Gelsenkirchen. Volksbank Immobilien verkauft regelmäßig Luxus-Häuser auf der Insel an Gelsenkirchener. Wie der Markt in der Emscherstadt aussieht.

Hohe Arbeitslosigkeit, ausgeprägte Kinderarmut, schlechte Noten für die Lebensqualität: Gelsenkirchen hat seinen Ruf weg. Dass dies nur die eine Seite der Medaille ist, betonen viele, die gerne hier leben. Tatsächlich sind die Immobilienpreise vor Ort – im Gegensatz zum übrigen Revier – im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen. Und auch wer höchste Ansprüche hat, findet Angebote: Millionenteure Luxus-Immobilien auf Mallorca werden hier nicht nur regelmäßig inseriert – sondern auch von Gelsenkirchenern gekauft.

Eine stilvolle Villa mit unverbautem Meerblick für 1,9 Millionen Euro in Betlem? Oder doch lieber die ländlich gelegene 1,5-Millionen-Euro-Finca in Inca? Wer auf solche Inserate (nicht nur) bei der Volksbank Immobilien Rhein-Ruhr GmbH mit Hauptsitz an der Breddestraße in Buer stößt, mag sich wundern. Aber auch in der nicht ganz so solventen Emscherstadt, die bei vielen Rankings hinterste Plätze belegt, gibt es einen stabilen Markt dafür, so Geschäftsführer Frank Purrnhagen, „und das schon seit vielen Jahren.“

Gelsenkirchener Makler: Auslandsimmobilien werden nicht aus Not verkauft

Begehrte Objekte für junge Familien: Eigenheime – hier die Wohnsiedlung am Hafen Graf Bismarck in Gelsenkirchen – sind stark nachgefragt. Angesichts steigender Zinsen und hoher Baukosten können sich aber immer weniger Personen eine eigene Immobilie leisten.
Begehrte Objekte für junge Familien: Eigenheime – hier die Wohnsiedlung am Hafen Graf Bismarck in Gelsenkirchen – sind stark nachgefragt. Angesichts steigender Zinsen und hoher Baukosten können sich aber immer weniger Personen eine eigene Immobilie leisten. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Rund zehn Prozent ihres Umsatzes macht das vor 25 Jahren gegründete Unternehmen mit (auch günstigeren) Auslandsimmobilien, vorzugsweise mit Gebäuden oder Wohnungen auf Mallorca, teils aber auch in Andalusien oder in den Niederlanden. Um „Notverkäufe“ in wirtschaftlich schwierigen Zeiten handelt es sich dabei nach Angaben von Purrnhagen nicht. „Bei den Eigentümern ändert sich einfach der Lebenszyklus. Nach 20 Jahren vor Ort wollen manche etwa wieder zurück in die Heimat zur Familie, andere setzen sich kleiner oder größer.“

Die Käufer wiederum, die die Häuser nicht als Anlageobjekt, sondern als Zweitwohnsitz selbst nutzen – auch die aus dem imagegeschädigten Gelsenkirchen – verlagerten ihren Lebensmittelpunkt in den allerseltensten Fällen „für immer“ in die Inselidylle. „Die meisten pendeln hin und her, sind im Frühling und Herbst auf Mallorca, in den heißen Sommermonaten aber hier.“ Fluchten sehen anders aus.

Gelsenkirchener Makler: Nachfrage nach Auslandsimmobilien seit Corona hoch wie nie

Überhaupt: „Die Nachfrage nach Auslandsimmobilien ist seit Beginn der Corona-Krise so hoch wie noch nie. Da kommt es den Interessenten auch nicht auf 100.000 Euro mehr oder weniger an“, hat der Geschäftsführer festgestellt.

Der Immobilienmarkt in der Emscherstadt selbst, er sei ebenfalls „besser als Gelsenkirchens Ruf: Er funktioniert gut.“ Die „Trennung“ zwischen Norden und Süden finde sich in nahezu jeder Stadt. Dabei sei eben nicht nur Buer beliebt. „Auch die Parkstraße oder Zeppelinallee in der Altstadt sind stark nachgefragt. Immobilien dort erzielen vergleichbare Preise.“ Dass das neue Kreativquartier an der Bochumer Straße in Ückendorf besonders attraktiv für Immobilienkäufer ist, kann der Experte allerdings nicht behaupten. „Aber es ist ja auch noch im Umbau.“

