Gelsenkirchen. Der Bund will die Zahl der Notaufnahmen stark reduzieren, Notfälle telefonisch vorsortieren. Was Gelsenkirchener Kliniken und Ärzte davon halten.

Die Krankenhausfinanzierung wird neu aufgestellt, das steht fest. Wie genau das aussehen wird, inwieweit Bundes- und/oder Landesreformpläne zum Tragen kommen werden, ist noch offen. Wenn es nach Bundesgesundheitsminister Lauterbach geht, wird auch die Zahl der Notaufnahmen drastisch reduziert. In Gelsenkirchen gibt es aktuell vier Notaufnahmen: Am Bergmannsheil Buer, an den Evangelischen Kliniken an der Munkelstraße, am Marienhospital Gelsenkirchen und am St. Marien Hospital Buer.

Sortierung in der Portalpraxis vor Ort in der Klinik

In Buer – am überregionalen Traumazentrum – gibt es eine Portalpraxis: Notfallpatienten werden je nach Schwere des Falls entweder der ärztlichen Notdienstversorgung im Haus, die von niedergelassenen Ärzten bestückt wird, zugeleitet oder in der Notaufnahme versorgt. Auch im Marienhospital in Ückendorf sitzen hausärztlicher Notdienst und Notfallambulanz unter einem Dach. Welche Auswirkungen haben die verschiedenen Reformpläne für Gelsenkirchener Patienten, Kliniken und niedergelassene Ärzte?

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Das Evangelische Klinikum Gelsenkirchen hat zwar keine Portalpraxis, sieht seine zentrale Notaufnahme als einzige Klinik in der Stadt mit einer Stroke Unit, entsprechender Intensivversorgung und neurologischer Frührehabilitation aber als unverzichtbar. „Das Evangelische Klinikum Gelsenkirchen ist aufgrund seines umfangreichen Leistungsangebots absolut bedarfsnotwendig und versorgt jährlich rund 17.000 Patienten stationär und 75.000 Patienten ambulant,“ betont EvK-Geschäftsführer Olaf Walter. Man sei sicher, dass das Land wegweisend bei der Reform ist. Aktuell sei die neue Krankenhausplanung des Landes NRW auch Grundlage für mögliche Veränderungen im Leistungsangebot des Klinikums. Die Notfallversorgung sei nicht Bestandteil der neuen Landeskrankenhausplanung, weshalb hier keine Veränderung stattfinden werde.

Stroke Unit und Strahlentherapie wird weiter ausgebaut

„Um sich für die bevorstehenden demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu wappnen, bauen wir verstärkt die Bereiche Tumorchirurgie und Strahlentherapie, unsere zertifizierte Stroke Unit und die Neurologische Frührehabilitation aus. Hierbei setzen wir auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen und auch mit anderen Häusern“, so Walter. Vor allem bei kritischen Situationen wie bei einem Schlaganfall sei schnelle interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend.

Laut Entwurf der Bundesregierung ist für höhere Level von Kliniken das Vorhandensein bestimmter Disziplinen in einem Haus notwendig, die in Gänze aktuell keine Klinik in Gelsenkirchen vorhält, unter anderem etwa eine Stroke Unit plus Geburtsabteilung im gleichen Haus.

Am Bergmannsheil Buer gibt es eine Portalpraxis, die vor Ort je nach Bedarf der richtigen Notfallversorgung zuordnet.
Am Bergmannsheil Buer gibt es eine Portalpraxis, die vor Ort je nach Bedarf der richtigen Notfallversorgung zuordnet. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Das Bergmannsheil Buer sieht sich ebenfalls gut gewappnet für die Reformen. Man erfülle die geforderten Qualitätsstandards und sehe im neuen Krankenhausplan die Chance, „unseren Medizinstandort weiter zu entwickeln und sind von unserer Expertise in den Leistungsbereichen und Leistungsgruppen überzeugt“, so Geschäftsführer Stephan Grave.

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Vor allem die bessere Finanzierung der stationären Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin begrüße man sehr. In der Kinder- und Jugendmedizin punkte man durch Spezialisierung in Kinderneurochirurgie, -intensivmedizin, -gastroenterologie und Neuropädiatrie. Die Allgemeinpädiatrie stelle gerade in der Hochphase der Virusinfektionen bei den Kleinsten ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis.

