Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist in der Bundesregierung und in Reihen der Ampel-Koalitionäre prominent vertreten. Doch halten die Abgeordneten ihre Versprechen?
Als Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, und der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Markus Töns (SPD) nach der letzten Bundestagswahl im Interview mit der WAZ Gelsenkirchen berichteten, wofür sie im Namen der Gelsenkirchener Wählerinnen und Wähler im Bundestag und in der Bundesregierung einstehen wollen, da ahnte in Europa noch niemand, dass bald darauf ein Krieg Russlands gegen die Ukraine die europäische Wirtschafts-, Energie- und Sicherheitspolitik auf eine harte Probe stellen würde. Nach der vom Bundeskanzler ausgerufenen „Zeitenwende“ wurde den Ampelkoalitionären zunehmend klar, dass die Mittel für die versprochenen Veränderungen knapp werden.
Aktuell streiten sich vor allem Mihalics Grüne und Buschmanns FDP um die Kindergrundsicherung. „Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut und in Gelsenkirchen sind aktuell gar 42 Prozent der Kinder von Armut betroffen. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen. Daher ist es wichtig, dass vor allem der Bundesfinanzminister sich endlich eindeutig zur Kindergrundsicherung bekennt und ihre Umsetzung aktiv in die Wege leitet“, fordert die Bueranerin Mihalic.
Die frühere Polizistin und zweifache Mutter aus Gelsenkirchen betont: „Kinder sind unsere Zukunft und deshalb ist es wichtig, dass sie gerade in unserer Stadt auch eine gestaltbare Zukunft haben. Das ist der zentrale sozialpolitische Baustein im Fortschrittsprogramm der Ampel. Es ist unwürdig, wenn sich Familien in unserem reichen Land Schwimmbad- und Kinobesuche, Kleidungskäufe, Vereinszugehörigkeit und Ähnliches sparen müssen, weil sie in ständiger Existenzangst leben. Das schadet auch unserer Stadt und führt zu einer Abwärtsspirale.“
Irene Mihalic: „Als Abgeordneter für Gelsenkirchen kann es keinen kalt lassen, dass vielleicht bald jedes zweite Kind hier in Armut lebt.“
Mihalic richtet das Wort deshalb auch an ihren Gelsenkirchener Kollegen, in der Hoffnung, Justizminister Buschmann wirbt bei seinem Parteichef und guten Freund, Christian Lindner, um die Mittel, die nötig wären, um eines der Versprechen des Gelsenkirchener Abgeordneten-Trios zu verwirklichen. „Denn solche vom Bund ermöglichten Leistungen stärken auch die Kaufkraft und damit das gesellschaftliche Leben in unserer Stadt und führen uns ein Stück in Richtung der grundgesetzlich verbrieften gleichwertigen Lebensverhältnisse“, so Mihalic weiter. „Ich würde mir wünschen, dass mein geschätzter Gelsenkirchener Kollege sich in diesem Sinne für die Grundsicherung starkmacht. Als Abgeordneter für diese Stadt kann es keinen kalt lassen, dass vielleicht bald jedes zweite Kind hier in Armut lebt. Wer nicht möchte, dass Gelsenkirchen dauerhaft abgehängt wird, muss in die Kinder unserer Stadt investieren und ihnen Perspektiven eröffnen.“
Der Angesprochene ist angesichts dieser Äußerungen von Irene Mihalic indes doch einigermaßen verblüfft. „Ich finde diesen Aufruf dreifach kurios. Würde dahinter, erstens, der ehrliche Wunsch an mich stehen, hätte Kollegin Mihalic gewiss zum Telefon gegriffen. Zweitens hat das verantwortliche grüne Familienministerium bisher noch kein etatreifes Konzept der Kindergrundsicherung vorgelegt. Drittens muss die Politik endlich wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das sie hat. Nicht alles Wünschenswerte ist auch sofort finanzierbar. Das kennt jeder Mensch aus seinem täglichen Leben“, erklärt Bundesjustizminister Marco Buschmann gegenüber der WAZ.
Die Kindergrundsicherung soll im Wesentlichen verschiedene familienpolitische Leistungen zusammenfassen und die Nutzung unkomplizierter gestalten. Die Kosten sind mit gut zwölf Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt.