Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen baut ihre digitale Kontrolle auf Spielplätzen aus und geht dabei wieder neue Wege. Genervte Anwohner sind noch skeptisch.
Es ist ein Projekt, das mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgt: Die Stadt Gelsenkirchen überwacht seit Neuestem mehrere besonders von Vandalismus und Ruhestörung betroffene Spiel- und Bolzplätze sowie Schulhöfe mit smarter Technik – und hat dabei nun weitere neue Schritte eingeleitet. Erstmalig kommen jetzt auch solarbetriebene Geräuschsensoren zum Einsatz, und zwar am Bolzplatz an der Caubstraße in Schalke-Nord. Denn: Anwohner müssen dort „ständig den Ordnungsdienst rufen, weil hier bis mitten in der Nacht gekickt wird“, ärgert sich Familie Kuhfeldt, die direkt gegenüber vom Bolzplatz wohnt – aber noch skeptisch ist, ob die neue Technik den Ärger mindert.
„Wir wurden sogar schon mal um vier Uhr morgens aus dem Schlaf geschossen“, erzählt Sabrina Kuhfeldt. In dunklen Stunden würden junge Erwachsene den Platz einfach mit ihren Autos ausleuchten und loskicken. „Die sind hier rund um die Uhr“, ärgert sich die Schalkerin, die sich durch den sogenannten „Affenkäfig“, der hier 2020 errichtet wurde, ohnehin dauerhaft gestört fühlt. Wie auch ihr Mann Dirk. „Der Platz wurde völlig falsch geplant“, meint er. Das Dauerkicken gegen die Wände sei den ganzen Tag über störend, an Lärmschutz sei nicht hinreichend gedacht worden. Dass sich der Platz aber auch nach Einbruch der Dunkelheit zum beliebten Ort zum Abhängen entwickelt habe, setze dem Ganzen die Krone auf.
Ordnungsdienst in Gelsenkirchen bekommt Warnmeldungen per WLAN
Die Leitstelle des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) ist bei den Kuhfeldts deswegen eine häufig gewählte Nummer. Allerdings rücke der KOD bei einer Beschwerde nur selten aus, behauptet das Ehepaar, das deswegen sogar eine Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht hat. „Der Ordnungsdienst ist offenbar überlastet und überfordert“, stellt Sabrina Kuhfeldt ihre Diagnose. Skeptisch sind sie und ihr Mann, ob die neue Technik an der Situation daran etwas ändern wird.
Ruhestörung an der Caubstraße: Das sagt die Stadt
Bei dem Bolzplatz an der Caubstraße gebe es während der erlaubten Nutzungszeiten „keine Probleme mit Lärmüberschreitung“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann zu den Beschwerden der Familie Kuhfeldt. Der Lärm durch das Gekicke sei „bei weitem nicht so hoch wie jener der anliegenden Autobahn.“ Zudem sei die Stadt „sehr froh“, dass sie den von „Schalke Hilft“ gesponserten Platz den Kindern zur Verfügung stellen könne. Der erst 2020 neu gestaltete Bolzplatz habe „oberstes Niveau.“
Ein Problem sei aber in der Tat die Nutzung des Platzes nach 20 Uhr, die Kindern und Jugendlichen gerade an langen Sommertagen eben schwer zu vermitteln sei. Deshalb habe die Stadt die Caubstraße schließlich auch für die Radarüberwachung ausgewählt.
Zumindest verfolgt diese das Ziel, den personell zwar zuletzt stark aufgestockten, aber eben immer noch schwer beschäftigten KOD künftig effizienter einzusetzen. An der Caubstraße soll es fortan wie folgt laufen: Die solarbetriebenen Lautsprecher stellen fest, wenn jemand hier zu viel Krach macht. Per WLAN wird dann eine Meldung an den KOD geschickt. So sollen sich nicht nur gefrustete Anwohner den Anruf beim Ordnungsdienst sparen können, auch braucht dieser nicht mehr auf Streife gehen, um per Zufall Zeuge von Ordnungswidrigkeiten zu werden. Er braucht also nur dann tätig werden, wenn automatisch generierte Meldungen einlaufen.
Sicherheit und Ordnung: Stadt Gelsenkirchen arbeitet mit künstlicher Intelligenz
An anderen Standorten in Gelsenkirchen wird bislang eine Radartechnik verwendet. Diese funktioniert ganz ähnlich, hier bekommt die Leitstelle etwa eine Meldung, wenn sich jemand nach 20 Uhr, also nach erlaubter Nutzungszeit, auf Spiel- oder Bolzplätzen aufhält. Erfasst wird jene Person dann als Punkt auf einem Radar. Die Stadt bezeichnet das Projekt als „KI meets Ordnung“, also „Künstliche Intelligenz trifft Ordnung“. Denn: Bevor die Daten an den Ordnungsdienst weitergegeben werden, werden sie erst digital verarbeitet und analysiert.
Ausgestattet wurde mit der Radartechnik zuallererst im November der oft von Vandalen heimgesuchte Schulhof der Turmschule in Rotthausen. Es folgten die Grundschulen an der Grillostraße und am Dörmannsweg – und dann schließlich im März der erste überwachte Spielplatz an der Robert-Koch-Straße in der Innenstadt. Hier hat die Stadt die Radartechnik zum ersten Mal mit einem Lichtsensor gepaart. Das heißt: Wer den Spielplatz unrechtmäßig betritt, erscheint nicht nur auf einem Radar, sondern soll auch durch Licht in unterschiedlichen Stärken verscheucht werden.
Nach dem ersten Testbetrieb läuft diese Technik an der Robert-Koch-Straße mittlerweile „in Echtbetrieb“, wie Thomas Richter, Leiter der KOD-Leitstelle, auf Nachfrage mitteilt. Vereinzelt habe der Ordnungsdienst bereits Verwarnungsgelder erteilt, nachdem er Meldungen über die smarte Technik erhalten hatte. Für eine Bilanz sei es aber viel zu früh. „Jetzt geht es erst richtig los. Die nächsten Wochen werden spannend“, sagt Richter. Denn mit längeren Tagen und höheren Temperaturen würden sich nun mal auch viel mehr Unruhestifter bis tief in die Nacht an Orten aufhalten, wo sie es gar nicht dürfen.
Stadt Gelsenkirchen arbeitet mit Lichtsensorik, Radarüberwachung und Lautstärkemessung
Deswegen blickt auch Anwohner Werner Muss gespannt auf die nächsten Wochen. „Solange das Wetter schlecht ist, ist ja sowieso keiner da“, sagt der Gelsenkirchener, der sich im Sommer oft über lärmende Jugendliche hier an der Robert-Koch-Straße ärgert. Seine Hoffnung: „Dass das mit dem Radar Erfolg hat.“
Folgen soll die Radar-Technik „in den nächsten 14 Tagen“ dann auch auf dem Spielplatz an der Carl-Mosterts-Straße in Ückendorf. An der Elisabethstraße in der City, wo sie auch eingesetzt werden soll, kommt es laut Richter allerdings zur Verzögerung. Denn hier soll nur mit der Lichtsensorik- und nicht mit der Radartechnik gearbeitet werden. „Bei dieser Technik haben wir noch nicht so viel Erfahrung“, so der Leiter der Leitstelle.