Gelsenkirchen. Gelsenkirchener St. Augustinus-Gruppe setzt für die Klinikreformen auf Innovationen und Konsens. Welche Bereiche nicht verhandelbar sind.

Für die einen ist es ein Damoklesschwert, das über ihren Kliniken schwebt, für andere ein Lichtblick in harten Zeiten mit zum Beispiel dramatisch überlasteten Kinderkliniken. Für die St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH sind die angekündigten Reformen auch ein Anlass, etwas Neues zu versuchen. Es geht um die Krankenhausreformen, die Bund und Nordrhein-Westfalen ansteuern, um das so teure und trotzdem unterfinanzierte System solider aufzustellen.

Erste Stadtteilklinik im Land mit stationärem und ambulantem Angebot

Im Sommer 2023 soll im Essener Norden, in Stoppenberg, die – mit Ausnahme von Hamburg – erste und einzige Stadtteilklinik eröffnen. In geteilter Trägerschaft der Gelsenkirchener St. Augustinus-Gruppe und der Stadt Essen, in Zusammenarbeit mit bereits niedergelassenen Ärzten vor Ort. Das Konzept sieht vor, wie in der NRW-Reform erwünscht, ambulante und wohnortnahe stationäre Versorgung zu verzahnen. 30 stationäre Betten stehen zur Verfügung, vorwiegend für Patienten der Inneren Medizin. Auch onkologische Therapien könnten hier laufen, abgestimmt mit den jeweiligen Fachkliniken des nahe gelegenen Marienhospitals Gelsenkirchen als Partner und Backup. Geplante, größere Operationen werden in der Klinik nicht stattfinden, aber kleinere chirurgische Eingriffe seien ambulant durchaus machbar laut Konzept. [Lesen Sie dazu auch: Ambulante Verzahnung ist am Bergmannsheil Buer schon Standard]

Der Geschäftsführer der St. Augustinus GmbH, Hendrik Nordholt, ist zuversichtlich, dass die Klinikträger sich im Rahmen der Krankenhausreformen einigen können über den Erhalt von spezialisierten Bereichen.
Der Geschäftsführer der St. Augustinus GmbH, Hendrik Nordholt, ist zuversichtlich, dass die Klinikträger sich im Rahmen der Krankenhausreformen einigen können über den Erhalt von spezialisierten Bereichen. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Dass die sektorübergreifende Zusammenarbeit vom Bundesausschuss genehmigt wurde, obwohl die NRW-Reformpläne gerade für die wohnortnahe Versorgung strikte Versorgungsgebiete vorsieht, ist der extremen stationären Unterversorgung des Stadtteils geschuldet, seit zwei Kliniken dort schließen mussten und sich in Essen kein alternativer Betreiber fand. St. Augustinus hatte nach den Schließungen drei Chefärzte samt Team ans Marienhospital geholt. Die Verbindung zu Essen besteht also bereits. „Auch die Uni-Klinik Essen, die Krupp-Kliniken und die Kliniken Essen Mitte waren als Partner für die Stadtteilklinik von der Stadt Essen angefragt worden, aber es erklärte sich keiner bereit“, erläutert St. Augustinus-Geschäftsführer Hendrik Nordholt und folgert „wir sind eben progressiver als andere“.

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In Stoppenberg sei auch das Essener Ärztenetzwerk als Gesellschafter willkommen, es gehe um Akzeptanz und Kooperation mit den Niedergelassenen vor Ort, so Nordholt. Der Einstieg in die ambulante Versorgung sei zudem kein Neuland für St. Augustinus. Seit 2020 gibt es eine MVZ (medizinische Versorgungszentren) GmbH mit Standorten in Wattenscheid, Essen und Bottrop. „Nicht als Konkurrenz zu niedergelassenen Ärzten, sondern mit ihnen“, betont der Geschäftsführer.

Auch in Gelsenkirchen sieht sich St. Augustinus mit seinen vier Kliniken gut für die Reformen gewappnet. Man habe fachliche Spezialisierungen seit Jahren vorangetrieben und auch durch Zertifizierungen als Zentren belegt. „Etwa das soeben zertifizierte Tumor-Centrum unter Leitung von Privat-Dozent Dr. Meckenstock. Die Zertifizierung gilt für viele Bereiche, von Magen-Darm-Tumoren , Leber und Bauchspeicheldrüsen-, Lungen- und Blutkrebs bis zu Tumoren der Genitalorgane. Diese exzellente Expertise für hochkomplexe Leistungen darf nicht abfließen aus Gelsenkirchen“, warnt Nordholt. [Lesen Sie dazu: Gelsenkirchener Kliniken müssen sich harter Auswahl stellen]

Welche Expertise unbedingt in Gelsenkirchen bleiben muss

Er ist auch optimistisch, dass ein Konsens mit den anderen beiden Klinikträgern in der Stadt zur Aufteilung der Kompetenzen gefunden werden kann, Gelsenkirchener Träger seien konsensfähiger als anderswo. „Bereiche wie große Herzchirurgie und Transplantationsmedizin wird es in Gelsenkirchen sicher nicht geben. Aber hochkomplexe Kardiologie, das Endoprothetik-Zentrum, Pankreaschirurgie (Bauchspeicheldrüse, Anm. d. Red.), Onkologie und Neurochirurgie müssen in der Emscher-Lippe-Region erhalten bleiben“, fordert er. Ob das etwa bei St. Augustinus wie bei Kniegelenksersatz aktuell üblich, an zwei Standorten machbar bleibt oder auf ein Haus konzentriert werden muss, werde man sehen. Auf den Hinweis, dass etwa die Neurochirurgie nicht bei St. Augustinus, sondern am Bergmannsheil angesiedelt ist, reagiert Nordholt so: „Es muss ja nicht alles bei uns sein, ich sagte ja, es geht um einen Konsens.“