Zinsen für Immobilien-Kredite haben sich auch in Gelsenkirchen vervierfacht

Schätzen den Gelsenkirchener Immobilienmarkt als „gut“ und „konstant“ ein: Frank Purrnhagen (Geschäftsführer Volksbank Immobilien, l.) sowie Liane Bottermann (Marketing), hier auf einem Archivfoto mit Matthias Marten (Vertrieb Ausland).
Schätzen den Gelsenkirchener Immobilienmarkt als „gut“ und „konstant“ ein: Frank Purrnhagen (Geschäftsführer Volksbank Immobilien, l.) sowie Liane Bottermann (Marketing), hier auf einem Archivfoto mit Matthias Marten (Vertrieb Ausland). © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Dass steigende Zinsen und Baukosten den Markt unter Druck setzen, spürt auch die Tochter der Volksbank Ruhr Mitte, die 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gelsenkirchen, Gladbeck, Oberhausen, Mülheim und Duisburg beschäftigt und ein Gebiet von Recklinghausen bis Ratingen abdeckt: Die Zahl der von ihr vermittelten Neubauten sei leicht rückläufig, auch Bauträger gingen „in Duckstellung“ und legten Projekte „auf Eis, um abzuwarten, wie sich die Situation weiterentwickelt.“

Kein Wunder: 2021 waren Kredite mit einer zehnjährigen Laufzeit noch für rund ein Prozent zu haben – heute sind es knapp über vier Prozent. Sprich: Zinsen und Tilgung übersteigen die finanziellen Möglichkeiten vieler Familien, die von einem Eigenheim träumen.

Experte: Kauf-Interessierte sollten Vorstellungen von Eigenheim-Größe überdenken

Wer sich dieses dann überhaupt noch leisten kann? „Wir empfehlen ein Eigenkapital von etwa 25 bis 30 Prozent vom Kaufpreis der Immobilie. Auch die Nebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Maklergebühren und Notarkosten sollten aus Rücklagen bezahlt werden können“, sagt er und rät zu einer soliden Finanz-Beratung, bei der nicht nur die Aufwendungen für das Darlehen, sondern auch die Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden. [Lesen Sie auch:Neuer Kalkulator: So teuer sind Immobilien in Gelsenkirchen]

„Früher reichte es für so manche Hauskäufer aus, auf den zweiten Urlaub im Jahr zu verzichten. Heute stellt sich immer mehr die Frage, ob noch genügend Geld für Lebensmittel und Kleidung zur Verfügung steht“, so Liane Bottermann, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Deshalb seien Interessierte auch „gut beraten, Wünsche zu überdenken: Muss es das frei stehende Einfamilienhaus sein – oder reicht auch eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus?“, meint Purrnhagen.

Angebot an privaten Bestandsimmobilien in Gelsenkirchen hat zugenommen

Insgesamt habe das Angebot an privaten Bestandsimmobilien in Gelsenkirchen zugenommen, „allerdings nicht unbedingt, weil die Verkäufer finanziell in die Knie gehen, sondern weil das Preisniveau immer noch so hoch ist, dass sie davon profitieren wollen.“ [Lesen Sie auch: Immobilien in Gelsenkirchen: Vermarktung ,im Rekordtempo’“]

Der aktuelle Preisspiegel des Immobilienverbands Deutschland (IVD) für NRW bestätigt dies: Ein frei stehendes Bestandseinfamilienhaus mit 125 Quadratmetern Wohnfläche in einer Lage mit ausgeglichener Bevölkerungsstruktur („mittlerer Wohnwert“) kostete sowohl 2022 als auch heute durchschnittlich 350.000 Euro, eine frei stehende Immobilie mit 150 Quadratmetern Wohnfläche in guter Wohnlage („guter Wohnwert“) jeweils 420.000 Euro.

Reihenhäuser und Eigentumswohnungen in Gelsenkirchen kosten mehr als noch 2022

Bei Bestandsreihenhäusern hingegen stieg der Preis von 290.000 auf 300.000 Euro (110 Quadratmeter, mittlerer Wohnwert) bzw. von 370.000 auf 385.000 Euro (120 Quadratmeter, guter Wohnwert).

Etwas tiefer in die Tasche greifen müssen auch die Erwerber von Bestandseigentumswohnungen: 1150 Euro pro Quadratmeter waren es 2022 bei einer 80 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnung (mittlerer Wohnwert), heute sind es 1180. Bei einer Einheit mit gutem Wohnwert sind es mit 2400 Euro pro Quadratmeter 100 Euro mehr als noch vor einem Jahr.

Gelsenkirchener Fachmann rät von Preispoker ab

Spürbar teurer sind Neubau-Eigentumswohnungen: 2900 Euro kostete der Quadratmeter bei mittlerem Wohnwert 2022, heute sind es 3000 Euro (guter Wohnwert: 3300 Euro/Quadratmeter in 2022, 3400 Euro/Quadratmeter 2023).

Höhere Zinsen, hohe Baukosten: Sollen Kauf-Interessierte also pokern und auf bessere Preise hoffen? „Davon würde ich eher abraten“, so Purrnhagen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Preise auf dem jetzigen Niveau einpendeln und die Zinsen nicht günstiger werden. Wer kaufen will und kann, sollte jetzt auch zugreifen.“