliert und bezogen. Dort leben laut Stadt weniger einzelne Familien oder Flüchtlinge. Vielmehr finden sich dort ukrainische Familien in kleinen Wohngemeinschaften zusammen. Henze will so „kleine Einheiten“ als Alternative zu den Sammelunterkünften schaffen. „Es braucht Orte, in denen die Mütter selbst kochen, die Kinder in Ruhe ihrer Hausaufgaben machen können.“ In den großen Unterkünften sei ein normales Familienleben nur schwer möglich.

Zu beobachten ist laut Andrea Henze, dass inzwischen mehr Familien äußern, an einem langfristigen Aufenthalt in Deutschland interessiert zu sein. „Zunächst hatten viele gesagt: Wir wollen schnellstmöglich zurück.“ Doch mit fortschreitender Dauer des Krieges hätte sich die Perspektive vieler Familien geändert.

Sammelunterkünfte für ukrainische Flüchtlinge: Stadt Gelsenkirchen hat noch viel Platz

Was die Sammelunterkünfte betrifft, ist die Stadt weiterhin weit entfernt von der Vollbelegung. Die Sporthalle an der Breddestraße, welche man vorsichtshalber schon einmal für den Sportbetrieb geschlossen hatte, ist weiterhin leer. 47 Menschen leben derzeit im Kloster St. Mariä Himmelfahrt, 165 in der ehemaligen Hauptschule an der Mehringstraße, 155 in der Emscher-Lippe-Halle und 83 in der Sporthalle am Wildenbruchplatz. Weitere 149 Menschen aus der Ukraine sind in den regulären Flüchtlingsunterkünften am Nordring und an der Adenauerallee untergebracht. Henze spricht insgesamt von noch etwa 500 freien Plätzen in der Stadt.

Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze in der Emscher-Lippe-Halle. Hier sind mittlerweile 155 Menschen untergebracht.
Gelsenkirchens Sozialdezernentin Andrea Henze in der Emscher-Lippe-Halle. Hier sind mittlerweile 155 Menschen untergebracht. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Derzeit allerdings kommen weitaus weniger Menschen nach Gelsenkirchen als noch vor einigen Wochen. Auch die Menschen, welche die Stadt zwecks gerechter landesweiter Verteilung von der Bezirksregierung Arnsberg zugewiesen bekommt, ist gesunken. Zuletzt seien der Stadt 14 Ukrainer zugewiesen worden, vor einigen Wochen noch seien es regelmäßig mehr als das doppelt so viele gewesen.

Bleibt der Zuzug so verhalten, wolle man etwa die Turnhalle an der Breddestraße als Sportstätte reaktivieren, teilte Henze mit. Bis Anfang August wolle man die Sporthalle aber mindestens als Notallunterkunft in Reserve behalten, um für einen nicht vorhersehbaren Massenzustrom vorbereitet zu sein.

Auffällig sei, dass auch die Menschen, die bereits den Schlüssel zu einer eigenen Wohnung erhalten haben, weiterhin regelmäßig zu den Sammelunterkünften kommen. Henze: „Es ist eine Gemeinschaft entstanden.“ Man werde mit den Flüchtlingshelfern vor Ort jedoch Möglichkeiten schaffen wollen, um die Treffpunkte eher von den Sammelunterkünften in Quartierstreffs zu verlagern.

Schutz vor Missbrauch

Ein Mitarbeiter einer Duisburger Sammelunterkunft soll zuletzt eine ukrainische Frau sexuell missbraucht haben. Wie schützt man Frauen in Gelsenkirchen vor vergleichbaren Delikten?„Alle Mitarbeitenden der Wohlfahrtsverbände müssen ihrem Arbeitgeber ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen“, sagte Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage. „Für die Mitarbeitenden des Sicherheitsdienstes gelten noch weitergehende Überprüfungen. Ein Führungszeugnis ist aber auch dort obligatorisch.“In den Unterkünften würde man zudem Informationsflyer und Plakate der Gleichstellungsstelle mit entsprechenden Hilfsangeboten auslegen. Schulmann: „Die Gleichstellungsstelle bietet auch wöchentliche Sprechstunden in den Unterkünften an.“