Gelsenkirchen. Gelsenkirchen hat einen neuen Leitenden Polizeidirektor: Peter Both, Ruhri durch und durch. Der 50-Jährige zeigt klare Kante gegen rechte Chats.
Über zu wenige Herausforderungen als Polizist kann sich Peter Both wahrlich nicht beschweren. Der 50-jährige Familienvater ist neuer Leitender Polizeidirektor in Gelsenkirchen, der Familienvater folgt als Nummer zwei im Präsidium auf Heidi Fahrenholz, die nunmehr als neue Führungskraft und erste Frau an der Spitze der Polizei im Rhein-Kreis Neuss steht.
Gelsenkirchens neuer Leitender Polizeidirektor Peter Both ist ein Kind des Ruhrgebiets
Aufgewachsen und sozialisiert in Bochum, ist Peter Both ein Ruhri durch und durch. 31 Jahre in Uniform haben den Beamten einmal quer durch das Revier geführt. „Der Schlag Mensch hier passt einfach zu mir“, sagt der 50-Jährige von sich. Kantig-rau, mit dem Herz auf der Zunge und ohne Scheu vor Herausforderungen. „Anpacken, Einsatz“ – das mag er, das liebt er und das pflegt er.
Anfänglich versah Peter Both seinen Dienst beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei in Selm. Danach führte ihn sein Weg unter anderem nach Dortmund mit den Schwerpunkten Nordstadt und Dorstfeld. Quartiere in der „verbotenen Stadt“ mit deutlich höherer krimineller und rechter Belastung als anderswo. 2016 wechselte der hoch gewachsene Polizist zur Bereitschaftspolizei Bochum, als deren späterer Leiter ihn im Herbst dieses Jahres der Ruf von Innenminister Herbert Reul nach Gelsenkirchen ereilte.
Gelsenkirchens Leitender Polizeidirektor plant Sicherheitsmaßnahmen für Fußball-EM 2024
Und das wohl aus gutem Grund: Peter Both hat nämlich maßgeblich am Aufbau einer neuen Spezialeinheit mitgewirkt, der sogenannten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE). Sie ist seit 2019 im Dienst. Diese Einsatzkräfte kommen vorwiegend bei Demonstrationen und Fußballspielen zum Einsatz, sie machen Gewalttäter dingfest. Ausgerüstet sind die Beamten mit neuster Video- und Nachrichtentechnik, ihren Sitz haben diese Hundertschaften in Bochum, Köln und Wuppertal. Erster Einsatz der BFE übrigens: ausgerechnet das DFB-Pokalspiel Schalke gegen Düsseldorf.
Mit Hooligans und anderen Krawallmachern hat Peter Both im Polizeialltag schon länger zu tun, wie er erzählt. So gehört zu seinem Einsatz-Portfolio beispielsweise auch die Münchener Sicherheitskonferenz, die Mai-Kundgebungen in Berlin oder die OSZE-Konferenz in Hamburg. Veranstaltungen, bei denen es nicht selten sprichwörtlich brennt und Steine fliegen. „In Gelsenkirchen gehört es daher zu meinen Aufgaben, für die Sicherheit bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 zu sorgen“, erklärt der neue Leitende Polizeidirektor. Gespielt wird bekanntlich in den EM-Stadien Köln, Düsseldorf, Dortmund und Gelsenkirchen. Both wird mit den Städten die polizeilichen Maßnahmen koordinieren.
Sorge: Pandemie befördert Gewaltbereitschaft gegen Einsatzkräfte
Der Vater eines neunjährigen Sohnes sagt frank und frei heraus, was Sache ist – und das mit oder ohne Uniform. Der frühere sportliche Leiter der DJK TuS Hordel zeigte beispielsweise zum Tag der Amateure 2019 klare Kante und setzte mit einer eindringlichen Video-Botschaft ein Zeichen „gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus“. Für ihn ist es nach wie vor „beschämend, dass 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen Rassismus wieder auf die Straße tragen und offen propagieren“.
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Ein Jahr später, 2020, konfrontierte der 50-Jährige sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel mit seiner Sorge und seiner Wut über zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften. „Es macht sehr wütend, wenn uns auf Demonstrationen ins Gesicht gespuckt wird, uns die Leute anlachen und sagen, dass sie Corona haben“, sagte der Polizist damals. „Wir dürfen nie vergessen, dass hinter jeder Uniform ein Mensch steckt.“ Er habe die Sorge, dass sich die Gewalt potenziere, je länger die Pandemie andauere. Eine Einschätzung, die in ihrer Aktualität zunehmend wieder an Bedeutung gewinnt.
