Gelsenkirchen-Rotthausen. Mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsdienst haben die Lage in Gelsenkirchen-Rotthausen beruhigt. Es tun sich aber neue Fronten auf.

Erste Erfolge im Kampf gegen gewalttätige Jugendliche verzeichnen Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) und Polizei Gelsenkirchen. Das gaben Behördenvertreter bei der Sitzung des Präventionsrates Rotthausen am Dienstag im Quartierszentrum (Karl-Meyer-Straße 6) bekannt.

„Die verstärkten Streifen und Kontrollen zeigen Wirkung“, berichten KOD-Teamleiterin Yasemin Kurnaz und die beiden Bezirkspolizisten Dennis Rudolf und Burkhard Kalisch. Die Beamten sagen, dass die Polizeibehörde „sehr optimistisch ist, die Täterermittlungen erfolgreich abzuschließen“. Die Kontrollen hätten unter anderem dazu geführt, dass die Ermittler nun über detaillierte Bewegungsprofile von Tatverdächtigen verfügten. Das helfe, um Zusammenhänge mit Raubzügen und Gewaltdelikten in benachbarten Stadtteilen zu erkennen.

Verstärkte Präsenz von Polizei und KOD Gelsenkirchen führt zu Verdrängungseffekten

Zivile und auch uniformierte Einsatzkräfte sind hier und auch andernorts durch die Quartiere patrouilliert, selbst die Einsatzhundertschaft der Polizei wurde demnach hinzugezogen, weil kriminelle Jugendliche immer wieder in den vergangenen Wochen und Monaten gleichaltrige Kinder und Jugendliche ausgeraubt oder angegriffen hatten. Wegen der Häufung der Fälle landete das Thema sogar beim Innenministerium und im Landtag.

Die stärkere Präsenz der Ordnungspartner, auch und insbesondere in den Abendstunden, „hat die Lage beruhigt“, sagen Peter Müller und Andreas Lange, die Vorsitzenden des Präventionsrates. Beide sowie auch KOD und Polizei sprechen in dem Zusammenhang allerdings auch von spürbaren Verdrängungseffekten. Heißt: Die Jugendlichen suchen sich einen anderen Aktionskreis, weg von der Straße. Ein Treffpunkt, so kristallisiert sich in der Diskussion heraus, soll der Hinterhof einer Kita an der Schonnebecker Straße sein. Lange erzählt, dass dort im Sandkasten „schon absichtlich Glasscherben verbuddelt wurden“.

Kirsten Sowa, Pfarrerin der evangelischen Emmausgemeinde, und Petra Müller, Leiterin der Kita Lothringer Straße, wiesen auf ein Kernproblem bei der Jugendarbeit hin: „Geld, es fehlt bei der Betreuung Jugendlicher an Geld für Sozialarbeiter und Pädagogen.“ Für Kleinkinder und Jüngere sei das Angebot in Gelsenkirchen aufgestockt worden und mittlerweile ganz gut, Teenager und vor allem ältere Jugendliche gingen dafür aber leer aus. „Für sie gibt es so gut wie keine Treffs und Freizeit-Angebote.“

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Die Emmaus-Kirchengemeinde Gelsenkirchen betreibt in Rotthausen an sechs Tagen die Woche ein Kinder- und Jugendheim der „Offenen Tür“ mit zwei hauptamtlichen Fachkräften. „Es müssten aber drei oder vier Helfer sein, um den Bedarf annähernd zu decken“, sagt Sowa. Zudem brauche es Streetworker, die Kontakt mit den Jugendlichen außerhalb der offiziellen Treffs aufnehmen. Ansonsten könne man die Jugendlichen nicht einfangen.

Lesen Sie dazu auch:

80.000 Euro im Jahr bekommt die Kirche dafür nach einem festgelegten Schlüssel über den Jugendhilfeplan, die andere Hälfte der Kosten finanziert die Kirche aus Eigenmitteln.

Gewalttätiger Übergriff auf zwei Jugendbetreuer der Gelsenkirchener Emmausgemeinde

Pfarrerin Kirsten Sowa von der evangelischen Emmausgemeinde in Gelsenkirchen. Sie berichtet von Gewalt gegen Jugendbetreuer.
Pfarrerin Kirsten Sowa von der evangelischen Emmausgemeinde in Gelsenkirchen. Sie berichtet von Gewalt gegen Jugendbetreuer. © Cornelia Fischer

Zwei hauptamtliche Sozialarbeiter findet Petra Müller „schon sehr komfortabel“. „Städtische Jugendheime haben nur eine hauptamtliche Kraft“, so die Kita-Leiterin weiter. Zu viele Stellen sind ihrer Meinung nach dem Sparzwang der vergangenen Jahre zum Opfer gefallen. Die Folgen sähe man jetzt, weniger würden erreicht, viele andere kämen auf dumme Gedanken.

Die Gewalt macht im Übrigen auch nicht vor den Helfern in Jugendzentren Halt, wie Kirsten Sowa berichtet. Eine siebenköpfige Gruppe hat jüngst erst zwei Helfer (23, 48) der Offenen Tür angegriffen, geschlagen und getreten. Die Prügelattacke geschah auf einem Parkplatz am Gemeindezentrum. „Bei dem Angriff brach dem Jüngeren ein Zahn ab, seine Brille wurde komplett zerstört“, sagt Sowa.

Auslöser der Attacke: Nach den Worten der Pfarrerin wohl eine Benimm-Anweisung anlässlich einer Halloween-Party Ende Oktober. „Seitdem hatten die Jugendlichen den 23-Jährigen auf dem Kieker, sich maßregeln oder etwas vorschreiben lassen, wollen sie sich nicht.“ Also hätten sie ihm auf dem Parkplatz aufgelauert und gegen ein Auto gedrückt. Als der ältere Betreuer dazustieß, um seinem Kollegen zu helfen, wurde auch er mit Schlägen und Tritten traktiert.