Gelsenkirchen. Dozentin Bahar Aslan, bis 2023 Lehrerin in Gelsenkirchen, steht nach einem Tweet im Feuer der Kritik. Das Innenministerium reagiert deutlich.

Auf einen umstrittenen Tweet folgte die Entlassung: Weil Polizeihochschuldozentin Bahar Aslan auf den „braunen Dreck“ innerhalb der Polizei aufmerksam machte, hält das NRW-Innenministerium sie nicht länger für tragbar. Während sich Aslan, die von 2019 bis 2023 an einer Hauptschule in Gelsenkirchen arbeitete und immer wieder Veranstaltungen zu Themen wie Rassismus oder Antisemitismus in Gelsenkirchen moderiert, als Opfer eines „heftigen rechten Shitstorms“ sieht, hatten zuvor bereits die CDU-Fraktion in NRW und die Gewerkschaft der Polizei personelle Konsequenzen gefordert.

„Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land“: So formulierte es die Kölnerin mit türkischen Wurzeln am 20. Mai beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Nachdem auf den Tweet viele harte Reaktionen, darunter auch viele Beleidigungen, folgten, ergänzte Aslan: „Totale Eskalation und das nur, weil ich als ,migrantische Frau’ meine Perspektive auf die Sicherheitsbehörden geteilt habe. Es tut mir sehr leid, dass die ganzen Meldungen u.a. über die rechtsextremen Chats mich zutiefst verunsichern und beängstigen.“ In den vergangenen Jahren gab es vor allem auch in NRW immer wieder Meldungen über Sicherheitsbeamte, die sich in Chats entsprechend geäußert hatten. Lesen Sie hierzu: Wieder Skandal um rechtsextreme Chats in der NRW-Polizei

CDU fordert Entlassung von Bahar Aslan als Lehrbeauftragte

Gregor Golland, Vizefraktionschef der CDU-Landtagsfraktion, hatte im Anschluss gegenüber Focus online gefordert, dass Bahar Aslan von ihrem Lehrauftrag an der Polizeihochschule entbunden wird. „Wer Hass und Hetze verbreitet, muss gehen“, wurde Golland in dem Nachrichtenportal zitiert. Der Kritik schloss sich auch Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), an. Er forderte ebenfalls gegenüber Focus online, Konsequenzen für Bahar Aslans Tätigkeit als Lehrbeauftragte zu ziehen: „Bei genauem Betrachten müssen diese Aussagen sowohl straf- als auch arbeitsrechtlich geprüft werden“, teilte er mit. Wer sich öffentlich so äußert, wolle die Gesellschaft spalten.

„Wer Hass und Hetze verbreitet, muss gehen“: Gregor Golland (CDU) fordert die Entlassung von Bahar Aslan als Lehrbeauftragte an der HSPV in NRW.
„Wer Hass und Hetze verbreitet, muss gehen“: Gregor Golland (CDU) fordert die Entlassung von Bahar Aslan als Lehrbeauftragte an der HSPV in NRW. © dpa | Rolf Vennenbernd

Gegenüber der WAZ äußerte sich auch Marc Lürbke, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag: „Es ist beschämend, wenn eine Lehrbeauftragte der Polizeihochschule unsere Polizistinnen und Polizisten unter einen braunen Generalverdacht stellt. Öffentlich Stimmung gegen Beamte zu machen, verbietet sich ausdrücklich in einer solchen Position. Diese Haltung ist aus meiner Sicht ein klares Ausschlusskriterium.“

Polarisierende Lehrerin: „Innenministerium ist vor einem rechten Mob eingeknickt“

Das ist es augenscheinlich auch für das Innenministerium. Einem Sprecher zufolge sei Aslan seit 2021 in Form eines nebenamtlichen Lehrauftrags für die Hochschule tätig gewesen. „In Folge der nun publik gewordenen Aussagen hat die HSPV NRW unmittelbar gehandelt und eine weitere Beauftragung mit sofortiger Wirkung beendet“, heißt es auf Anfrage der WAZ aus dem Ministerium. Es sei „von hoher Bedeutung“, den angehenden Beamten „eine vorurteilsfreie und fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln. Aus Sicht der Hochschulleitung ist Frau Aslan nach ihren aktuellen Äußerungen hierfür nicht mehr geeignet. Die Entbindung von ihrem Lehrauftrag ist daher die zwingende Konsequenz.“

„Das Innenministerium ist damit vor einem rechten Mob eingeknickt“, kommentierte Aslan selbst die Entscheidung gegenüber der WAZ. Stunden zuvor hatte sie noch gehofft, „dass das Ministerium Rückgrat zeigt und sich hinter mich stellt.“ Sie habe die Aussage lediglich als Privatperson getätigt. „Meine Äußerung hat mit dem Lehrauftrag nichts zu tun.“ Zudem seien ihr „die Wörter im Mund verdreht worden.“

HSPV-Lehrbeauftragte im Shitstorm: „Ich erhalte im Minutentakt Hassnachrichten“

So seien mit der Bezeichnung „brauner Dreck“ sicher nicht alle Polizistinnen und Polizisten gemeint gewesen, „sondern ausschließlich die Gesinnung der Beamt*innen, die menschenverachtend und rassistisch unterwegs sind“, erklärte Aslan auf Twitter. GdP-Chef Mertens warf Aslan vor, sie mit seinen Aussagen „bewusst in Gefährdungslage“ gebracht zu haben. Sie erhalte im „Minutentakt“ Hassnachrichten. Sein Verhalten rechtfertige eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Innenministerium.

Der WAZ gegenüber erklärte Aslan zudem, dass sie sich mit dem Tweet auf persönliche Erfahrung beziehe. „Neulich war eine Freundin in einer Polizeikontrolle und wurde sehr grob behandelt.“ Auch sie selbst machte „diskriminierende Erfahrungen“ mit der Polizei. Aufgrund der Meldungen über die vielen rechtsextremen Chats in der Behörde habe sie die Sorge, in einer Kontrolle an die Falschen zu geraten. „Konstruktive Kritik“ darüber, dass auch eine andere Formulierung als „brauner Dreck“ hätte gewählt werden können, könne sie nachvollziehen. „Aber das Thema ist bei mir emotional stark behaftet.“

„Volle Solidarität“ mit Bahar Aslan machten nach den vielen scharfen, bisweilen rassistisch-denunzierenden Reaktionen unter anderem die Gelsenkirchener Grünen-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Polizistin Irene Mihalic sowie die Schalker Fan-Initiative öffentlich. „Da wird Bahar Aslan Hass und Hetze vorgeworfen, weil sie sich ausdrücklich gegen Rassismus wendet. Darauf muss man erst einmal kommen!“, so Mihalic auf Twitter.