Die geforderte enge Zusammenarbeit mit dem ambulanten Bereich erfülle man seit Jahren als Netzkrankenhaus im Prosper-Netz der Knappschaft, das eine sektorenübergreifende und integrierte Versorgung sicherstelle. „Im Medical Center praktizieren seit 2005 niedergelassene Ärzte verschiedenster Fachrichtungen, mit denen wir als Klinik eng kooperieren. Sie nutzen etwa unsere medizinische Infrastruktur und Dienstleistungen. Die Patienten profitieren vom Angebot kompletter Behandlungsketten“, versichert Grave. Die Gründung Medizinischer Versorgungszentren sei im Verbund geplant.

In der Debatte um die Zukunft der Notaufnahmen sieht sich auch das Marienhospital Gelsenkirchen, auch als Notarztstandort, bestens aufgestellt. „Dafür sprechen die qualitativen (Haus der erweiterten Notfallversorgung Stufe II) und quantitativen Leistungsdaten (ca. 30.000 Patienten in der Notaufnahme pro Jahr) unseres Hauses“, erklärt Sprecher Wolfgang Heinberg.

Vor allem die 24-Stunden-Herzkatheter-Bereitschaft mit spezieller Überwachungsstation (Chestpain-Unit), die 24-Stunden-Endoskopie-Bereitschaft und die Schockraum- und Traumaversorgung bei Unfällen seien profunde Gründe die für den Notfallstandort am Marienhospital sprächen. Eine Stärke ist aus Sicht der Klinik auch die nicht traumatologische Schockraumversorgung z.B. bei Herzinfarkten oder schweren Lungenerkrankungen, die Notaufnahmestation (6 Betten), die vorgehaltenen, umfangreichen Ultraschall- und röntgendiagnostischen Verfahren (24 Stunden CT- und MRT Verfügbarkeit) und die Notfallversorgung für Kinder.

Hausarzt: Ganztägig geöffnete Portalpraxen wären ideal, aber personell nicht machbar

Die Medizinerfamilie – hier Simon mit Ehefrau Fatma und Vater Werner – Kirchberg versorgt bereits seit 1912 als Hausarztpraxis die Ückendorfer.
Die Medizinerfamilie – hier Simon mit Ehefrau Fatma und Vater Werner – Kirchberg versorgt bereits seit 1912 als Hausarztpraxis die Ückendorfer. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Der Sprecher der Hausärzte in Gelsenkirchen, Simon Kirchberg, befürchtet ein Chaos, wenn, wie von Karl Lauterbach vorgeschlagen, die Zahl der Notaufnahmen extrem reduziert würde und es zu einer telefonischen Vorsortierung der Patienten komme. „Es wäre natürlich eine große Entlastung, wenn die Patienten Eigenverantwortung übernehmen. Und nicht mit Schmerzen in die Notaufnahme kommen, die schon mehrere Tage bestehen. Aber eine Notaufnahme kann keinen Patienten ablehnen, schon gar nicht einen, der etwa mit Brustschmerzen kommt. Das ist schwer einschätzbar, erst recht am Telefon,“ erklärt Kirchberg.

Das Modell der Portalpraxen, wo vor Ort sortiert wird, funktioniere sehr gut. Ideal wäre, diese beiden Modelle in Gestalt einer integrierten Leitstelle an Kliniken ganztägig geöffnet zu halten. Doch das könne von den niedergelassen Ärzten mangels Personal nicht gewährleistet werden, bedauert Kirchberg. „Manchmal nutzten Patienten auch die Notaufnahme, weil sie zu lange auf einen Facharzttermin etwa in der Kardiologie warten müssen. Aber da gehen die meisten von einer falschen Annahme aus. Auch in der Notfallambulanz am Krankenhaus wird nur Notfallversorgung betrieben, ein EKG geschrieben und Blut abgenommen. Das kann der Hausarzt auch, er wäre als Ansprechpartner also der richtige Weg“, versichert Kirchberg. Und wenn dieser zeitnahen Handlungsbedarf feststelle, gebe es sicher auch Möglichkeiten, fachärztlich versorgt zu werden.