Gelsenkirchen. Ambulante HNO-Operationen bei Kindern werden zu schlecht bezahlt, klagen Hals-Nasen-Ohrenärzte. Doch ihr Protest hat Folgen für die Kinder.

Der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte in Deutschland hat seine Mitglieder zum Protest aufgerufen. Der Anlass: Die Vergütungen für ambulante Operationen bei Kindern wie das Einsetzen von Paukenröhrchen und Entfernen der Rachenmandeln sind zum Jahresbeginn reduziert worden. Und zwar von einem ohnehin viel zu niedrigen Niveau aus reduziert, weshalb sich das ambulante Operieren überhaupt nicht mehr rechne, die Ärzte noch draufzahlten angesichts ständig steigender Kosten für die Praxen, klagt der Verband. In Gelsenkirchen haben die allermeisten niedergelassenen Ärzte längst aufgehört, ambulant zu operieren.

Nur im Marienhospital Gelsenkirchen werden noch Paukenröhrchen eingesetzt

Aufgehört haben sie zwar aus verschiedenen Gründen, meist aber tatsächlich, weil es sich einfach nicht lohnt. Lediglich zwei Ärztinnen einer Praxis, die für die Operationen als angestellte Ärztinnen mit einer Zehn-Prozent-Stelle am Marienhospital Gelsenkirchen operieren, nehmen weiterhin ambulante Paukenerguss-Operationen vor. Am Marienhospital Gelsenkirchen selbst wird zwar weiterhin auch ambulant operiert in dem Bereich.

Aber: „Wir machen jetzt nicht mehr Operationen als vor der Reduzierung. Wir operieren täglich vier Kinder mit Paukenröhrchen oder einer Entfernung eines Teils der Rachenmandeln (Tonsillotomie), so, wie wir es immer getan haben. Und obwohl wir festgestellt haben, dass die Nachfrage aktuell steigt, steigern wir die Zahl der OPs nicht, um die Aktion des Berufsverbandes nicht zu torpedieren. Auch wir Chefärzte sind zum Streik aufgerufen worden, aber wir operieren die Fälle, wo es wirklich drängend ist“, erklärt Dr. Philipp Dost, Chefarzt der HNO-Klinik am Marienhospital Gelsenkirchen.

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Tatsächlich rechneten sich ambulante Operationen auch für Kliniken nicht, so Dost, dennoch habe der Träger entschieden, diese weiterhin durchzuführen. „Das ist ja auch Teil der Ausbildung unserer Assistenzärzte und in der Mischkalkulation mit stationären Eingriffen ist das auch machbar. Trotzdem zahlen die Krankenhäuser dabei drauf. Aber für niedergelassene Ärzte lohnt es gar nicht, nur über große ambulante OP-Zentren“, versichert er. Solche gibt es in Gelsenkirchen aber gar nicht. Und auch im Klinikbereich werden diese Eingriffe nur im Marienhospital durchgeführt.

Lange Wartezeit bei Paukenergüssen behindern Sprachentwicklung

Abgesehen von dem Streikaufruf, der die Wartelisten für solche Eingriffe bei Kindern länger werden lässt, gibt es aktuell scheinbar auch einen Nachholeffekt aus der Corona-Zeit, wo viele Eltern medizinische Eingriffe wenn irgend möglich verschoben haben. Aber wie wirkt sich das Warten auf einen Operationstermin auf die Kinder aus?

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„Viele Eltern sind nicht böse, wenn ihr Kind als stationärer Patient doch über Nacht in der Klinik bleiben kann, auch wenn der Eingriff eigentlich nicht gefährlich ist. Sie fühlen sich dann sicherer“, hat Philipp Dost beobachtet. Auch Kinderärztin Dr. Katharina Walter hat diese Erfahrung gemacht. „Aber die langen Wartelisten, die es mittlerweile deshalb gibt, sind nicht gut. Wenn ein Kind Paukenröhrchen benötigt, weil es sonst wegen eines schweren Paukenergusses nicht gut hören kann, hat das Folgen. Die Paukenergüsse kommen ja bei den meisten Kindern in dem Alter, in dem sie richtig sprechen lernen. Eigentlich sollte so ein Eingriff binnen vier Wochen gemacht werden. Denn wenn das Kind in dem Alter nicht gut hören kann, behindert das seine Sprachentwicklung. Wartezeiten bis zu einem halben Jahr sind dafür viel zu lang“, versichert sie.

Henning Keimer, selbst niedergelassener HNO-Arzt und Bezirksvorsitzender des Berufsverbandes, operiert ebenfalls nicht mehr ambulant. Unter anderem weil es sich nicht lohnt. Für ihn ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Vergütung noch einmal reduziert wurde. „Die Klinikreform von Herrn Lauterbach zielt unter anderem darauf ab, mehr ambulante Operationen anzubieten, um unnötige kostenträchtige stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Wenn das ambulante Operieren aber kostendeckend kaum möglich ist, wirkt das doch kontraproduktiv“, klagt er.