Geärgert hat es Peter Both, dass die Polizei Essen/Mülheim nach Bekanntwerden rechter Chats in ihren Reihen „gleich in Sippenhaft“ genommen wurde. Es sei kein Essener Problem oder ein Mülheimer Problem, man müsse da sensibler herangehen, wenn einzelne sich etwas zu Schulden kommen lassen. Gleichwohl sagt der neue Leitende Polizeidirektor auch: „Der Bürger muss von der Polizei Rechtsstaatlichkeit erwarten.“ Eine Kampfansage an alle, die das Wertefundament zu untergraben versuchen.
Gelsenkirchens Leitender Polizeidirektor Peter Both: Keine Unterschrift für Schalkes Sicherheitskonzept
Einen klaren Standpunkt vertritt Peter Both auch in Sachen Fußballspiele und Alkoholverbot. Er mag es gar nicht, dass die Polizei in dem Zusammenhang als Spielverderber hingestellt wird, zuletzt bei der Hochrisiko-Begegnung zwischen dem FC Schalke 04 und Dynamo Dresden. Both dazu: „Die Polizei hat keinerlei Handhabe, Alkohol im Stadion zu verbieten.“ Laut DFB-Richtlinie gibt es für Liga eins bis drei ein generelles Alkoholverbot. Ausnahmen, so der Beamte weiter, seien nur möglich, wenn die Veranstaltung, also das Spiel, keinem Risiko für etwaige Ausschreitungen unterläge.
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Aus den Ausnahmen ist aber heute die Regel geworden, deshalb hat Both seine Unterschrift für das von Schalke vorgelegte Sicherheitskonzept für die brisante Partie gegen Dresden verweigert. Und er würde „es auch wieder tun, so lange die Rechtslage so bleibt“. Denn es geht auch anders. Siehe Mönchengladbach. „Dort gibt es sogar ein Alkoholverbot in der Altstadt“, weiß der Polizist. Stadt und Verein haben da an einem Strang gezogen.
Mit der Bilanz des Dresden-Spiels ist der 50-Jährige weitgehend zufrieden. Die befürchteten Fan-Märsche und Keilereien zwischen den Fangruppen sind Both zufolge ausgeblieben, das Abbrennen von Pyros größtenteils ebenso. Weniger kann sich der hohe Beamte damit anfreunden, dass zwei Schläger gefasst wurden, die Ordner angegriffen hatten. Ihm ist es lieber, wenn es zu solchen Szenen gar nicht erst kommt. Das gilt insbesondere auch für eine Kollegin, die am Spieltag bei einer Kontrolle von einem Auto mitgeschleift worden ist. „Ihr geht es körperlich besser, so eine Erfahrung hinterlässt aber Spuren“, sagt Peter Both.
Fußball befrieden: Bereitschaft, den Dialog mit der Schalker Fanbasis zu suchen
Bratwurst und Bier im Stadion gehören für den Fußballfan Both traditionell dazu. Deshalb will er sich im Sinne eines friedlichen Bundesliga-Nachmittags keiner Diskussion verschließen, gern auch direkt mit Fanprojekten in Kontakt treten. Sein Credo: „Wenn wir den Fußball befrieden wollen, müssen wir alle miteinander reden.“ Both ist aber Realist genug zu wissen, dass das eine Sisyphusarbeit ist, dass es ein Bundesligaspiel, begleitet nur von einer Handvoll Motorradpolizisten, niemals geben wird.
Bunt geht es an Spieltagen bei der Bochumer Familie zu. Peter Boths Herz schlägt für die Gladbacher Fohlen, sein Vater ist glühender Anhänger der Kölner Geißböcke und seine Schwester trägt das Blau der einst Unabsteigbaren aus Bochum. Grün gegen Königsblau einzutauschen, dazu konnte selbst Boths Frau den eingefleischten Borussen nicht überreden. Immerhin: Ein Versprechen nahm sie ihm ab. „Und zwar in Gelsenkirchen zu bleiben, bis Schalke wieder aufgestiegen ist“, sagt der Leitende Polizeidirektor feixend.
Die Laufbahnen bei der Polizei
Bei der Polizei existieren drei mögliche Laufbahnen: mittlerer, gehobener und höherer Dienst. Den mittleren Dienst gibt es noch in anderen Bundesländern, in NRW nicht mehr. Im mittleren Dienst startet man als Polizeianwärter, die höchste Rangstufe ist der Polizeihauptmeister (vier blaue Sterne auf der Schulterklappe).
Im gehobenen Dienst geht es mit Studium mit dem Polizeikommissar weiter, das höchste Amt ist der Erste Polizeihauptkommissar (fünf silberne Sterne). Die Laufbahn im höheren Dienst wiederum startet mit dem Polizeirat und endet mit dem Leitenden Polizeidirektor (vier goldene Sterne).
Der höhere Dienst kann nicht direkt erreicht werden. Es gilt, sich zunächst zu beweisen. Ist das geschehen, ist ein Aufstieg über ein erfolgreiches Masterstudium in den höheren Dienst möglich.