Gelsenkirchen. Nach dem „braunen Dreck“-Tweet beendet das Land die Kooperation mit Bahar Aslan. In Gelsenkirchen prallen Welten von Grünen und FDP aufeinander.
Die Gelsenkirchener Grünen zeigen sich „bestürzt“ über die Entlassung von Bahar Aslan als Lehrbeauftragte der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV). In einer Pressemitteilung fordert der örtliche Kreisverband das Innenministerium dazu auf, die „Kündigung zurückzunehmen und Bahar Aslan den Lehrauftrag wieder zu erteilen.“
Wie die WAZ Gelsenkirchen berichtete, hat die Hochschulleitung die Zusammenarbeit mit der umstrittenen Lehrerin beendet, weil sie auf Twitter darüber schrieb, dass „der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden“ ihr Angst bereite. Aslan war auch von 2019 bis 2023 als Hauptschullehrerin in Gelsenkirchen tätig. Von 2015 bis 2017 war die Kölnerin Sprecherin des Grünen-Ortsverbandes Ehrenfeld, bis heute ist sie Parteimitglied der Grünen.
Nicht unerwartet nehmen ihre Parteikollegen in Gelsenkirchen deshalb deutlich Stellung: Irene Mihalic, hiesige Bundestagsabgeordnete und ehemalige Polizistin, sprach hinsichtlich der Entlassung Aslans gegenüber der WAZ von einem „ungeheuerlichen Vorgang“. Dass man Aslan „ganz bewusst missverstehen wollte“ zeigten etwa Reaktionen wie die des GdP-Landesvorsitzenden Michael Mertens. Der Polizeigewerkschaftschef wertete Aslans Tweet als spalterisch und forderte eine „straf- und arbeitsrechtliche Prüfung“.
Entlassene Polizei-Dozentin wertet Entlassung als „Skandal“
„Was wir hier sehen, ist wirkliche Cancel Culture“, meint zudem die Parteivorsitzende Meltem Erdogrul. Statt sie dafür zu „bestrafen“, ihre Erlebnisse mit Rassismus zu teilen, „hätte man ihre Ansichten ernstnehmen können“, so Erdogrul in einer Pressemitteilung. Co-Vorstandssprecher Dennis Nawrot machte ergänzend darauf aufmerksam, dass Innenminister Herbert Reul in seiner Bestürzung über rechtsextreme Chats bei der Polizei selbst von einer „Schande“ gesprochen hatte. Der Unterschied zwischen ‚Schande‘ und ‚braunem Dreck‘ für dieselben Strukturen sei „nicht so erheblich“. Beim Entzug des Lehrauftrags habe das Ministerium „offenkundig das richtige Maß verloren“.
Der Vorgang stelle nicht weniger als „als die Werte der schwarz-grünen Koalition in Frage“, so Nawrot. In der Tat sorgt der Fall mittlerweile für Zerwürfnisse in der schwarz-grünen Landesregierung. Lesen Sie hier:„Brauner Dreck“-Vorwurf: Grüne wollen an Lehrerin festhalten
Bahar Aslan selbst wertete es derweil über Twitter als „Skandal“, dass ihr der Lehrauftrag entzogen wurde ohne vorher das Gespräch mit ihr zu suchen. „Die HSPV NRW hat bis zum heutigen Zeitpunkt nicht das Gespräch mit mir gesucht, trotz Gesprächsangebot“, teilte sie am Montagabend via Twitter mit. Erfreut zeigte sie sich wiederum über die Unterstützung und den Zuspruch, den sie neben den „Hass-Botschaften im Minutentakt“ ebenfalls erhalten hatte, insbesondere auch über Jobangebote von anderen Hochschulen. „Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun“, zeigte sie sich auch selbstkritisch.
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Die Polizeihochschule selbst ließ über einen Sprecher des Innenministeriums zuvor gegenüber der WAZ mitteilen, dass Bahar Aslan aufgrund ihrer Äußerungen „nicht mehr geeignet“ dafür sei, „eine vorurteilsfreie und fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln.“
Unterstützung bekommt die Hochschule für diese Entscheidung unter anderem auch von der Gelsenkirchener FDP. „Das Weltbild von Bahar Aslan scheint bedenklich einfach zu sein“, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraktion. Bei ihrem Tweet handele es sich um „übelstes Beamten-Bashing“ und eine „populistische Pauschalisierung“, die nicht zu dulden sei.
FDP Gelsenkirchen geht hart mit entlassener Dozentin ins Gericht
„Dass jemand mit einer solchen Überzeugung ausgerechnet an einer Polizeihochschule interkulturelle Kompetenzen lehren soll, ist nicht vermittelbar“, urteilt die Fraktionsvorsitzende der FDP, Susanne Cichos. „Die Rassismus-Keule ist einfach einzusetzen“, sagt Cichos. „Wer sie abfeuert, sollte aber wissen, wen sie trifft. Da erwarte ich die gleiche Empathie und Sensibilität, die Aslan für sich einfordert.“
„Wir wollen nicht abstreiten, dass es auch bei der Polizei vereinzelt rassistische Tendenzen oder Ansätze von Racial Profiling gibt“, ergänzte der ordnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Christoph Klug. „Aber um solche Probleme zu beseitigen, bedürfe es einer vernünftigen Debattenkultur und keiner verbalen Ausfälle gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund.“ Zudem kritisierte die FDP Aslans „Art von Öffentlichkeitsarbeit“. Auf ihrem Instagram-Profil etwa „richte sie sich ihrer in der Opferrolle ein“.
Nachdem Bahar Aslan Gelsenkirchen als Hauptschullehrerin Ende Januar verlassen hatte, reflektierte sie ihre Erfahrung in der Stadt ebenfalls über Instagram: „Der Alltag war tough und ich war mit diversen Problemlagen konfrontiert, die mich immer wieder herausgefordert und meine Geduld auf die Probe gestellt haben“, schrieb Aslan unter anderem. Insbesondere sei dies in Situationen der Fall gewesen, in denen sie „Klassismus und Rassismus“ im „institutionellen Umgang mit benachteiligten Schüler*innen“ erlebt habe. Nicht konkret ging sie dabei darauf ein, welche Erfahrungen mit Rassismus sie genau in ihrer alten Wirkungsstätte in Gelsenkirchen gemacht haben soll. Mittlerweile arbeitet sie als Lehrerin in Köln.