Gelsenkirchen. Die letzten Monate in Gelsenkirchen waren geprägt von Meldungen über Kinder und Jugendliche, die andere Teenager überfallen. Wer sind die Täter?

300 Identitätsfeststellungen, 30 Gefährderansprachen, 99 Strafanzeigen, 26 Ordnungswidrigkeitenanzeigen, 176 Platzverweise. Das sind aktuelle Zahlen, die die nordrhein-westfälische Landesregierung Anfang 2023 mit Blick auf die Jugendkriminalität auflistet, die seit Herbst die Nachrichtenlage in Gelsenkirchen dominiert.

Nach einer Reihe von Berichten in der WAZ über Jugendliche und Kinder, die andere Kinder und Jugendliche bedrohen, schlagen und ausrauben, hatte vor einigen Wochen zunächst der Gelsenkirchener SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeierdas Thema in den Innenausschuss des Landtags getragen und wollte wissen, wie Innenminister Herbert Reul (CDU) helfen will, um der aufflammenden Jugendkriminalität in Gelsenkirchen Einhalt zu gebieten. Auch die Grüne Landtagsabgeordnete aus Gelsenkirchen, Ilayda Bostancieri, fragte nach den Einsatz- und Präventionskonzepten. Nun legte überdies die AfD nach und verlangte von der Landesregierung ihrerseits Antworten auf die selben Fragen.

Hinlänglich bekannt ist, dass die Polizei im Herbst die Ermittlungskommission „König“ (benannt nach dem Heinrich-König-Platz als einem neuralgischen Tatort) eingerichtet hat, dass Kräfte einer Hundertschaft zur Unterstützung herangezogen wurden, dass bis Mitte Dezember 26 Verdächtige ausgemacht wurden, die elf bis 17 Jahre alt sind und ihre Opfer im Schnitt zwei Jahre jünger, dass im Dezember eine Konferenz unter dem Titel „Sichere Schule“ mit Schulleitungen weiterführender Schulen, der Schulformsprecher der Grundschulen, Vertreter des Gelsenkirchener Bildungsreferates und der Schulaufsicht Münster, Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst tagte.

Raubüberfälle auf Kinder: Jugendbanden plagen Gelsenkirchen

Weiterhin unbeantwortet sind indes einige drängende Fragen nach den Tätern: Wer sind diejenigen, die in so jungen Jahren in Gelsenkirchen andere Kinder auch mit Waffen bedrohen und ausrauben? Welche Gemeinsamkeiten weisen die Täter – außer ihres Alters – auf? Was wissen Polizei und Innenministerium über den Hintergrund der Tatverdächtigen? Welche Schlüsse zur Prävention lassen sich daraus ziehen?

Mehr zum Thema:

Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums verweist auf Nachfrage der Redaktion auf die Gelsenkirchener Polizei. Dort lägen die erfragten Informationen vor.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt und auf TikTok. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Aus dem Präsidium heißt es auf mehrfache Nachfrage nun, dass das Wissen um die Staatsangehörigkeiten der Täter für die Ermittlungen nicht von Belang sei. Die Staatsangehörigkeiten stehen, wenn bekannt, fest und werden nach Abschluss der Maßnahmen in die Kriminalstatistik einfließen.

„Allerdings steht fest, dass es bislang insgesamt 53 Tatverdächtige gibt. 51 von ihnen sind männlich und zwei weiblich. 13 Tatverdächtige sind Kinder unter 14 Jahre, 38 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren und zwei Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren“, so ein Sprecher der Gelsenkirchener Polizei zum Stand der Ermittlungen am 4. Januar.

Jugendkriminalität in Gelsenkirchen: Polizei spricht von heterogener Täter-Gruppe

Die Täter-Gruppe stelle sich weiterhin als heterogen dar. Einzelne Rädelsführer seien nicht zu erkennen. Es handele sich um Personen mit und ohne Migrationshintergrund. „Viele der Täter mit Migrationshintergrund sind in Gelsenkirchen geboren. Bei den Staatsangehörigkeiten wurden insbesondere folgende Länder festgestellt: Deutschland, Libanon, Türkei, Syrien, Nigeria, Albanien, Irak, Bulgarien, Rumänien, Serbien, Bosnien, Italien, Spanien, Polen und Russland.“

Darüber hinaus werde die Polizei Gelsenkirchen natürlich auch präventiv tätig, unter anderem mit der NRW-Initiative „Kurve kriegen“ zur Verhinderung von Jugendkriminalität. „Gemeinsam mit pädagogischen Fachkräften soll der Entstehung von Intensivtäterkarrieren vorgebeugt werden“, heißt es aus der Behörde.

Den Opfern gibt die Polizei allgemeine Hinweise zur Verhaltensprävention, wie lautes Hilferufen, weglaufen, Notruf wählen mit auf den Weg. „Spezifische Verhaltensprävention für Kinder gibt es nicht. Hier kommt es gerade auf erwachsene Zeugen an, die unmittelbar den Notruf betätigen sollen und als Zeugen zur Verfügung stehen. Wenn Kinder und Jugendliche Straftaten begehen, ist es erforderlich, den erzieherischen Effekt in den Vordergrund zu stellen und die Gründe hierfür herauszuarbeiten. Allerdings wurden bislang im Rahmen der Ermittlungskommission mehrere U-Haftbefehle vollstreckt. Das ist im Bereich der Jugendkriminalität eher ungewöhnlich“, so der Polizeisprecher.

Gleichzeitig würden Verdächtige aus dem Täterkreis auch hier durch die Initiative „Kurve kriegen“ nun betreut, um möglichst wirkungsvoll und nachhaltig an der Ursache der Delinquenz zu arbeiten.